RKI korrigiert Zahl der ungeimpften Omikron-Infizierten im Wochenbericht von 186 auf 1.097
In Sozialen Netzwerken wird behauptet, laut Robert-Koch-Institut seien 95 Prozent der Menschen, die sich mit der Virusvariante Omikron infizieren, vollständig geimpft. Doch das RKI hatte nach eigenen Angaben eine falsche Zahl veröffentlicht, die inzwischen korrigiert ist.
Aktuell wird in Sozialen Netzwerken wieder vermehrt über den Anteil der Geimpften unter den Covid-19-Infizierten diskutiert. Ein Wochenbericht des Robert-Koch-Instituts (RKI) zeige, dass unter den Omikron-Fällen 95,58 Prozent vollständig Geimpfte und nur 4,42 Prozent Ungeimpfte seien, heißt es. Facebook-Seiten und mehrere Blogs verbreiteten dazu weitere Behauptungen. Die Facebook-Gruppe Freie Sachsen schrieb beispielsweise, dass die Omikron-Variante des Coronavirus „jetzt sogar gezielt Geimpfte befällt“.
Die Berechnungen basieren jedoch auf einer falschen Zahl, die das RKI später korrigierte. Die Beiträge in Sozialen Netzwerken berücksichtigen zudem den Kontext nicht: Laut RKI sagen die Daten nichts über die Impfeffektivität aus.
Behauptung über 95 Prozent geimpfte Omikron-Fälle entstand aus einer falschen Angabe im RKI-Wochenbericht
Als einer der ersten griff der Journalist Tim Röhn am 30. Dezember auf Twitter den RKI-Wochenbericht auf, der am selben Tag veröffentlicht worden war. Er zitierte die darin enthaltenen Informationen zum Impfstatus von 4.206 Omikron-Fällen: „4.020, ergo 95,58 % vollständig Geimpfte (1.137 davon geboostert) – 186 Ungeimpfte (4,42 %).“
Die Zahlen standen so tatsächlich in dem Bericht des RKI, sie wurden jedoch am 3. Januar 2022 korrigiert, worauf Röhn auf Twitter auch hinwies. In vielen Beiträgen im Internet wurde die Korrektur jedoch bisher nicht aufgegriffen (Stand: 6. Januar). Nutzerinnen und Nutzer schickten uns dazu auch mehrere Bilder mit Grafiken, die auf Whatsapp kursieren.
Laut der neuen Version des RKI-Wochenberichts (PDF, Seite 1 und 14) wurden nicht 186, sondern 1.097 Infizierte als ungeimpft gemeldet. Der Anteil an Ungeimpften unter den Omikron-Fällen, bei denen der Impfstatus bekannt war, war also wesentlich höher (21,44 Prozent statt 4,42 Prozent).
CORRECTIV.Faktencheck fragte beim RKI nach, wie es zu dem Fehler kam. Eine Sprecherin schrieb: „Bei der Aktualisierung (des Wochenberichts) war die alte Textversion verwendet und nur die darin enthaltenen Zahlen aktualisiert worden, dabei ist die Aktualisierung einer Zahl vergessen und Montag nachgeholt worden.“
Dies lässt sich durch den RKI-Wochenbericht vom 23. Dezember (PDF, Seite 38) bestätigen. Dort findet sich dieselbe Zahl an Ungeimpften unter den Omikron-Fällen (186), die fälschlicherweise auch im Wochenbericht eine Woche später am 30. Dezember aufgeführt war.
Daten zu Omikron-Fällen sind nicht vollständig
Die Daten des RKI zu den Omikron-Infektionen sind grundsätzlich mit Vorsicht zu betrachten. Sie umfassen nur eine kleine Stichprobe von Fällen, bei denen die Omikron-Variante nachgewiesen wurde und bei denen außerdem der Impfstatus bekannt war.
Es wurden laut dem korrigierten Wochenbericht zwischen dem 21. November und 27. Dezember 2021 insgesamt 10.443 Omikron-Fälle über das Meldesystem an das RKI übermittelt. Hiervon lagen aber offenbar nur für 5.117 Informationen zum Impfstatus vor. Teilweise handelt es sich bei den Omikron-Fällen um Verdachtsfälle. Um eine Virusvariante zu bestimmen, reicht kein einfacher PCR-Test – die Proben müssen mit einer genetischen Sequenzierung oder einem „variantenspezifischen PCR-Test“ analysiert werden. Erstere Methode liefert eindeutige Nachweise, mit der zweiten können lediglich Verdachtsfälle ermittelt werden.
Die tatsächliche Ausbreitung von Omikron ist derzeit nicht ganz klar. In der 51. Kalenderwoche 2021 (Ende Dezember) wurden dem RKI 6.257 Omikron-Fälle per Nachweis mittels Genomsequenzierung oder als Verdachtsfälle nach einem variantenspezifischen PCR-Test übermittelt. Damit machten Omikron-Fälle 17,5 Prozent aller Corona-Fälle aus (Seite 12).
RKI: Die Daten sind nicht geeignet, um die Impfeffektivität zu berechnen
Wie uns die RKI-Sprecherin schrieb, seien die im Wochenbericht veröffentlichten Daten zum Impfstatus von Omikron-Fällen nicht geeignet, um die Impfeffektivität zu berechnen. Dafür müsse man die Zahl der Geimpften in der Bevölkerung berücksichtigen. Das erklärt das RKI auch auf seiner Webseite (Abschnitt „Wie lässt sich erklären, dass es mit steigender Impfquote zu immer mehr Impfdurchbrüchen kommt?“).
Denn: Je höher die Zahl der Geimpften in der Bevölkerung ist, desto kleiner ist folglich auch der Anteil der Ungeimpften in der Bevölkerung – das zeigt sich auch bei Infektionsfällen und auf den Intensivstationen. Das RKI veröffentlichte dazu Anfang Dezember diese Grafik:
In der Gesamtbevölkerung in Deutschland sind derzeit 25,6 Prozent ungeimpft, davon sind rund ein fünftel Kinder bis vier Jahre, für die noch keine Impfung zur Verfügung steht (Stand 6. Januar 2022).
Es ist noch unklar, wie groß Omikrons Auswirkungen auf die Impfeffektivität sind
Das RKI geht (mit Stand 4. Januar) davon aus, dass die Wirksamkeit der Impfstoffe gegenüber der Omikron-Variante bei einer zweifachen Impfung stark reduziert ist. „Ab etwa 15 Wochen nach der zweiten Impfstoffdosis ist die Impfstoffwirksamkeit so stark reduziert, dass nicht mehr von einem ausreichenden Schutz vor Erkrankung nach Grundimmunisierung ausgegangen werden kann.“ Nach Auffrischungsimpfungen zeige sich jedoch nach ersten Forschungserkenntnissen aus Großbritannien wieder eine gute Wirksamkeit (Abschnitt „Wie wirksam sind die Covid-19-Impfstoffe?“)
Angaben zur Impfeffektivität machte RKI zuletzt im Wochenbericht vom 23. Dezember (PDF, Seiten 26-27). Dort hieß es: „In der [vollständig] geimpften Bevölkerung […] lag sowohl die Inzidenz der symptomatischen Fälle als auch die Hospitalisierungsinzidenz in allen dargestellten Altersgruppen und zu jedem Zeitpunkt deutlich unter der jeweiligen Inzidenz der ungeimpften Bevölkerung.“
Grundsätzlich ist diese Berechnung durch das RKI eine Schätzung, bei der es ebenfalls Unsicherheiten gibt. Laut dem Wochenbericht vom 23. Dezember war dem RKI seit Februar bei etwa 85 Prozent der symptomatischen Covid-19-Fälle der Impfstatus bekannt. Über die Gründe, weshalb der Impfstatus nicht immer gemeldet wird, haben wir im Dezember ausführlicher berichtet.
Redigatur: Sophie Timmermann, Alice Echtermann