Wieder führt ein Wetterkartenvergleich in die Irre – aus gleich zwei Gründen
Der AfD-Politiker Georg Pazderski vergleicht auf Twitter zwei Wetterkarten der Tagesthemen aus den Jahren 2017 und 2022. Er unterstellt Manipulation; heute würde dramatischer über Hitze berichtet als damals. Doch sein Vergleich führt in die Irre.
„Exemplarischer kann man die bewusste Manipulation der Zuschauer kaum verdeutlichen. Was vor fünf Jahren noch grün war, ist heute knallrot“, behauptete Georg Pazderski, ehemaliger AfD-Fraktionsvorsitzender im Berliner Landesparlament, am 21. Juli auf Twitter. Dazu teilte er eine Collage, die zwei Bilder der Wetternachrichten in den Tagesthemen der ARD gegenüberstellt; eines von 2017, auf dem Deutschland trotz hoher Temperaturen vollständig grün dargestellt ist, und eines aus dem Jahr 2022, auf dem Deutschland bei etwas niedrigeren Temperaturen deutlich rot eingefärbt ist. Etwas später, am selben Tag, wurde die Collage auch in einem englischen Tweet verbreitet. Er erhielt bisher rund 19.500 Retweets (Stand: 29. Juli).
Die beiden Karten gegenüberzustellen und als „bewusste Manipulation“ zu bezeichnen, führt in die Irre. Dass die Karte aus dem Jahr 2017 grün ist, liegt daran, dass ihre Farbe mit den Temperaturen nichts zu tun hat.
Karten stammen beide aus den Tagesthemen
Das obere Bild mit der grünen Karte stammt aus dem Wetterbericht der Tagesthemen vom 21. Juni 2017, wie es auch im Bild vermerkt ist. Das untere Bild, auf dem die Karte überwiegend rot ist, stammt ebenfalls aus den Tagesthemen, aber nicht, wie von Pazderski angegeben, vom 21. Juni 2022, sondern vom Vortag. Zu sehen ist das Bild etwa bei Minute 34:35.
Wir haben beim Hessischen Rundfunk (HR), der bei der ARD für die Wetterkarten zuständig ist, nachgefragt, was es mit der Diskrepanz auf sich hat. Sabine Renken, Pressesprecherin beim HR, schrieb uns per E-Mail, dass es bis 2020 in der ARD keine einheitlich designten Wettervorhersagen gegeben habe, da die Karten „von unterschiedlichen Redaktionen und Firmen angeliefert“ worden seien.
Grüne Wetterkarte der Tagesthemen hat nichts mit Temperaturen zu tun
Die grüne Karte aus dem Jahr 2017 sei von einer Firma namens Cumulus zur Verfügung gestellt worden, so Renken. Diese Firma gibt es nicht mehr, weshalb wir dort nicht nachfragen konnten, weshalb die Karte trotz hoher Temperaturen grün ist. Schaut man sich jedoch die Sendungen aus anderen Monaten des Jahres 2017, 2018 und 2019 an, wird klar, dass die Karte bis Ende 2019 immer grün war.
Eine Erklärung für die stets grüne Wetterkarte liefert Leo Hickman, Herausgeber der Webseite Carbon Brief, die über Klimathemen berichtet, auf Twitter: Bei der grünen Karte handelt es sich um eine topographische Karte, die Landschaften und Flussverläufe zeigt. Die Karte aus dem Jahr 2022 dagegen sei eine Hitzekarte, die die Temperaturen sowohl farblich als auch mit Zahlen darstelle.
Das bestätigt auch der Meteorologe Jörg Kachelmann, den wir per E-Mail gefragt haben, ob es sich bei der Karte von 2017 um eine topographische Karte handelt. Er schrieb uns: „[…] genauso ist es. Das Eine ist eine Landkarte, das Andere eine mit temperaturspezifischer Einfärbung.“
Design der Wetterkarten in den Tagesthemen wurde 2020 umgestellt
Abgesehen davon, dass es sich um verschiedene Kartentypen handelt, lassen sich ältere Wetterkarten der Tagesthemen nicht mit aktuellen vergleichen, denn das Design wurde 2020 angepasst, wie ein Bericht der Tagesschau zeigt. Die Leiterin des ARD Wetterkompetenzzentrums, Silke Hansen, die für die Wetterkarten verantwortlich ist, erklärte: „Wir haben bei der Übernahme das komplette Design umgestellt und dem Design der Tagesschau angepasst.“ Eine Wetterkarte der Tagesthemen vor 2020 mit einer Karte nach 2020 zu vergleichen, ergibt also keinen Sinn. Das liefert auch eine Erklärung, warum die topographische Karte bis 2020 immer grün dargestellt war, ab Januar 2020 (zum Beispiel hier) jedoch nicht mehr.
Irreführende Wetterkartenvergleiche kursieren seit Jahren, belegen aber keine vermeintlich manipulative Berichterstattung
Wetterkartenvergleiche wie dieser tauchen seit Jahren immer wieder auf. Eine angeblich manipulative Berichterstattung belegen sie jedoch nicht, denn die Wetterkarten werden im Laufe des Jahres immer wieder angepasst, um Temperaturunterschiede besser abzubilden. Oft werden auch, wie in diesem Fall, Karten miteinander verglichen, die unterschiedliche Dinge zeigen und daher gar nicht vergleichbar sind. Unseren Hintergrundtext dazu finden Sie hier.
Fazit: Pazderskis Collage ist aus gleich zwei Gründen irreführend: Zum einen wurde das Design der Wetterkarten in den Tagesthemen im Jahr 2020 umgestellt, weshalb die Karten nicht vergleichbar sind. Und zum Zweiten vergleicht Pazderski eine Hitzekarte mit einer topographischen Karte, deren Farbe sich mit der Temperatur nicht verändert.
Redigatur: Sophie Timmermann, Matthias Bau