Nein, der Biontech-Impfstoff enthält keine Inhaltsstoffe, die nicht für Menschen zugelassen sind
Im Netz kursiert die Behauptung, die Biontech-Impfung beinhalte zwei Stoffe, die nicht für die Anwendung am Menschen zugelassen seien. Beweis dafür soll ein Vermerk auf der Webseite einer Herstellerfirma in den USA sein. Doch die Firma hat gar nichts mit der Impfstoffproduktion zu tun. Die beiden Bestandteile sind außerdem nicht gefährlich für den Menschen.
Seit Mitte Dezember verbreitet sich auf verschiedenen Webseiten und in Sozialen Netzwerken die Behauptung, die Comirnaty-Impfung von Biontech und Pfizer enthalte zwei Inhaltsstoffe, die nicht für den Einsatz am Menschen zugelassen seien. Ausgangspunkt der Behauptung ist eine Rede von Hardy Groeneveld. Er ist Mitgründer des Vereins Mutigmacher, der zur Querdenken-Bewegung gehört. Die Inhalte seiner Rede veröffentlichte er am 19. Dezember als Artikel auf der Seite des Vereins.
Der Beweis für die Behauptung über angeblich nicht für den Gebrauch am Menschen zugelassene Inhaltsstoffe der Impfung von Biontech/Pfizer soll ein Vermerk in einem Produktblatt der Firma Echelon Biosciences Inc. sein. Dort heißt es: „This product is for research use only and not for human use.“
Die Inhaltsstoffe finden sich zwar in der Biontech-Impfung, Echelon hat nach einer CORRECTIV.Faktencheck-Recherche aber gar nichts mit der Impfstoffherstellung zu tun. Die EMA wies in einer Stellungnahme darauf hin, dass die Impfstoffe sicher und gut kontrolliert seien. Die Inhaltsstoffe wurden im Zulassungsprozess überprüft, laut der EMA sind keine Sicherheitsprobleme zu erwarten.
Neue Bestandteile in den mRNA-Impfstoffen sind in Zulassungsstudie der EMA begutachtet worden und für die Anwendung am Menschen freigegeben
Produktinformationen zu den verschiedenen in der EU zugelassenen Covid-19-Impfstoffen listet die EMA auf ihrer Webseite auf. Für den Impfstoff von Biontech finden sich in den Unterlagen auch die zwei besagten Bestandteile, ALC-0315 und ALC-0159 (auf Seite 15). Sie sind also im Impfstoff enthalten. Doch anders als behauptet, sind sie nicht gesundheitsschädlich, die EMA hat die Impfung und somit auch deren Bestandteile zugelassen. Dass die Bestandteile bei der Zulassung der mRNA-Impfstoffe geprüft wurden, bestätigte uns auch das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) auf Anfrage.
Bei den Inhaltsstoffen handelt es sich um Bestandteile der Lipidhülle. Wie das PEI erklärt, handelt es sich dabei um Fettkügelchen, die die mRNA schützen und dafür sorgen, dass sie in die Zellen aufgenommen wird.
Über die Bestandteile der Lipidhülle der Impfstoffe hat es bereits in der Vergangenheit Falschinformationen gegeben. Diese „Nanopartikel“ seien gesundheitsschädlich. Wir haben diese Behauptung am 9. Juli in einem Faktencheck geprüft.
In den Unterlagen der EMA heißt es, ALC-0315 and ALC-0159 seien neuartige Hilfsmittel, die zuvor nicht in einem zugelassenen fertigen Produkt innerhalb der EU benutzt worden seien. Ausführliche Informationen zu den beiden Bestandteilen der Lipidhülle finden sich im Zulassungsprotokoll der EMA (ab Seite 23).
Die Zulassung des Impfstoffs empfahl die EMA am 21. Dezember 2020. Auf Anfrage weist die Behörde darauf hin, dass der Impfstoff sicher und gut kontrolliert sei. Im Zulassungsprozess wurden auch die Bestandteile der Lipidhülle begutachtet. Laut der EMA seien keine Sicherheitsprobleme durch die Inhaltsstoffe zu erwarten.
Lipidpartikel stellen laut EMA keine Gesundheitsgefahr dar
Über die Studien, die die EMA zur Bewertung der Inhaltsstoffe herangezogen hat, haben wir ebenfalls im Faktencheck vom 9. Juli berichtet.
Die EMA erklärte auf unsere Anfrage, dass Tierversuche genutzt wurden, um zu zeigen, wie die Bestandteile der Impfung, in diesem Fall der Lipidhülle, außerhalb des Muskelgewebes und der Einstichstelle verbreitet werden: „Die Studien zeigen, dass die mRNA und Lipid-Nanopartikel hauptsächlich an der Einstichstelle bleiben und nur kleine Teile in anderen Geweben, wie etwa der Leber, zu finden waren. Dies weist darauf hin, dass bei einer Impfung an Menschen keine Sicherheitsbedenken aufgrund der Häufung von Lipid-Nanopartikel und mRNA in anderen Gewebeteilen zu erwarten sind.“ Zudem benutzen die Studien weitaus höhere Dosen des Impfstoffes, um dessen Sicherheit zu überprüfen.
Das bestätigte uns auch Emanuel Wyler, Molekularbiologe und Biochemiker am Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin für den Faktencheck im Juli. Wyler erklärte: „Das Auffinden von (teilweise sehr kleinen) Mengen Lipide in einem Körperteil bedeutet nicht, dass davon eine Gefahr ausgeht. Hier sind die Resultate eher wie erwartet: die höchsten Werte sind bei der Injektionsstelle zu finden, danach folgt die Leber, danach lange nichts. Die Leber ist ja das Organ im Körper, wo schlussendlich alle Substanzen, die der Körper aufnimmt, hinkommen und verarbeitet werden.“
Firma in den USA stellt die beiden Bestandteile nicht für Impfstoffe her
In den Beiträgen wird auf die in den USA sitzende Firma Echelon Biosciences verwiesen. Demnach soll diese für die Herstellung der beiden Bestandteile für Biontech verantwortlich sein. Auch Groeneveld behauptet das in seiner Rede. Ein Vermerk auf der Webseite, „this product is for research use only and not for human use“, soll beweisen, dass diese nicht für den menschlichen Gebrauch geeignet seien.
Auf eine Anfrage schrieb uns Colin Ferguson, stellvertretender Produktionsleiter bei Echelon: „Das Material, das Echelon Biosciences herstellt und verkauft, wird nicht in der Impfstoffproduktion benutzt und ist ausschließlich für Forschungszwecke in Laboren gedacht. Wenn diese als Laborprodukte verkauft werden, müssen die Herstellungs- und Testprozesse nicht so streng genommen werden, als wenn sie an Menschen verwendet werden. Deshalb heißt es auf unserer Webseite, dass diese nur für Forschungszwecke geeignet sind. Es bedeutet nicht, dass ALC-0315 und ALC-0159 nicht sicher seien.“
Gleichlautende Laborchemikalien seien nicht mit geprüften pharmazeutischen Hilfsstoffen identisch, erklärte uns eine Pressesprecherin des PEI. Und: „Zwar werden gleichlautende Substanzen auch als Laborchemikalien für unterschiedlichste Anwendungen angeboten. Da diese aber nicht für die Anwendung am Menschen oder als Bestandteile von Impfstoffen und anderen Arzneimitteln geeignet sind, versehen die Hersteller die Produktinformationen für solche Laborchemikalien generell mit einem Warnhinweis, dass sie nicht für die Anwendung am Menschen geeignet sind.“
Hersteller für die Lipidpartikel im Biontech-Impfstoff sind zum Beispiel die Firmen Merck und Croda, wie das Unternehmen Biontech auf Anfrage mitteilte. Wie bei anderen Arzneimitteln auch würden die einzelnen Bestandteile der Impfung nicht separat zugelassen, sondern es werde eine Zulassung für das Gesamtprodukt erteilt.
Redigatur: Steffen Kutzner, Till Eckert