Faktencheck

Video eines angeblichen russischen Hyperschall-Raketenangriffs wurde digital erstellt

In Sozialen Netzwerken verbreitet sich ein Video, das angeblich einen russischen Raketenangriff auf ein unterirdisches ukrainisches Waffendepot zeigt. Die vermeintliche Explosion ist jedoch nicht wirklich passiert, das Video wurde digital animiert. Die Vorlage hielt schon für andere fiktive Szenarien her.

von Sophie Timmermann

Collage angeblicher Raketenangriff
Ein Video, das auf Telegram und Twitter kursiert, soll einen russischen Hyperschall-Raketenangriff auf ein Waffendepot zeigen. Das stimmt nicht. (Quelle: Facebook und Youtube; Screenshot und Collage: CORRECTIV.Faktencheck)
Behauptung
Ein Video zeige, wie eine russische Kinschal-Rakete in ein in 136 Metern Tiefe liegendes ukrainisches Waffendepot einschlage.
Bewertung
Falscher Kontext
Über diese Bewertung
Falscher Kontext. Die Explosion ist nicht echt, sondern wurde mit visuellen Effekten erstellt. Das Video wurde Ende Februar als fiktives Szenario auf Tiktok und Youtube veröffentlicht.

Am 19. Juni verbreitet ein Telegram-Kanal ein Video und zwei vermeintliche Standbilder daraus. Die Behauptung: Angeblich zeigen die Aufnahmen, wie eine russische Kinschal-Hyperschall-Rakete auf ein in 136 Tiefe liegendes ukrainisches Waffendepot treffe. Ein US-amerikanischer Journalist soll das Video gefilmt haben. Im Video ist eine Männerstimme zu hören, die die Explosion unter anderem mit „oh fuck“ kommentiert. Der Telegram-Beitrag wurde bisher mehr als 174.000 Mal gesehen. Auch auf Twitter und Facebook verbreitete sich die Behauptung auf Deutsch, zudem findet man sie in zahlreichen internationalen Twitter-Beiträgen.

Der Kontext ist jedoch falsch; die Explosion ist nicht echt. Das Video wurde mit visuellen Effekten digital erstellt. Der Urheber verwendete denselben Hintergrund und Ton bereits für andere fiktive Szenarien. 

Telegram-Beitrag des angeblichen Angriffs
In dem Telegram-Beitrag wird behauptet, das Video sei von einem US-Journalisten gefilmt worden und zeige einen russischen Raketenangriff in der Ukraine. Beides stimmt nicht (Quelle: Telegram; Screenshot und Schwärzung: CORRECTIV.Faktencheck)

Video des vermeintlichen russischen Hyperschall-Raketenangriffs wurde mit visuellen Effekten erstellt

Eine Bilder-Rückwärtssuche mit einem der Standbilder aus dem Video führt zu einem Tiktok-Video vom 27. Februar 2022, wenige Tage nach Beginn des Krieges in der Ukraine. Das Video trägt den Titel „What if Russia Started Nuclear War?“ (Was wäre, wenn Russland einen Atomkrieg startet?). Schon anhand der Wortwahl wird deutlich, dass es sich vermutlich um eine fiktive Szene handelt. Die Person, die es mit dem Namen „InsanePatient2“ veröffentlicht hat, kommentierte einige Tage später darunter: „An all die klugen Köpfe, die denken, ich versuche, Leute zu täuschen: die Worte „was wäre, wenn“ sind im Titel.“ 

Das Tiktok-Profil verlinkt zum Youtube-Kanal von „InsanePatient2“. Aus der Kanalinfo wird ersichtlich, dass die Person visuelle Effekte in Videos einbaut. Zahlreiche andere Videos bilden andere fiktive Szenarien ab, etwa den Zusammenprall zweier Planeten über einer Stadt. Darin ist dieselbe Männerstimme zu hören, die „oh fuck“ ruft. Eine längere Version des angeblichen russischen Raketenangriffs ist auf dem Youtube-Kanal ebenfalls zu finden. 

Ein weiterer Beleg, dass es sich um einen digital erstellten Effekt handelt: In einem anderen von „InsanePatient2“ hochgeladenen Video ist derselbe Hintergrund mit Haus und Feld zu sehen. Das im März hochgeladene Video hat jedoch einen anderen Kontext: Der Mond wird darin vermeintlich von einem Asteroid getroffen. 

Collage - Videos und derselbe Hintergrund
Zwei Videos, derselbe Hintergrund. Das Haus auf dem Feld im aktuell verbreiteten Video (links) ist auch in einem weiteren bearbeiteten Video zu finden, in dem der Mond angeblich von einem Asteroiden getroffen wird (Quelle: Facebook, Youtube / InsanePatient2; Screenshot und rote Markierung: CORRECTIV.Faktencheck)

Russland verfügt mutmaßlich über Kinschal-Hyperschall-Raketen – Video zeigt laut Experten jedoch keine solche Explosion

Laut Medienberichten verfügt Russland tatsächlich über Hyperschall-Raketen und gab im März an, damit angeblich ein unterirdisches ukrainisches Waffendepot zerstört zu haben. Die Kinschal-Rakete kann demnach mit mehrfacher Schallgeschwindigkeit fliegen.  

Der Einschlag in dem digital bearbeiteten Video ist laut Experten jedoch nicht realistisch für einen Angriff mit einer solchen Rakete. Kelly Stephani, eine Professorin für Maschinenbau und Ingenieurwesen an der University of Illinois Urbana-Champaign, sagte der AP für einen Faktencheck bereits Mitte Juni, eine Hyperschall-Rakete wäre viel schneller gewesen als das Flugobjekt, das im Video zu sehen ist.

Alle Faktenchecks, die wir im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine veröffentlicht haben, finden Sie hier.

Redigatur: Alice Echtermann, Uschi Jonas

Die wichtigsten, öffentlichen Quellen für diesen Faktencheck:

  • Youtube Kanal des Effekt-Designers: Link
  • „Russland will ukrainisches Munitionsdepot mit Hyperschall-Rakete zerstört haben“, Redaktionsnetzwerk Deutschland, 19. März 2022: Link