Faktencheck

Der Benzinpreis lag 2020 durch die Corona-Pandemie auf einem Rekordtief

Ein Vergleich von aktuellen Benzinpreisen mit denen von April 2020 führt in die Irre. Dass die Spritpreise stark gestiegen sind, stimmt zwar. Allerdings ist die Differenz nur deshalb so groß, weil die Corona-Pandemie 2020 für ein Rekordtief der Preise sorgte.

von Uschi Jonas

Sprit war während der Corona-Pandemie so günstig wie seit Jahren nicht (Symbolbild: Unsplash/ Jakob Rosen)
Sprit war während der Corona-Pandemie so günstig wie seit Jahren nicht (Symbolbild: Unsplash/ Jakob Rosen)
Behauptung
Im April 2020 habe der Liter „Super“ rund 1,04 Euro gekostet. Der Preis habe sich seitdem um 70 Cent auf rund 1,74 Euro erhöht.
Bewertung
Fehlender Kontext
Über diese Bewertung
Fehlender Kontext. Der Vergleich der Benzinpreise von Oktober 2021 und April 2020 ist nicht aussagekräftig, denn im April 2020 lagen die Benzinpreise im Zuge der Corona-Pandemie auf einem Rekordtief.

Ein Liter „Super“ koste aktuell rund 1,74 Euro – im April 2020 sei der Preis 70 Cent niedriger gewesen, schreibt ein Facebook-Nutzer zum Foto einer Benzinpreisanzeige, die von April 2020 stammen soll. Der Beitrag wurde mehr als 3.000 Mal geteilt. 

Unseren Recherchen zufolge sind die angegebenen Benzinpreise zwar über- beziehungsweise unterdurchschnittlich, aber realistisch. Dennoch fehlt Kontext: 2020 sorgte die Corona-Pandemie für die niedrigsten Benzinpreise seit vielen Jahren. So niedrig wie im April 2020 lag der Preis für einen Liter „Super“ laut ADAC zuletzt im Januar 2009. Ursache für die aktuell hohen Preise sind vor allem der gestiegene Rohölpreis, aber auch Beschlüsse der noch amtierenden Bundesregierung aus SPD, CDU und CSU.

Dieser Vergleich der Preise für einen Liter „Super“ im April 2020 mit Oktober 2021 kursiert auf Facebook (Quelle: Facebook / Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)
Dieser Vergleich der Preise für einen Liter „Super“ im April 2020 mit Oktober 2021 kursiert auf Facebook (Quelle: Facebook / Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

Angaben zum Benzinpreis für April 2020 unterdurchschnittlich niedrig, für Oktober 2021 realistisch

Im Facebook-Beitrag wird kein Ort angegeben, an dem das Foto entstanden sein soll. Auch sind keine Hinweise zu erkennen, die auf eine konkrete Tankstelle schließen ließen. Es bleibt ebenfalls unklar, ob das Foto im Ausland entstanden ist, da darauf „Super“ und Diesel gleich viel kosten. In Deutschland ist Diesel in der Regel günstiger. 

Trotzdem haben wir uns die Lage in Deutschland angeschaut. Der Durchschnittspreis für einen Liter „Super E10“ bewegte sich im April 2020 laut Daten des Allgemeinen Deutschen Automobil-Clubs (ADAC) zwischen 1,20 Euro und 1,14 Euro. 

Der Preis von rund 1,04 Euro für einen Liter „Super“ wäre also damals ungewöhnlich günstig gewesen, wenn auch nicht unmöglich, da die Spritpreise regional stark variieren können. Das kann man zum Beispiel auf der Webseite „Benzinpreise.de“ sehen, wo sich tagesaktuell Spritpreise der teuersten und günstigsten Tankstelle in ganz Deutschland vergleichen lassen. 

Ein Preis von 1,74 Euro Anfang Oktober 2021 ist vor dem Hintergrund, dass er regional stark variieren kann, ebenfalls plausibel. Im Durchschnitt bewegten sich die Preise für „Super E10“ laut ADAC im Oktober 2021 bisher zwischen 1,61 Euro und 1,67 Euro.

Benzinpreise sanken im Frühjahr 2020 durch die Corona-Pandemie auf ein Rekordtief

Auch wenn die angegeben Preise in dem Facebook-Beitrag realistisch sind, so wurde hier doch für den Vergleich ein sehr niedriger und ein sehr hoher Preis ausgesucht. Es fehlt außerdem relevanter Kontext zu dem Preis von April 2020. Denn die Spritpreise waren seit Jahren in Deutschland nicht so niedrig wie zu Beginn der Corona-Pandemie und den ersten Lockdown-Maßnahmen.

Ein Blick auf den Jahresdurchschnittspreis laut Daten des Statistischen Bundesamts und des Mineralölwirtschaftsverbands (MVV) zeigt, dass der Preis für „Super“-Benzin seit Jahren immer weiter nach oben tendiert; doch es gibt Ausreißer nach unten. So lag der Durchschnittspreis im Jahr 2012 bei rund 1,65 Euro. Und ähnlich tief wie 2020 (1,29 Euro) war der Durchschnittspreis zuletzt in den Jahren 2016 (rund 1,30 Euro) und 2009 (rund 1,28 Euro).

Die Entwicklung des Jahresdurchschnittspreises von einem Liter „Super“ seit 1972 (Quelle: Statista auf Basis von Daten des Statistischen Bundesamtes und des MVV)
Die Entwicklung des Jahresdurchschnittspreises von einem Liter „Super“ seit 1972 (Quelle: Statista auf Basis von Daten des Statistischen Bundesamtes und des MVV)

Im Vergleich der einzelnen Wochen lag der Durchschnittspreis für einen Liter „Super E10 am 28. April 2020 bei rund 1,14 Euro und am 5. Mai 2020 bei 1,13 Euro. Er war also 2020 sogar noch niedriger als am 23. Februar 2016 (rund 1,18 Euro). Der Einfluss der Corona-Pandemie ist deutlich zu erkennen; der Benzinpreis fiel von Februar bis Mai 2020 stark und stieg erst ab November 2020 wieder kontinuierlich an.

Der Durchschnittspreis von einem Liter „Super E10“ seit 2014 im wöchentlichen Vergleich (Quelle: ADAC / Statista / Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)
Der Durchschnittspreis von einem Liter „Super E10“ seit 2014 im wöchentlichen Vergleich (Quelle: ADAC / Statista / Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

Auch Medien berichteten für April 2020 von einem „Rekordtief“ der Spritpreise. Grund dafür: Der Pendler- und generell der Autoverkehr kamen in Deutschland und in vielen Regionen der Welt nahezu zum Erliegen. Das lag laut Mineralölwirtschaftsverband einerseits an der Einführung von Lockdown- und Home-Office-Maßnahmen, sowie dem Ausbleiben von Fern- und Dienstreisen und andererseits am Herunterfahren der Wirtschaft. Die Produktion in Deutschland sank im April 2020 im Vergleich zum Vormonat März um fast 18 Prozent. Die Corona-Pandemie sorgte folglich auch für eine sinkende Nachfrage nach Rohöl und somit für die sinkenden Spritpreise, wie der ADAC erklärte.

Gestiegene Rohöl-Nachfrage ist der Hauptgrund für Preisanstieg von Benzin und Diesel 2021

Das ist laut Experten auch die Hauptursache, warum aktuell die Benzinpreise so stark steigen: Der Ölpreis habe sich innerhalb eines Jahres fast verdoppelt, erklärt uns ein Pressesprecher des Mineralölwirtschaftsverbands: „Ursache dafür ist die mit dem Abebben der Corona-Pandemie gestiegene globale Rohöl-Nachfrage bei begrenztem Angebot.“

Hinzu komme, dass Öl in Weltregionen außerhalb Europas aktuell zunehmend als Ersatz für Gas eingesetzt werde, zum Beispiel in Kraftwerken. Der Grund dafür: Der Gaspreis war zuletzt noch stärker gestiegen als der Ölpreis. Eine Rolle dabei spielt auch der internationale Wechselkurs, wie der Pressesprecher erläutert: Dass der Euro gegenüber dem US-Dollar leicht an Wert verloren habe, verteuert Öl zusätzlich im Euro-Raum, weil der Rohstoff in Dollar abgerechnet wird. Dieser Aspekt macht allerdings zur Zeit nur zwei Prozent aus.“

Auch der ADAC bestätigt, dass für die Entwicklung der Kraftstoffpreise neben dem Rohölpreis auch der Wechselkurs von Dollar und Euro ausschlaggebend sei. Eine Pressesprecherin des ADAC schreibt uns dazu: Der Rohölpreis ist derzeit zwar niedriger als 2012 – ein Barrel der Sorte Brent kostet derzeit rund 83 US-Dollar – der Dollar ist jedoch deutlich stärker als vor neun Jahren. Das verteuert Öleinfuhren nach Europa. Beim Diesel sorgt zusätzlich die jahreszeitbedingte starke Nachfrage nach Heizöl für eine Verteuerung an den Zapfsäulen.“ 

Auch die aktuelle Ferienzeit in einigen Regionen Deutschlands und die Tatsache, dass immer mehr Arbeitnehmende aus dem Home Office zurück in den Büroalltag kehren, könnten eine steigende Nachfrage nach Sprit verursachen. Tankstellenbetreiber würden „sicher die Chance nutzen, um ihr Defizit aus dem Beginn der Pandemie etwas zu minimieren“, so die Sprecherin des ADAC. 

Einführung der CO2-Abgabe auf Kraftstoffe beeinflusst Benzinpreise seit Januar 2021

Politisch spielen außerdem vor allem zwei Dinge eine entscheidende Rolle: Die Wiederanhebung des Mehrwertsteuersatzes und die Einführung der CO2-Abgabe auf Kraftstoffe. 

Im Rahmen des Klimaschutzprogramms hatte die Bundesregierung 2019 beschlossen, eine CO2-Bepreisung für Verkehr und Wärme ab 2021 einzuführen. Im Oktober 2020 stimmte der Bundestag mit den Stimmen von Union, SPD und Grünen einem Gesetz zu, das eine höhere CO2-Abgabe auf Kraftstoffe einführte, als ursprünglich angedacht. 

Die Bundesregierung schrieb dazu im November 2020: Der neue CO2-Preis wird den Verbrauch von fossilen Heiz- und Kraftstoffen teurer machen. Damit wird die Nutzung klimaschonender Technologien wie Wärmepumpen und Elektromobilität, das Sparen von Energie und die Nutzung erneuerbarer Energie lohnender. 

Im Januar 2021 trat der CO2-Preis auf Kraftstoffe erstmals in Kraft. Unternehmen, die diese fossilen Kraftstoffe auf den Markt bringen, müssen seit Januar entsprechende Emissionszertifikate erwerben, wodurch sich für die Verbraucherinnen und Verbraucher ebenfalls die Preise erhöhten. Dem Sprecher des Mineralölwirtschaftsverbands zufolge machte der CO2-Aufschlag 7 bis 8 Cent pro Liter Kraftstoff aus. Und er ergänzt: „Ohne den CO2-Aufschlag wäre der Dieselpreis nicht auf einem Allzeithoch. Der CO2-Aufschlag steigt zum 1.1.2022 um weitere 1 bis 2 Cent je Liter.“ 

Grundsätzlich beeinflusse die Einführung der CO2-Abgabe die Kraftstoffpreise, bestätigt auch die ADAC-Sprecherin. Die aktuelle Erhöhung sei jedoch vor allem marktbedingt“, wie oben beschrieben

Redigatur: Alice Echtermann, Steffen Kutzner

Die wichtigsten, öffentlichen Quellen für diesen Faktencheck:

  • Durchschnittlicher Preis für einen Liter „Super E10“ in Deutschland vom 7. Januar 2014 bis zum 19. Oktober 2021 laut Daten des ADAC: Link
  • Die Entwicklung des Jahresdurchschnittspreises pro Liter „Super“ seit 1972 laut Statistischem Bundesamt und Mineralölwirtschaftsverband: Link
  • Die Entwicklung des Durchschnittspreises pro Liter „Super E10“ seit 2014 laut Daten des ADAC im wöchentlichen Vergleich: Link

Update 26. Oktober 2021: Wir haben weitere Erklärungen zur CO2-Bepreisung ergänzt.