Nein, dieses ARD-Video von Oktober 2020 zeigt nicht, dass die Pandemie ein „Fake“ sei
In einem Fernsehbeitrag habe die ARD zugegeben, dass die Corona-Pandemie ein „Fake“ sei, wird auf verschiedenen Webseiten behauptet. Dazu wird ein Ausschnitt der Sendung „ARD Extra“ von Oktober 2020 geteilt, der jedoch veraltet ist.
„ARD gibt praktisch zu, dass es eine Fake Pandemie ist“, lautet der Titel eines Videos, das unter anderem auf der Webseite Free-people.online veröffentlicht und von dort aus mehr als 2.000 Mal auf Facebook geteilt wurde. Auch auf Video-Plattformen und auf Facebook findet sich der fragliche Beitrag der ARD mit der Behauptung.
Das Video ist ein Original-Beitrag aus der Sendung „ARD Extra“, der jedoch schon am 5. Oktober 2020 ausgestrahlt wurde. Wir konnten ihn zwar nicht mehr in der ARD-Mediathek finden, es gibt jedoch mehrere Kopien auf Youtube. Zu Beginn des Videos sind außerdem mehrere Ausschnitte aus Nachrichtensendungen hintereinander geschnitten. Alle stammen aus dem Zeitraum zwischen dem 26. September und 1. Oktober 2020, sind also mehr als ein Jahr alt. In allen ist von steigenden Infektionszahlen die Rede.
Der Beitrag ist also nicht aktuell. Der Sender berichtet darin zudem nicht, dass die Pandemie erfunden oder gefälscht sei, sondern davon, dass sich im frühen Herbst 2020 zwar immer mehr Menschen mit dem Coronavirus infizierten, aber nur wenige deshalb im Krankenhaus behandelt werden mussten. Der Beitrag sagt nichts über die aktuelle Situation aus.
ARD-Beitrag relativierte den Anstieg der Fallzahlen im Oktober 2020 – etwa zwei Monate später stiegen die Todeszahlen
In dem Beitrag heißt es unter anderem: „Der jüngste Anstieg der Neuinfektionen führt derzeit nicht zu mehr Krankenhauseinweisungen, weil sich überwiegend junge Menschen anstecken, die wenig oder gar nicht erkranken“ (Minute 1:57). Auch steigende Inzidenzzahlen seien ohne weitere Informationen bedeutungslos.
Der ARD-Beitrag relativierte den Anstieg der Fallzahlen, der sich jedoch ab Anfang Oktober deutlich beschleunigte. Zu diesem Zeitpunkt gab es noch keine Impfungen. Im Dezember 2020 kam es dann zu einem starken Anstieg der Covid-19-Todesfälle. Auch eine Aussage in dem Video, es gebe in Deutschland keine Übersterblichkeit, war am Jahresende nicht mehr korrekt (zum Thema Übersterblichkeit haben wir hier einen ausführlichen Faktencheck).
Die Aussagen aus dem ARD-Video lassen sich nicht auf die aktuelle Pandemielage mehr als ein Jahr später übertragen.
ARD-Bericht aus dem Herbst 2020 sagt nichts über aktuelle Belegung der Intensivstationen aus
Weder lässt sich die Situation im Herbst 2021 sinnvoll mit der von 2020 vergleichen, wie wir hier beschrieben haben, noch wird in dem Bericht „zugegeben“, dass die Pandemie erfunden sei.
Seit Beginn der vierten Welle Anfang November 2021 hat sich die Lage auf den Intensivstationen wieder verschärft, vor allem in Bayern und Sachsen: Am 10. November war in 21 bayerischen Kommunen kein Intensivbett mehr frei, wie der Bayerische Rundfunk unter Berufung auf das DIVI-Intensivregister berichtete. Und am 22. November erklärte der Präsident der sächsischen Landesärztekammer, dass sich Sachsen auf eine Triage einstellen müsse, da die Kapazitäten aufgebraucht seien. Ein Sprecher der Krankenhausgesellschaft Sachsen sagte, noch könne man die Patientinnen und Patienten in andere Kliniken verlegen.
Dass sich die Lage in den Krankenhäusern verschlechtert hat, sieht man beim Blick auf die Tagesreports des DIVI-Intensivbettenregisters: Am 29. November 2021 waren laut Tagesreport 2.458 Intensivbetten frei. Am 29. August 2021, vor Beginn der vierten Welle, waren es noch 3.767.
Zum Vergleich: Am 5. Oktober 2020, dem Tag, an dem der ARD-Beitrag erschien, und lange bevor die infektiösere Delta-Variante des Coronavirus in Deutschland vorherrschend war, waren 9.444 Betten frei.
Der Rückgang der verfügbaren freien Betten hat jedoch auch andere Gründe. Denn ein freies Intensivbett bedeutet nicht nur, dass das Bett existiert, sondern dass genug Personal vorhanden ist, um den Menschen darin zu betreuen.
So beklagte der Chef der DIVI im Oktober 2021, viele Pflegekräfte hätten wegen der Belastung gekündigt oder ihre Arbeitszeit reduziert. Zudem wurde die Pflegepersonaluntergrenze in Krankenhäusern zu Beginn des Jahres verändert. Seit Anfang Februar 2021 darf eine Pflegekraft auf einer Intensivstation in der Tagschicht maximal zwei Patienten versorgen, und in der Nachtschicht drei. Vorher waren es 2,5 und 3,5. Für dieselbe Menge Patienten muss jetzt also mehr Pflegepersonal vor Ort sein. Fällt ein Pfleger bei maximaler Belegung ersatzlos aus, werden dadurch mehr Betten nicht mehr betreibbar. Werden diese Grenzen nicht eingehalten, sind die Stationen also überbelegt, drohen den Krankenhäusern Strafzahlungen.
Redigatur: Matthias Bau, Alice Echtermann
Die wichtigsten, öffentlichen Quellen für diesen Faktencheck: