Faktencheck

Nein, es gab 2021 keinen fünffachen Anstieg von Herzstillständen bei Fifa-Sportlern

Aktuell kursiert auf Facebook eine Behauptung, die bereits im Herbst 2021 international verbreitet wurde: Angeblich sei seit Beginn der Corona-Impfungen ein starker Anstieg von Herzkrankheiten bei Sportlern zu verzeichnen. Das ist falsch. 

von Alice Echtermann

Symbolbild Fußballspieler
Es gibt keine Hinweise darauf, dass es 2021 mehr medizinische Notfälle bei Fußballspielern und anderen Sportlerinnen und Sportlern gab als in den Jahren zuvor (Symbolfoto: Pixabay / phillipkofler) 
Behauptung
183 Sportler und Trainer seien „in diesem Jahr“ plötzlich zusammengebrochen, 108 von ihnen seien gestorben. Speziell bei Fifa-Sportlern, also Fußballern, gebe es einen fünffachen Anstieg von plötzlichem Herztod und ungeklärten Todesfällen (von durchschnittlich 4,2 pro Jahr auf 21).
Bewertung
Falsch. Die Zahlen für 2021 wurden selbst recherchiert, die Angaben sind teilweise fehlerhaft und vermischen verschiedene Sportarten und medizinische Diagnosen. Der Vergleich der Todesfälle bei Fifa-Sportlern mit den Vorjahren basiert auf einer unvollständigen Liste bei Wikipedia. In der offiziellen Fifa-Datenbank für plötzliche Todesfälle und Herzstillstände bei Fußballspielern wurden von 2014 bis 2018 pro Jahr im Schnitt 123 Fälle registriert, darunter 95 Todesfälle. 

Seit Herbst 2021 kursieren falsche Behauptungen über einen angeblichen Anstieg von medizinischen Vorfällen bei Sportlern, bei denen diese zusammenbrachen und plötzliche Herzstillstände hatten. Als Beleg dienen Listen von selbst im Internet recherchierten Fällen. 

Aktuell wird auf Facebook ein Bild mit einer solchen Behauptung verbreitet: „183 Profisportler und Trainer sind in diesem Jahr plötzlich zusammengebrochen, 108 von ihnen sind gestorben. Bei Fifa-Sportlern sind plötzlicher Herztod und ungeklärte Todesfälle im laufenden Jahre um das Fünffache gestiegen.“ Die Beiträge wurden Ende Dezember 2021 veröffentlicht (hier und hier) und zusammen fast 2.000 Mal geteilt. 

Unsere Recherche zeigt: Die Behauptung, es habe einen fünffachen Anstieg von plötzlichem Herztod und ungeklärten Todesfällen bei Fifa-Sportlern gegeben, ist falsch. Eine offizielle Datenbank des Fußballverbands Fifa registrierte von 2014 bis 2018 pro Jahr im Schnitt mehr Todesfälle. Die Liste mit den 183 erkrankten oder verstorbenen Sportlerinnen und Sportlern enthält auch andere Sportarten und ist zudem fehlerhaft. 

Facebook-Beitrag über Sportler und Trainer mit Herzproblemen
Dieses Bild kursiert Ende Dezember 2021 auf Facebook (Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

Der Text im Facebook-Bild entspricht der Überschrift eines Artikels der Webseite Corona-Transition vom 30. November 2021. Der Bericht basiert wiederum auf einem Text aus Israel, der am 13. November auf der Seite Real-Time-News auf Hebräisch erschienen ist. Die darin aufgestellte Behauptung mit den 183 Sportlern wurde am 18. November auch von den „Americas Frontline Doctors“ aufgegriffen. Die Organisation ist in der Vergangenheit bereits mit unbelegten Behauptungen über Hydroxychloroquin als Corona-Heilmittel aufgefallen. 

Zusammenstellung erkrankter oder plötzlich gestorbener Sportler enthält mehrere Fehler

Die israelische Seite Real-Time-News hat Berichte über medizinische Vorfälle weltweit in unterschiedlichen Sportarten zusammenzutragen. In einer PDF werden alle Ergebnisse der Recherche zur Verfügung gestellt. Wir haben Teile der Liste mit Google Translate übersetzt. Sie enthält 75 „erkrankte“ Sportler und 108 „seit Dezember 2020 verstorbene“ Sportler, also zusammen 183 Fälle. 

Der Artikel von Real-Time-News bezieht die Vorfälle auf den Beginn der Corona-Impfungen und suggeriert, dass diese die Ursache für gehäufte Herzprobleme und andere Krankheiten bei Sportlern seien. Der früheste dokumentierte Fall in der PDF-Liste ist mit 9. Dezember 2020 angegeben, der erste Covid-19-Impfstoff bekam jedoch erst am 21. Dezember 2020 seine Zulassung. Bei dem angegebenen Fall handelt es sich außerdem um den Zusammenbruch eines Fußballers vom französischen Verein RC Strasbourg, der sich tatsächlich im September 2021 ereignete. 

Es gibt noch weitere Fehler in der Liste. Wir suchten darin gezielt nach Erwähnungen von Deutschland (Suchbegriff übersetzt ins Hebräische mit Google Translate). Es gibt zwölf Fälle aus Deutschland – doch ein Fall ist in der Liste doppelt vorhanden (Anil Usta vom VfB Schwelm). Der 50-jährige Fußballtrainer Dirk Splitsteser von der SG Traktor Divitz, der einen Herzinfarkt erlitt, wird fälschlich als „Volleyballtrainer“ bezeichnet. 

Mehrere der Fälle tauchten bereits in ähnlichen Listen auf, die seit Anfang Oktober 2021 in Deutschland verbreitet wurden und über die wir bereits einen Faktencheck verfasst haben. Damals teilte uns der Leiter der Arbeitsgruppe Sportkardiologie bei der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie, Dierk-Christian Vogt, mit, dass 2021 keine Zunahme von Herzstillständen bekannt sei. 

Behauptungen über Herzstillstände bei Sportlern kursieren seit Monaten international 

Das Narrativ von vermeintlich mysteriösen Herzproblemen bei Sportlern nahm seinen Anfang im Sommer 2021, nachdem der dänische Fußball-Nationalspieler Christian Eriksen während eines EM-Spiels einen Herzstillstand hatte. Der Artikel von Real-Time-News erwähnt Eriksen ebenfalls, obwohl bereits in mehreren Faktenchecks (hier, hier und hier) recherchiert wurde, dass er nicht geimpft war. 

Die Recherchen aus Israel werden in den deutschsprachigen Beiträgen außerdem nicht richtig wiedergegeben. Bei Corona-Transition heißt es, 183 Profisportler seien zusammengebrochen – die Liste von Real-Time-News enthält jedoch zumindest für Deutschland vor allem Amateursportler, und die Personen sind auch nicht alle beim Sport kollabiert. So führt die Liste auch den Ex-Nationalspieler Miroslav Klose auf, der keine Herzprobleme hatte, sondern Thrombosen im Bein, wie er in einem Interview erklärte. Davon, dass das etwas mit einer Impfung gegen Covid-19 zu tun hatte, sagte Klose im Interview nichts.

Nein, es gab keinen fünffachen Anstieg von plötzlichen Herzstillständen bei Fifa-Sportlern 

Plötzliche Herzstillstände können bei Sportlern vorkommen, auch wenn sie jung sind. Insbesondere Sportarten wie Fußball und Laufen sind betroffen. Beim plötzlichen Herzstillstand beim Sport ist die Ursache laut der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK) meist ein Kammerflimmern, also das unkontrollierte Zusammenziehen des Herzmuskels. Die Ursache seien oft unentdeckte Herzerkrankungen.  

Die Behauptung, solche Fälle seien 2021 bei Fifa-Sportlern um das fünffache gestiegen, ist falsch. Als Grundlage für diese Aussage diente Real-Time-News ein Abgleich mit einer Liste bei Wikipedia. Sie listet Fifa-Fußballer auf, die während eines Spiels oder danach gestorben sind. Die Liste zeige pro Jahr 4,2 Todesfälle, schreibt Real-Time-News, 2021 habe man dagegen 21 Fälle gefunden. Bei Wikipedia steht jedoch auch, dass die Liste der vergangenen Jahre unvollständig ist. Der Vergleich ist also nicht aussagekräftig.

Wissenschaftliche Auswertung des Fifa-Registers: Im Schnitt 123 Fälle pro Jahr 

Es gibt aber verlässlichere Daten – die Fifa selbst hat 2014 ein Register eingeführt, in dem solche Fälle dokumentiert werden. Die „Fifa Sudden Cardiac Death in Football Registry“ wird von der sportmedizinischen Fakultät der Universität des Saarlandes betrieben. Im Dezember 2020 wurden die Daten für die Jahre 2014 bis 2018 im British Journal of Sports Medicine veröffentlicht. 

Das Ergebnis: Innerhalb von fünf Jahren wurden 617 Fälle von plötzlichem Herztod, überlebtem plötzlichem Herzstillstand oder traumatischen plötzlichem Tod bei Fußballspielern aus 67 Ländern verzeichnet. Die meisten Meldungen kamen aus Italien, gefolgt von Deutschland. 142 Personen überlebten den medizinischen Notfall. 

Im Schnitt gab es also laut der Fifa-Datenbank pro Jahr durchschnittlich 123,4 Fälle, bei denen Fußballspieler auf dem Feld oder eine Stunde nach dem Spiel zusammenbrachen. Das sind zwar weniger als die 183 Fälle, die die israelische Seite Real-Time-News für 2021 zusammengetragen hat, doch wie bereits erwähnt enthält die Liste auch andere Sportarten und andere medizinische Diagnosen, wie die Bein-Thrombosen von Miroslav Klose. Vor allem sind die erwähnten 21 Todesfälle bei Fifa-Sportlern keine ungewöhnlich hohe Zahl – laut dem Fifa-Register starben im Schnitt pro Jahr 95 Fußballspieler.  

Es lässt sich also kein Anstieg solcher Fälle im Jahr 2021 belegen. Ebensowenig ist ein Zusammenhang zu Corona-Impfungen nachweisbar.   

Was stimmt: Bei jungen Männern treten nach mRNA-Impfungen in seltenen Fällen Herzentzündungen auf

Wie oft bei irreführenden Behauptungen gibt es einen wahren Hintergrund: Es ist möglich, dass eine Herzmuskelentzündung zu einem plötzlichen Herzstillstand beim Sport führen kann. Eine solche Myokarditis kann verschiedene Ursachen haben, zum Beispiel eine Virusinfektion. Herzmuskel- und Herzbeutelentzündungen (Myokarditis und Perikarditis) sind tatsächlich auch eine seltene Nebenwirkung von mRNA-Impfstoffen gegen Covid-19. 

Im aktuellsten Sicherheitsbericht des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) vom 23. Dezember 2021 heißt es: Bis Ende November 2021 seien in Deutschland rund 107 Millionen Impfungen mit mRNA-Impfstoffen durchgeführt worden. Es seien 1.554 Herzmuskel- oder Herzbeutelentzündungen gemeldet worden, bei denen der Verdacht auf einen Zusammenhang zur Impfung besteht. Die Melderate sei bei Jungen, Jugendlichen und Männern unter 30 Jahren am höchsten gewesen. In Deutschland wird der Impfstoff von Moderna seit November aufgrund des Myokarditis-Risikos nicht mehr für Unter-30-Jährige empfohlen. 

Das PEI schreibt: „Die publizierten Daten zeigen sehr konsistent, dass die ganz überwiegende Mehrheit der Patienten mit einer Myo-/Perikarditis nach Impfung mit mRNA-Impfstoffen gut auf Behandlung und Ruhe ansprechen und sich schnell besser fühlen, auch wenn im Einzelfall schwerwiegendere Verläufe beobachtet wurden.“

Redigatur: Matthias Bau, Steffen Kutzner

Die wichtigsten, öffentlichen Quellen für diesen Faktencheck:

  • „FIFA Sudden Death Registry (FIFA-SDR): a prospective, observational study of sudden death in worldwide football from 2014 to 2018“, British Journal of Sports Medicine: Link
  • Sicherheitsbericht des Paul-Ehrlich-Instituts vom 23. Dezember 2021: Link