Covid-19: Bundesgesundheitsministerium veröffentlicht irreführende Twitter-Grafik
In einer Grafik auf Twitter erklärte das Bundesgesundheitsministerium, wie das Verhältnis ungeimpfter und geimpfter Menschen in Krankenhäusern vor dem Hintergrund der Impfquoten einzuordnen sei. Dabei wurden zwei Werte vertauscht und die absolute Zahl der Geimpften sowie der Anteil der Ungeimpften in der Bevölkerung verzerrt dargestellt.
Am 17. Januar veröffentlichte das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) auf Twitter eine Grafik, in der es die Zahl ungeimpfter und geimpfter Menschen in Krankenhäusern einordnet. Dazu schrieb das BMG, Ungeimpfte müssten sechsmal häufiger im Krankenhaus behandelt werden als Geimpfte. In der Grafik sind allerdings Werte zu sehen, die dieser Aussage widersprechen. Das Verhältnis der Geimpften in Krankenhäusern wird mit 1 zu 3.600 angegeben, das Verhältnis der Ungeimpften mit 1 zu 26.000.
Ein Nutzer auf Twitter warf dem Bundesministerium für Gesundheit deshalb vor, nicht rechnen zu können. Tatsächlich wurden die Werte für Geimpfte und Ungeimpfte in der Grafik miteinander vertauscht. Nach unseren Recherchen gibt es jedoch noch andere Gründe, weshalb die Darstellung des BMG die Zahlen verzerrt darstellt.
Gesundheitsministerium veröffentlichte korrigierte Grafik
Das BMG hat den Tweet gelöscht und am selben Tag eine neue, korrigierte Grafik auf Twitter veröffentlicht. Das Verhältnis der hospitalisierten Geimpften zu den Geimpften in der Gesamtbevölkerung ist dort mit 1 zu rund 26.000 angegeben. Von rund 26.000 Geimpften muss sich also einer im Krankenhaus behandeln lassen.
Größenverhältnis der Quadrate stimmt nicht
Ein Nutzer auf Facebook wies darauf hin, dass 17 plus 60 Millionen nicht die Gesamtbevölkerung Deutschlands ergibt. Das liegt daran, dass das BMG nur Menschen zählt, die auch geimpft werden können. Für etwa vier Millionen Kinder in Deutschland unter fünf Jahren gibt es bisher keine Impfung. Dass sie in der Rechnung weggelassen wurden, macht das BMG in seiner Grafik auch transparent. Würden sie mit einbezogen, gäbe es aber 20,6 Millionen ungeimpfter Menschen in Deutschland. Das Verhältnis bei den Hospitalisierungen wäre dann nicht 1 zu rund 3.600, sondern 1 zu 4.419.
Ein anderer Kritikpunkt: Andere Nutzer auf Twitter wiesen darauf hin, dass das Größenverhältnis der beiden farbigen Quadrate in der Grafik nicht korrekt ist. Tatsächlich ist das blaue Quadrat, das für die Menge der Ungeimpften in der Bevölkerung steht, zu klein dargestellt. Bei 17 Millionen Ungeimpften und 60 Millionen Geimpften ist das Verhältnis etwa 1 zu 3,5. Das gelbe Quadrat dürfte also nur maximal viermal so groß sein wie das blaue, ist aber mehr als neunmal so groß.
Berechnungen in der Grafik beziehen sich auf Daten des RKI
Die Zahlen, auf die sich das BMG bezieht, stammen aus dem Wochenbericht des Robert-Koch-Instituts (RKI) vom 13. Januar 2022. Die BMG-Grafik stellt Hospitalisierungen für ungeimpfte und grundimmunisierte Menschen im Zeitraum zwischen der 50. Kalenderwoche 2021 und der 1. Kalenderwoche 2022 (13. Dezember bis 9. Januar) dar.
Als „grundimmunisiert“ bezeichnet das RKI seit kurzem Menschen, die nach früherer Definition „vollständig geimpft“ waren, also zwei Impfdosen erhalten haben. Menschen mit Booster-Impfung werden nicht dazugezählt.
Die Grundlage der BMG-Grafik ist Tabelle drei von Seite 25 des RKI-Wochenberichts:
Insgesamt lagen dem RKI bei 6.967 hospitalisierten Covid-19-Fällen Angaben zum Impfstatus vor (Hinweis: Die Werte für alle Altersgruppen in der Zeile müssen addiert werden). Davon waren 2.305 Personen grundimmunisiert (rund 33 Prozent) und 4.662 ungeimpft (rund 67 Prozent). Das sind die Werte, die in der Grafik des BMG dargestellt werden.
Das BMG setzt die Werte dann zu der Gesamt-Impfquote der Bevölkerung ins Verhältnis. Diese liegt aktuell (20. Januar) bei 73,1 Prozent. Insgesamt sind das laut Bundesregierung 60,8 Millionen Menschen. Die Daten zeigen also, dass Ungeimpfte häufiger im Krankenhaus behandelt werden als Geimpfte, obwohl ihr Anteil in der Bevölkerung kleiner ist.
In den Daten fehlen alle hospitalisierten Covid-19-Fälle mit Auffrischungsimpfungen
Die Aufteilung der Daten durch das RKI in „grundimmunisierte“ Personen und Menschen mit Auffrischungsimpfung führt jedoch zu einem weiteren Problem mit der Grafik des BMG. Das BMG macht zwar transparent, dass es sich um grundimmunisierte Menschen handelt. Die Grafik kann dennoch zu dem Missverständnis führen, dass die Zahl von 2.305 hospitalisierten Geimpften alle geimpften Personen in Krankenhäusern umfasse.
Tatsächlich fehlen aber die Personen, die bereits eine Auffrischungsimpfung erhalten haben. Deren Daten werden vom RKI im Wochenbericht getrennt in einer anderen Tabelle dargestellt (Tabelle vier). Es handelt sich um 536 Fälle.
Rechnet man die hospitalisierten Personen mit Grundimmunisierung und Auffrischungsimpfung zusammen, ergibt das 2.841 Geimpfte in Krankenhäusern, nicht 2.305. Somit läge die Quote nicht bei rund 1 zu 26.000, sondern bei rund 1 zu 21.112.
Die Grundaussage der Grafik des BMG bleibt damit richtig: Ungeimpfte kommen viel häufiger mit Covid-19-Infektion ins Krankenhaus als Geimpfte. Ihr Anteil ist aber nicht „mehr als sechsmal“ so hoch, wie das BMG auf Twitter schrieb, sondern rund 5,8 Mal so hoch. Wenn man von 20,6 Millionen Ungeimpften (inklusive Kleinkinder) in der Bevölkerung ausgehen würde, wäre ihr Anteil in den Krankenhäusern rund 4,8 Mal so hoch wie der der Geimpften.
Insgesamt stellt die Grafik des BMG die Zahlen verzerrt dar, so dass der Anteil der Geimpften in Krankenhäusern kleiner wirkt als er ist.
Redigatur: Matthias Bau, Steffen Kutzner
Die wichtigsten, öffentlichen Quellen für diesen Faktencheck: