Nein, Menschen mit einer Kreuzimpfung gelten nicht als ungeimpft – und werden auch bei Impfdurchbrüchen erfasst
Auf Facebook wird ein Bild geteilt, das verschiedene Behauptungen dazu aufstellt, wann man in Deutschland als ungeimpft gelte. Diese Auflistung soll offenbar die Zahlen ungeimpfter Menschen auf den Intensivstationen relativieren. Die Behauptungen sind jedoch teilweise falsch.
„Warum liegen so viele Ungeimpfte auf der Intensivstation? Weil sie unter ungeimpft etwas anderes verstehen als du!“, heißt es in einem Bild, das in diversen Beiträgen auf Facebook kursiert (hier, hier und hier). In dem Bild werden mehrere Behauptungen dazu aufgestellt, wer in Deutschland als ungeimpft gelte: etwa Menschen nach einer sogenannten Kreuzimpfung, oder solche mit unbekanntem Impfstatus. In einem Beitrag wird zusätzlich behauptet, Impfdurchbrüche würden nach Kreuzimpfungen nicht erfasst.
Wir haben uns die verschiedenen Behauptungen angeschaut und mit dem Stand 16. Dezember 2021 recherchiert. Unsere Recherche zeigt: Die Behauptungen sind teilweise falsch.
Wer gilt in Deutschland rechtlich als geimpft?
Auf der Webseite des Robert-Koch-Instituts (RKI) in den Antworten auf häufig gestellte Fragen wird erklärt, wer in Deutschland laut rechtlichen Verordnungen als geimpft gilt. Dieser Status ist wichtig, um etwa nachzuweisen, dass man unter 2G-Regeln weiterhin Zutritt zu Restaurants oder Einkaufszentren hat.
Als geimpft gilt, wer mit einem in der EU zugelassenen Covid-19-Impfstoff geimpft wurde und bei dem nach der letzten Impfstoffdosis mindestens 14 Tage vergangen sind. Derzeit sind in Europa vier Impfstoffe zugelassen: von Biontech (Comirnaty), Moderna (Spikevax), Astrazeneca (Vaxzevria) und Janssen.
Je nach Impfstoff sind für den vollständigen Schutz eine oder zwei Impfdosen notwendig. Falsch ist also die Aussage, man gelte nach einer einmaligen Impfung immer als ungeimpft – bei dem Impfstoff Janssen ist nur eine Dosis nötig. Und wenn man nachweislich eine Infektion durchgemacht und Antikörper hat, reicht laut RKI ebenfalls eine einzelne Impfung aus, um als geimpft zu gelten.
Ähnliches gilt auch in Österreich: Liegt eine Covid-19-Infektion weniger als sechs Monate zurück, reicht eine Impfdosis aus.
Nur in Europa zugelassene Corona-Impfstoffe werden anerkannt
Richtig ist: Eine Impfung mit dem russischen Impfstoff Sputnik V würde in Deutschland derzeit rechtlich nicht anerkannt, weil er in Europa nicht zugelassen ist. Der Impfstoff befindet sich noch immer im Prüfverfahren für eine Zulassung in der EU (rolling review). Eine im Herbst erwartete Zulassung von Sputnik V fand nicht statt. Laut Medienberichten lieferte der russische Hersteller nicht die erforderlichen Daten.
Einige europäische Staaten, wie zum Beispiel Ungarn, haben Sputnik V trotz fehlender Zulassung bei sich verimpft. Bei den in Europa zugelassenen Impfstoffen sind Europäische Mitgliedstaaten dazu verpflichtet, das Covid-Zertifikat zu akzeptieren. Bei Impfstoffen ohne Zulassung können die Mitgliedsstaaten selbst entscheiden, ob sie diese anerkennen oder nicht.
Auf der Webseite des RKI heißt es dazu: „Personen, die im Ausland bereits mit nicht in der EU zugelassenen Covid-19-Impfstoffen geimpft wurden, benötigen gemäß aktueller Rechtslage und unter Berücksichtigung der altersentsprechenden Impfempfehlungen eine erneute Impfserie, um in der EU den Status als Geimpfte zu erlangen.“
Richtig ist auch, dass der Status als „genesen“ derzeit für etwa sechs Monate nach der Covid-19-Erkrankung gilt. Genesene gelten natürlich nicht als geimpft, sind Geimpften aber meist nach 2G- oder 3G-Regeln gleichgestellt.
In Österreich gilt für Sputnik V eine etwas andere Regelung (Anwendungsempfehlungen des Nationalen Impfgremiums, PDF, Seite 39). Personen, bei denen nach der Impfung mit Sputnik V Antikörper nachgewiesen wurden und die einmal mit einem mRNA-Impfstoff geimpft sind, können aktuell in Österreich auch nachweisen, dass sie geimpft sind.
Auch Menschen, die zwei verschiedene Covid-19-Impfstoffe bekommen, gelten als geimpft
Andere Aussagen in den Facebook-Beiträgen stimmen jedoch nicht. So wird dort auch behauptet, wer eine sogenannte Kreuzimpfung bekomme, gelte als ungeimpft. Das ist falsch.
Was im Internet als „Kreuzimpfung“ bezeichnet wird, ist in der Fachsprache ein heterologes Impfschema. Für eine vollständige Impfung können die mRNA-Impfstoffe von Biontech und Moderna miteinander, oder mit dem Vektorimpfstoff von Astrazeneca kombiniert werden. Eine Tabelle der verschiedenen Kombinationsmöglichkeiten findet sich auf der Webseite des Paul-Ehrlich-Instituts.
Die Ständige Impfkommission (Stiko) empfiehlt sogar seit Juli, dass Menschen, die eine Erstimpfung mit dem Impfstoff von Astrazeneca erhalten haben, sich für die Zweitimpfung mit einem mRNA-Impfstoff von Moderna oder Biontech impfen lassen. Es wird zudem empfohlen, die Wirksamkeit des Vektorimpfstoffes Janssen mit einer zusätzlichen mRNA-Impfstoffdosis zu erhöhen.
Das gilt auch in Österreich: Wer zwei verschiedene Impfungen erhält, gilt als geimpft. Das Nationale Impfgremium empfiehlt ebenfalls, sich nach einer Impfung mit Janssen ein zweites Mal, vorzugsweise mit einem mRNA-Impfstoff impfen zu lassen (Anwendungsempfehlung des Nationalen Impfgremiums, PDF, Seite 9).
Doch, das RKI erfasst Impfdurchbrüche bei Kreuzgeimpften
In einem der Facebook-Beiträge wird zudem behauptet, dass Impfdurchbrüche bei „kreuzimpften“ Menschen vom RKI nicht erfasst würden. In Deutschland und in Österreich werden Menschen erfasst, die nach einer Impfung mit zwei verschiedenen Impfstoffen an Covid-19 erkranken.
Der Wochenbericht des RKI zeigt, dass diese Behauptung nicht stimmt. Laut RKI wird ein Impfdurchbruch auch dann als solcher definiert, wenn eine vollständige Impfung nach einer „Kreuzimpfung“ durch eine Kombination der Impfstoffe von Astrazeneca mit denen von Biontech oder Moderna vorliege. Die Zahl der Impfdurchbrüche bei „Kreuzgeimpften“ wird ebenfalls in dem Wochenbericht veröffentlicht.
Zählen Personen mit unbekanntem Impfstatus als „ungeimpft“?
Das RKI stufte Menschen mit unbekanntem Impfstatus bis 30. September tatsächlich in seinen Berechnungen zur Impfeffektivität als ungeimpft ein, wie wir in einem früheren Faktencheck berichteten. Ende September änderte es jedoch diese Vorgehensweise, weil die Zahlen dadurch verzerrt wurden. Jetzt werden die Impfeffektivität und die Inzidenzen vom RKI nur noch auf Basis der Fälle berechnet, bei denen der Impfstatus bekannt ist.
Recherchen der Zeitung Welt ergaben jedoch, dass in Bayern Fälle, bei denen der Impfstatus nicht bekannt war, zunächst bei der Berechnung der Inzidenzen weiterhin als ungeimpft gezählt wurden. Das Bayerische Landesamt für Gesundheit verteidigte diese Vorgehehensweise; es habe sich anhand später vorliegender Daten herausgestellt, dass die Menschen mit unbekanntem Impfstatus in der überwiegenden Mehrheit ungeimpft gewesen wäre. Diese Menschen aus der Statistik ganz wegzulassen, hätte wiederum die Berechnungen verzerrt.
Wie der BR berichtete, verzichtet das Bayerische Landesamt für Gesundheit nun vorerst darauf, die Inzidenzwerte nach Impfstatus wöchentlich auszuweisen. Auf der Webseite heißt es dazu: „Angesichts der sehr hohen Fallzahlen und der daraus folgenden hohen Arbeitsbelastung der Gesundheitsämter ist eine aussagekräftige Aktualisierung bezüglich des Impfstatus derzeit nicht möglich. Die Werte werden derzeit nicht fortgeschrieben, da ein länderübergreifender fachlicher Austausch stattfindet, dessen Ergebnisse dann weiter berücksichtigt werden können.“
Nein, der Impfstatus verfällt nicht nach sechs Monaten
Falsch ist nach aktuellem Stand auch die Behauptung in den Facebook-Beiträgen, sechs Monate nach der vollständigen Impfung gelte man wieder als ungeimpft – zumindest in Deutschland. In Österreich etwa verfällt das Impfzertifikat nach 270 Tagen.
Die Impfung schützt, doch dieser Schutz nimmt mutmaßlich nach einiger Zeit ab. Seit dem 18. November empfiehlt die Ständige Impfkommission in Deutschland deshalb Auffrischungsimpfungen für alle Über-18-Jährigen. Diese sollen in der Regel nach sechs Monaten erfolgen.
Dazu, wie sich diese Empfehlung auf den Impfstatus auswirkt, schrieb das Bundesministerium für Gesundheit auf seiner Webseite Ende November: „Die ab September 2021 angebotenen Auffrischungsimpfungen, auch Booster-Impfungen genannt, stellen eine zusätzliche Vorsichtsmaßnahme dar. Ein bisher erreichter Status eines vollständigen Impfschutzes nach nationalen Regelungen gilt derzeit weiterhin fort. Die Gültigkeitsdauer von europäischen (EU)-Impfzertifikaten bleibt von dem Angebot einer Booster-Impfung derzeit unberührt.“
Laut Medienberichten wird momentan über Änderungen der Gültigkeit des Impfzertifikats beraten. Inwiefern ein Impfzertifikat ohne Auffrischungsimpfung statt nach zwölf Monaten schon früher, also zum Beispiel nach sechs Monaten, ablaufen könnte, ist aber noch unklar.
Unklar ist auch, ob sich dadurch in Zukunft etwas an den Statistiken des RKI, zum Beispiel zu den hospitalisierten Covid-19-Fällen, ändert. Momentan wird dort jede Person als „geimpft“ gezählt, die mindestens zwei Impfdosen (oder eine mit dem Janssen-Impfstoff) erhalten hat und deren letzte Impfung mindestens 14 Tage zurückliegt.
Fazit: Die Behauptungen in dem auf Facebook geteilten Bild sind teilweise falsch. Richtig ist, dass 14 Tage nach der letzten Impfdosis vergehen müssen, um als geimpft zu gelten und nur in der EU zugelassene Covid-19-Impfstoffe anerkannt werden. Doch auch wer zwei verschiedene Impfstoffe erhält, gilt als geimpft. Je nach Impfstoff und Zeitpunkt einer Covid-19-Erkrankung reicht zudem teils eine Impfstoffdosis aus. Menschen, die eine Kombination von Impfstoffen erhalten haben und danach an Covid-19 erkranken, werden ebenfalls vom RKI als Impfdurchbrüche erfasst.
Redigatur: Alice Echtermann, Sarah Thust
Update, 21. Dezember 2021: Wir haben den Text mit den geltenden Regelungen in Österreich ergänzt.
Die wichtigsten, öffentlichen Quellen zu diesem Thema:
- RKI-Wochenbericht vom 9. Dezember 2021: Link
- RKI zum heterologen Impfschema (Kreuzimpfungen): Link
- RKI zu Covid-19 und Impfen: Antworten auf häufig gestellte Fragen (FAQ): Link
- RKI zur Wirksamkeit von Impfstoffen: Link
- Paul-Ehrlich-Institut zu Coronavirus-Impfnachweisen: Link
- Bundesregierung, Die Wichtigsten Fragen und Antworten zur Corona-Impfung: Link
- Bundesministerium für Gesundheit zu Auffrischungsimpfung: Link