Faktencheck

Nein, Russland hat sich nicht aus dem Zwei-plus-Vier-Vertrag zurückgezogen

Online heißt es, Deutschland und Russland befänden sich offiziell im Krieg, weil Russland den Zwei-plus-Vier-Vertrag verlassen habe. Das Auswärtige Amt teilte uns mit, dass dies nicht der Fall ist.

von Matthias Bau

Zwei-plus-Vier-Vertrag
Im Moskauer Hotel „Oktober“ unterzeichneten am 12. September 1990 die Außenminister der beiden deutschen Staaten und der vier Siegermächte den Zwei-plus-Vier-Vertrag (v.l.n.r): James Baker (USA), Douglas Hurd (Großbritannien), Eduard Schewardnadse (Sowjetunion), Roland Dumas (Frankreich), Lothar de Maiziere (DDR) und Hans-Dietrich Genscher (BRD) (Quelle: Picture Alliance / DPA / Roland Holschneider)
Behauptung
Der Bundesregierung sei durch Russland offiziell mitgeteilt worden, dass der Waffenstillstand von 1945, der durch das Zwei-Plus-Vier-Abkommen geregelt sei, mit sofortiger Wirkung aufgehoben worden sei.
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Frei erfunden
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Frei erfunden. Russland hat sich nicht aus dem Zwei-plus-Vier-Vertrag zurückgezogen.

Auf Facebook (hier und hier) und auf Whatsapp verbreitet sich die Behauptung, Russland und Deutschland befänden sich offiziell im Krieg, weil sich Russland aufgrund der Waffenlieferungen Deutschlands an die Ukraine aus dem sogenannten Zwei-plus-Vier-Vertrag zurückgezogen habe. 

Die Behauptung geht offenbar auf einen Beitrag auf der Seite von Gloria TV vom 14. März zurück. Quellen für die Behauptung werden in dem Beitrag nicht angegeben. Belege für die Behauptung wie Medienberichte oder offizielle Pressemitteilungen konnten wir durch eine Internetrecherche nicht finden. Auf unsere Anfrage teilte das Auswärtige Amt mit, Russland habe den Vertrag nicht verlassen. Die Russische Föderation könne sich zudem „nicht auf ein Recht zum Rücktritt vom Zwei-plus-Vier-Vertrag berufen“. Das sei dem Wortlaut des Vertrags geschuldet.

Was das genau bedeutet, wollte das Auswärtige Amt nicht öffentlich ausführen. Klar ist jedoch, dass der Zwei-plus-Vier-Vertrag selbst keine Regelungen über einen Rücktritt aus dem Vertrag enthält. Zudem legt der Name des Vertrags, der eigentlich „Vertrag vom 12. September 1990 über die abschließende Regelung in Bezug auf Deutschland“ heißt, nahe, dass die Fragen, die dort geregelt sind, „abschließend“ geklärt sind. Das ist auch die einschlägige wissenschaftliche Meinung zu dem Vertrag, wie aus zwei Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags aus den Jahren 2007 und 2016 hervorgeht. 

Auf Facebook und Whatsapp kursiert diese Behauptung über den Zwei-plus-Vier-Vertrag
Auf Facebook und Whatsapp kursiert diese Behauptung über den Zwei-plus-Vier-Vertrag (Quelle: Facebook; Screenshot und Unkenntlichmachung: CORRECTIV.Faktencheck)

Beitrag weist Unstimmigkeiten auf

Auch die Form des Beitrags auf Gloria.TV deutet darauf hin, dass die Meldung frei erfunden ist. So ist von einem „russischen Ministerium“ die Rede, das konkrete Ministerium wird jedoch nicht genannt. Zudem wird das Wort Bundesregierung in Anführungszeichen gesetzt. Auch steht im Beitrag folgender Satz: „Unsere Informationsquellen sind 100%ig und das in jeder Position“, obwohl keine konkreten Quellen genannt werden. 

Gloria.TV verbreitet häufiger gezielte Desinformation. Wir haben Inhalte von der Seite in der Vergangenheit mehrfach überprüft.

Was ist der Zwei-plus-Vier-Vertrag?

Der Zwei-plus-Vier-Vertrag wurde am 12. September 1990 in Moskau von den Außenministern Frankreichs, Großbritanniens, den USA, der Sowjetunion sowie der DDR und der BRD unterzeichnet. Wie die Bundeszentrale für Politische Bildung und die Bundesregierung schreiben, trat der Vertrag am 15. März 1991 in Kraft. 

Im Vertrag wurde zum Beispiel der Grenzverlauf des vereinigten Deutschlands geregelt (Artikel 1) und erklärt, dass „von deutschem Boden nur Frieden ausgehen wird“ (Artikel 2). Auch ein Verzicht auf biologische, chemische und atomare Waffen sowie eine Begrenzung der Streitkräfte auf eine Stärke von 370.000 Personen ist in dem Vertrag enthalten (Artikel 3). Zudem wurde Deutschland die volle Souveränität über „seine inneren und äußeren Angelegenheiten“ zugesprochen (Artikel 7) und der Abzug der sowjetischen Streitkräfte bis zum Ende des Jahres 1994 vereinbart (Artikel 4). Der Abzug geschah zum 31. August 1994.

Von Reichsbürgern und Akteuren aus der Querdenken-Bewegung wird immer wieder behauptet, der Zwei-plus-Vier-Vertrag habe Deutschland nicht zu einem souveränen Staat gemacht und sei kein Friedensvertrag. Der wissenschaftliche Dienst des Bundestages kam in seinen Berichten zu der Einschätzung, dass es sich bei dem Vertrag zwar offiziell nicht um einen Friedensvertrag handele, dieser aber die gleiche Funktion wie ein Friedensvertrag erfülle und die volle Souveränität Deutschlands herstelle. 

Einen Überblick mit allen Faktenchecks von uns zum Krieg in der Ukraine finden Sie hier.

Redigatur: Viktor Marinov, Tania Röttger

Die wichtigsten, öffentlichen Quellen für diesen Faktencheck:

  • Der Zwei-plus-Vier-Vertrag: Link
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