Faktencheck

Angebliche „CDC-Schockstudie“: Zahlen zu Fehlgeburten bei geimpften Schwangeren werden falsch interpretiert

Die Behauptung kursiert international: Eine Studie der US-Gesundheitsbehörde CDC belege angeblich, dass 81,8 Prozent der früh gegen Covid-19 geimpften Schwangeren eine Fehlgeburt erleiden. Das stimmt nicht, die Behauptung beruht auf einer falschen Interpretation der Studie.

von Tania Röttger

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Eine Impfung im ersten Schwangerschaftsdrittel führt laut Daten einer US-Studie nicht zu einer höheren Rate von Fehlgeburten, doch die Daten werden in Sozialen Netzwerken falsch interpretiert (Symbolbild: Julia Fiedler / Pixabay)
Behauptung
Eine Studie der US-Gesundheitsbehörde CDC zeige, dass es 81,8 Prozent Fehlgeburten bei früh gegen Covid-19 geimpften Schwangeren gebe.
Bewertung
Falsch. Die Grundlage der Behauptung ist eine Fehlinterpretation von Zahlen einer CDC-Studie.

Die österreichische Webseite Report24 titelte im Juli: „CDC Schock-Studie: 81,8 Prozent Fehlgeburten bei früh geimpften Schwangeren?“ Mehr als 2.100 Mal wurde der Artikel laut dem Analysetool Crowdtangle auf Facebook geteilt. 

Wir haben uns die Studie angeschaut. Dabei wird klar, dass die Behauptungen darauf basieren, dass Zahlen aus einer Tabelle falsch interpretiert wurden. 

Daten von CDC-Studie über Fehlgeburten werden falsch interpretiert 

Es geht um die Studie „Vorläufige Ergebnisse zur Sicherheit von mRNA-Covid-19-Impfstoffen bei Schwangeren“ (Preliminary Findings of mRNA Covid-19 Vaccine Safety in Pregnant Persons). Sie erschien am 17. Juni 2021 im New England Journal of Medicine und wurde als Teil einer speziellen Forschungseinheit der US Centers for Disease Control and Prevention (CDC v-safe COVID-19 Pregnancy Registry Team) durchgeführt. Die CDC sind eine Behörde des US-amerikanischen Gesundheitsministerium. Die spezielle Einheit sammelt Daten von Personen, die kurz vor Beginn der Schwangerschaft oder während der Schwangerschaft gegen Covid-19 geimpft wurden. 

Die Forschenden fanden nach eigenen Angaben keine „offensichtlichen Warnsignale“ bei Schwangeren, die mit einem mRNA-Impfstoff geimpft worden waren. 

Die Webseite Report24 behauptet, diese Einschätzung sei mit Blick auf die im Anhang der Studie veröffentlichten Zahlen nicht zu halten. Als Quelle für diese Behauptung bezieht sich Report24 auf eine englischsprachige Webseite namens Z3-News: Diese interpretiere die Ergebnisse der CDC-Studie dahingehend, „dass es innerhalb der ersten 20 Schwangerschaftswochen zu 81,8 Prozent Fehlgeburten kam und die Darstellung im Abstract irreführend wäre.“ Bei Z3-News wird zwar suggeriert, die Impfung sei gefährlich für Schwangere, aber die von Report24 zitierte Berechnung ist dort nicht zu lesen. Tatsächlich findet sich die Zahl 81 oder 81,8 nirgends auf der Seite von Z3-News

Report24 rechnet selbst nach, kommt dabei jedoch auf ein anderes Ergebnis: „… was man gesichert ableiten kann, ist der Umstand, dass mindestens 75 Prozent der früh geimpften Studienteilnehmerinnen ihre Babys verloren. Dies wäre signifikant über der gewöhnlichen Zahl an Fehlgeburten bei Schwangerschaften die zwischen 12 und 26 Prozent angenommen wird.“ Als Beleg für die gewöhnliche Rate der Fehlgeburten verlinkt Report24 zu einem Artikel des Wissensformats „Quarks“ des WDR

Auch die Angabe von „mindestens 75 Prozent“ Fehlgeburten ist falsch. Es lässt sich jedoch nachvollziehen, wie diese Fehlinterpretation zustande kam. Die Berechnung bezieht sich auf Tabelle 4 in der Studie.

Die Tabelle ist die Quelle für die falschen Behauptungen
Dies ist Tabelle 4 aus der CDC-Studie über gegen Covid-19 geimpfte Schwangere, die zu Fehlinterpretationen führte (Quelle: NEJM / Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

Die Rechnung soll sich auf Schwangere beziehen, die im ersten oder zweiten Trimester geimpft wurden

Die Studie basiert unter anderem auf Daten des „v-safe pregnancy registry“ (auf Deutsch: Schwangerschaftsregister). V-safe ist ein Tool auf dem Smartphone, über das personalisierte Gesundheitschecks laufen. Diese CDC-Abteilung hat bis Ende März etwa 5.200 Frauen kontaktiert, die laut der Datenbank kurz vor oder während ihrer Schwangerschaft geimpft wurden. Geantwortet haben 3.958 schwangere Frauen, die zwischen dem 14. Dezember 2020 und 28. Februar 2021 ihre erste Impfdosis bekamen. Befragt wurden sie zehn bis zwölf Wochen nach ihrer Impfung. 

Von diesen knapp 4.000 Teilnehmerinnen hatten zum Zeitpunkt der Kontaktaufnahme 827 ihre Schwangerschaft beendet. Bei 104 davon bedeutete das Ende der Schwangerschaft eine Fehlgeburt vor der 20. Schwangerschaftswoche. 712 gebaren Kinder, und zwar insgesamt 724 Kinder, weil darunter Zwillinge waren.

Quelle für den Faktencheck
Auszug aus der CDC-Studie, in der es um die beendeten Schwangerschaften geht (Quelle: NEJM / Screenshot und Markierung: CORRECTIV.Faktencheck)

Die Rechnung, auf die sich Report24 bezieht, beruht auf einer falschen Annahme: Weil 700 der Teilnehmerinnen, die ihre Schwangerschaft mit der Geburt eines lebenden Kindes beendeten, die Impfung im dritten Trimester erhielten, lasse sich angeblich rückschließen, dass die übrigen 127 Frauen die Impfung davor erhielten – also im ersten oder zweiten Trimester. In der Studie wird der Zeitraum eines Trimesters mit 14 Wochen angegeben. 

Da alle 104 Fehlgeburten in der oben gezeigten Tabelle vor der 20. Schwangerschaftswoche passierten, schließen die Autoren von Report24, dass man diese beiden Zahlen aufeinander beziehen müsse. Sie stellen also die 104 Fehlgeburten in Beziehung zu 127 „früh geimpften“ Frauen. So kommt man auf die angeblichen 81,8 Prozent Fehlgeburten bei „früh geimpften Schwangeren“.

Studie betrachtet nur den Zeitraum von zehn bis zwölf Wochen nach der Covid-19-Impfung 

Allerdings vernachlässigt diese Rechnung die Logik: Wenn Schwangere zehn bis zwölf Wochen nach ihrer ersten Impfung kontaktiert werden, ist es natürlich, dass nur diejenigen, deren Geburtstermin in diese Zeit fällt, ihre Kinder in diesem Zeitraum gebären. Die Ausnahme bilden Fehlgeburten. Der Rest war zum Zeitpunkt der Befragung noch schwanger. 

Im Gegensatz zu den Behauptungen erhielten nicht 127 Teilnehmerinnen der Umfrage ihre erste Dosis im ersten Trimester, sondern 1.132. Nimmt man nur diese Gruppe, ergäbe das eine Rate von rund 9,2 Prozent Fehlgeburten. Und da sind die 92 Teilnehmerinnen noch nicht eingerechnet, die ihre erste Impfdosis in den 30 Tagen vor ihrer letzten Periode, also vor Beginn der Schwangerschaft, erhalten haben.

Weitere Quelle für den Faktencheck
Tabelle 3 zeigt, zu welchem Zeitpunkt ihrer Schwangerschaft die Teilnehmerinnen der Studie geimpft wurden (Quelle: NEJM / Screenshot und Markierung: CORRECTIV.Faktencheck)

Die falsche Behauptung über 81,8 Prozent Fehlgeburten und andere falsche Interpretationen der CDC-Studie kursiert seit Juli international, wie Faktencheck-Organisationen aus Irland, Großbritannien, Frankreich und den USA berichteten. 

Andere Studien finden ebenfalls keinen Zusammenhang zwischen Covid-19-Impfungen und Fehlgeburten

Auch andere Studien untersuchten, ob ein Zusammenhang zwischen der Impfung und Fehlgeburten bestehen könnte. Das Journal of the American Medical Association (Jama) veröffentlichte im September 2021 den Artikel „Spontane Fehlgeburt nach Covid-19 Impfung in der Schwangerschaft“. Die Forschenden analysierten Daten von mehr als 105.000 Schwangeren, von denen etwas mehr als 13.000 in einer Fehlgeburt endeten. Etwa 14 Prozent der 105.000 Teilnehmerinnen hatte innerhalb der ersten 20 Wochen der Schwangerschaft eine Impfung entweder mit Pfizer/Biontech, Moderna oder Johnson&Johnson erhalten. Die Analyse fand heraus, dass es keine erhöhte Wahrscheinlichkeit einer Fehlgeburt bei den Geimpften gab. 

Und eine zweite Studie vom New England Journal of Medicine, die im Oktober veröffentlicht wurde, analysiert explizit Daten der Schwangeren, die eine Covid-19-Impfung in den ersten 20 Schwangerschaftswochen erhielten. Die Studie fand heraus, dass in dieser Gruppe das Risiko für Fehlgeburten (zwischen der 6. und 20. Schwangerschaftswoche) bei 12,8 bis 14,1 Prozent lag. Der Anteil schwankte je nachdem, ob bei der Analysemethode das Alter einbezogen wurde, denn je höher das Alter der Schwangeren, desto wahrscheinlicher werden Fehlgeburten.

Offizielle Statistiken, wie viele Schwangerschaften mit einer Fehlgeburt enden, gibt es für Deutschland nicht, da Fehlgeburten nicht meldepflichtig sind. 2016 sprach der Berufsverband der Frauenärzte aber davon, dass jede dritte Schwangerschaft die ersten zwölf Wochen nicht überlebe, „ohne dass man dafür irgendeinen Grund findet“.

Schutzimpfung gegen Covid-19 wird für Schwangere empfohlen

In den USA und in Deutschland empfehlen offizielle Stellen Schwangeren und Stillenden die Covid-19-Impfung. Die Impfempfehlung der Ständigen Impfkommission gilt für Schwangere ab dem 2. Trimester. Das Robert-Koch-Institut (RKI) schreibt als Begründung für die Empfehlung, dass Schwangere häufiger schwer an Covid-19 erkranken.

Übrigens: In Deutschland werden Schwangere im ersten Trimester in der Regel nicht geimpft, auch nicht gegen andere Krankheiten. Das RKI schreibt dazu: „Im ersten Drittel der Schwangerschaft sollten nur dringend indizierte Impfungen durchgeführt werden, um zu verhindern, dass die in der Frühschwangerschaft häufigen Spontanaborte (Anm. d. Red.: Fehlgeburten) fälschlicherweise mit der Impfung in Zusammenhang gebracht werden und so im Einzelfall für die Betroffenen zu einer besonderen psychischen Belastung werden.“

Redigatur: Alice Echtermann, Uschi Jonas 

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Quellen
  • NEJM: Preliminary Findings of mRNA Covid-19 Vaccine Safety in Pregnant Persons
  • JAMA: Spontaneous Abortion Following COVID-19 Vaccination During Pregnancy
  • NEJM: Receipt of mRNA Covid-19 Vaccines and Risk of Spontaneous Abortion