Interview mit italienischer Professorin zu Omikron-Infektionszahlen wurde manipuliert
In Sozialen Netzwerken kursiert ein Videoclip, der ein Interview mit der italienischen Professorin Anna Teresa Palamara zeigt. Sie sagt darin, die Omikron-Variante infiziere in Italien hauptsächlich dreifach Geimpfte. Dazu erklärt sie – und das fehlt in dem Clip – Impfungen reduzierten schwere Krankheitsverläufe.
„Italienischer Institutsleiterin rutscht die Wahrheit über Omikron raus“, heißt es in einem Artikel der Internetseite Corona-Transition am 18. Januar. Anna Teresa Palamara, Direktorin der Abteilung für infektiöse Krankheiten am „Istituto Superiore di Sanità“ in Italien, habe in einem TV-Interview gesagt, Omikron treffe vor allem dreifach Geimpfte. Auch auf Facebook und Telegram verbreitet sich der Videoausschnitt.
Das Interview ist echt, doch die Aussage Palamaras wird in den Beiträgen aus dem Kontext gerissen und irreführend verkürzt. Auf Facebook und Telegram wird zudem die Frage des Moderators falsch wiedergegeben: Er habe gefragt, warum es so viele Infektionen gebe. Das stimmt nicht.
Das Video zeigt ein Interview zur Omikron-Lage in Italien
Die Beiträge nennen als Quelle den Ausschnitt eines Interviews, das Palamara in der italienischen Nachrichtensendung „TG5“ gab, das Logo der Sendung ist unten rechts im Bild zu erkennen. Wir haben die Frage des Moderators und die Antwort Palamaras mit „DeepL“ aus dem Italienischen übersetzt.
Der Moderator fragt demnach: „Viele (Omikron-)positive Patienten sind asymptomatisch, sie haben höchstens die Symptome einer Erkältung oder einer leichten Grippe. Was bedeutet das?“ Palamara antwortet darauf, ein Grund sei, dass die Variante in Italien hauptsächlich geimpfte Menschen infiziere – doch mitten in ihrer Antwort endet der Ausschnitt. Danach wird im Video der Satz eingeblendet: „Und warum sind vor allem Menschen betroffen, die mit der dritten Dosis geimpft wurden?“ Dieser stammt nicht aus dem Interview.
Über eine Google-Suche fanden wir mehrere Faktenchecks, die ergaben, dass der Videoclip auch auf Italienisch, Französisch, Rumänisch und Polnisch verbreitet wurde.
Anna Teresa Palamaras Antwort bestätigt, dass Impfungen vor einem schweren Krankheitsverlauf schützen
In den Faktenchecks ist das Original-Video verlinkt. Das Interview wurde demnach am 13. Januar in den 20-Uhr-Nachrichten ausgestrahlt, es beginnt ab Minute 4:44. Schaut man sich das Original an, wird klar, dass ein Teil von Palamaras Antwort in den kursierenden Videos fehlt und die Frage des Interviewers auf Telegram und Facebook manipuliert wurde.
Tatsächlich antwortete sie auf die Frage, warum viele positive Getestete asymptomatisch seien: „Dies kann im Wesentlichen auf zwei Gründe zurückzuführen sein. Der erste Grund ist, dass vor allem in Italien und anderen europäischen Ländern vor allem geimpfte Personen von der Variante betroffen sind, und zwar vor allem Personen, die mit der dritten Dosis geimpft wurden.“ Hier endet der Videoclip und schneidet damit den zweiten Teil ihrer Antwort ab: „Und das ist in der Tat ein Hindernis für schwere Krankheiten. Und daran müssen wir uns erinnern.“ Der zweite Grund sei, dass sich das Virus leichter in den oberen Atemwegen ausbreite und weniger in den unteren Atemwegen.
Palamara ist wissenschaftliche Beraterin am Italienischen Nationalen Gesundheitsinstitut („Istituto Superiore di Sanità“, kurz ISS) und Präsidentin der Italienischen Gesellschaft für Mikrobiologie. Auf der Internetseite des ISS fanden wir Daten, die ihre Aussagen größtenteils bestätigen. Laut Wochenbericht vom 14. Januar ist die Omikron-Variante in Italien vorherrschend – das geschätzte Vorkommen in der Gesamtbevölkerung („Prävalenz“) lag bei mehr als 80 Prozent. Das ergaben Stichprobenanalysen von unterschiedlichen Laboren in den Regionen Italiens.
Warum sich in Ländern mit hoher Impfquote vor allem Geimpfte mit SARS-CoV-2 infizieren
Zum Verständnis: Es ist nicht ungewöhnlich, dass sich in Ländern mit hoher Impfquote vor allem Geimpfte mit SARS-CoV-2 infizieren, wie wir bereits ausführlich in einem Faktencheck beschrieben haben. Darum ist es wichtig, absolute Zahlen ins Verhältnis zur Bevölkerung und zur Impfquote zu setzen. So zeigt sich für Deutschland, dass vollständig Geimpfte bei einer Infektion einen milderen Krankheitsverlauf haben als Ungeimpfte. Das betont auch Palamara in ihrer Antwort mit Blick auf Italien.
In Deutschland nimmt die Zahl der Geimpften, die sich mit Omikron infizieren, zu, doch auch hier erkranken im Verhältnis zur Impfquote Geimpfte weniger häufig an Covid-19 und müssen seltener im Krankenhaus behandelt werden als Ungeimpfte. Darüber haben wir zuletzt am 26. Januar in einem Faktencheck berichtet.
Redigatur: Matthias Bau, Steffen Kutzner