Brüssel: Dieses Video zeigt keine 80.000 Demonstrierenden gegen die Nato, sondern gegen das belgische Lohngesetz
Haben 80.000 in Menschen in Brüssel gegen die Nato und Waffenlieferungen in die Ukraine demonstriert? Nein. Ein Video, das diese Behauptung belegen soll, zeigt eine Demonstration für höhere Löhne.
Seit dem 21. Juni verbreitet sich ein Video auf Sozialen Netzwerken, in dem eine Demonstration in Brüssel zu sehen ist. Dazu wird behauptet, die Menschen würden gegen das Sicherheitsbündnis Nato und gegen Waffenlieferungen an die Ukraine demonstrieren. Neben dem pro-russischen Propaganda-Kanal Neues aus Russland (hier) verbreitete auch ein chinesisches Staatsmedium einen mittlerweile gelöschten Beitrag auf Twitter zu der angeblichen Nato-Demonstration. Die Demonstration hatte jedoch mit der Nato nichts zu tun.
Belgisches Außenministerium: Brüssel-Demonstration war nicht gegen die Nato gerichtet
Worum ging es bei der Demonstration am 20. Juni? Eine Google-Suche führt zu mehreren Berichten darüber. So heißt es in diesem Artikel der Deutschen Presse-Agentur, der auf der Seite des Handelsblatts veröffentlicht wurde: „Etwa 70.000 Beschäftigte verschiedener Branchen haben am Montag in der belgischen Hauptstadt Brüssel für höhere Löhne demonstriert.“ Demnach forderten die Organisatoren eine Änderung des belgischen Lohngesetzes.
Bei der Nachrichtenagentur Reuters ist ebenfalls nicht von der Nato oder einem Kaufkraftverlust die Rede: „Die Demonstranten trugen Fahnen und Transparente mit der Aufschrift ‚Mehr Respekt, höhere Löhne‘ und ‚Schluss mit der Verbrauchssteuer‘, während einige Fackeln anzündeten. Einige forderten die Regierung auf, mehr zu tun, andere sagten, die Arbeitgeber müssten die Löhne und Arbeitsbedingungen verbessern.“
Auch das belgische Außenministerium bezeichnete die Behauptung auf Twitter als falsch. Es habe sich nicht um eine Demonstration gegen die Nato gehandelt oder gegen die Unterstützung für die Ukraine, sondern für mehr Kaufkraft.
Gewerkschaften fordern Änderung des Lohngesetzes
Mehrere Gewerkschaften riefen im Vorfeld zu der Demonstration auf. In einem Aufruf des Gewerkschaftsverbands FGTB heißt es, dass der Krieg in der Ukraine zu höheren Preisen geführt habe und das aktuelle Lohngesetz Gehaltserhöhungen blockiere. Von der Finanzierung von Waffenlieferungen oder der Nato ist dagegen keine Rede.
Wie die Nachrichtenagentur AP mitteilte, sah ein Fotograf auf dem Protest zwar ein Plakat gegen die Nato, die breite Mehrheit der Demonstrierende gingen jedoch laut anwesenden Journalistinnen und Journalisten für höhere Löhne auf die Straße.
Entgegen der Behauptung einiger Beiträge auf Sozialen Netzwerken gab es auch in Deutschland Berichterstattung zu der Demonstration, etwa beim Handelsblatt, oder Börse Online. Auch dort ist keine Rede von Forderungen der Demonstranten an die Nato.
Redigatur: Sophie Timmermann, Viktor Marinov