Faktencheck

Nein, Olaf Scholz hat kein Flugzeugtriebwerk besichtigt, sondern die Turbine für Nord Stream 1

In Sozialen Netzwerken kursiert die Behauptung, Olaf Scholz habe in Mülheim an der Ruhr nicht die Gasturbine aus Nord Stream 1 besichtigt, sondern ein Flugzeugtriebwerk. Das stimmt nicht.

von Steffen Kutzner

Bundeskanzler Scholz bei Siemens Energy Nord-Stream-Gasturbine
Olaf Scholz bei seinem Besuch der Nord-Stream-1-Gasturbine in Mülheim am 3. August 2022 (Symbolbild: Picture Alliance / DPA / Bernd Thissen)
Behauptung
Olaf Scholz habe Anfang August keine Gasturbine besichtigt, sondern ein Flugzeugtriebwerk.
Bewertung
Falsch. Die Bilder zeigen eine Gasturbine. Die Firma Siemens Energy, die die Turbine für Nord Stream 1 gewartet hat, betont, es handele sich um eben diese.

In einem Facebook-Beitrag wird behauptet, Bundeskanzler Olaf Scholz habe bei seinem Besuch in Mülheim an der Ruhr am 3. August nicht die Gasturbine besichtigt, die in die Gaspipeline Nord Stream 1 eingebaut werden soll, sondern vor einem Flugzeugtriebwerk gestanden. Als vermeintliche Belege werden Fotos gezeigt; auf einem davon soll eine „echte“ Gasturbine abgebildet sein, die anders aussieht und deutlich größer ist als das Gerät, vor dem Scholz steht. Auch auf Twitter verbreitete sich die Behauptung. Sie ist falsch.

Das Bild wurde auf Facebook und Twitter verbreitet, kurz nachdem Olaf Scholz die Turbine besichtigt hatte (Quelle: Facebook; Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

Zum Hintergrund: Seit Wochen wird argumentiert, dass Russland seine Gaslieferungen an Deutschland durch Nord Stream 1 reduziert habe, weil die Turbine nach einer Wartung in Kanada nicht zurückgeliefert werde. Dieses Thema haben wir kürzlich in einem anderen Faktencheck behandelt. Olaf Scholz besuchte Anfang August medienwirksam das Werk in Mülheim an der Ruhr, in dem die Turbine aktuell liegt, um zu demonstrieren, dass sie „jederzeit einsatzbereit“ sei. 

Mit den Beiträgen in Sozialen Netzwerken wird nun also suggeriert, hierbei habe es sich um eine Täuschung gehandelt, abgebildet sei nicht die richtige Turbine, sondern ein Flugzeugtriebwerk.   

Siemens-Energy-Sprecher: Turbinentechnik stammt aus der Entwicklung der Flugzeugbranche, diese wird aber für Gaspipeline benutzt

Wir haben bei Siemens Energy, der Firma, die die Turbine aus Nord Stream 1 gewartet hatte und in deren Werk in Mülheim die Turbine den Berichten zufolge liegt, um eine Stellungnahme zu der Behauptung gebeten. 

Pressesprecher Tim Proll-Gerwe erklärte uns dazu via E-Mail, dass es sich bei der Turbine, vor der Scholz in dem Bild steht, um eine sogenannte aeroderivative Gasturbine handele. Solche Turbinen übernehmen viele Bauteile von Flugzeugturbinen. „Die wird aber nicht in ein Flugzeug eingebaut (obwohl sie aus der Entwicklung der Flugzeugbranche stammt, wie der Name schon sagt), sondern um einen Kompressor in der Gaspipeline anzutreiben“, schrieb uns Proll-Gerwe weiter. Es handele sich auf den Fotos definitiv um die Turbine, um die es in der Debatte mit Russland geht. 

Siemens Energy und Triebwerkhersteller widersprechen Behauptung, es handele sich um ein Flugzeugtriebwerk

Wir haben auch MTU Aero Engines kontaktiert, den größten Hersteller von Flugzeugtriebwerken in Deutschland. Pressesprecherin Martina Vollmuth erklärte uns per E-Mail, dass Turbinen für Flugzeuge ganz anders aussähen als Gasturbinen für Pipelines. Gasturbinen seien „zigarrenförmiger“. Triebwerke hätten außerdem vorn ein großes Rotorblatt, das „deutlich größer ist als das Kerntriebwerk“. Sie erklärt weiter: „Olaf Scholz stand mit Sicherheit nicht vor einem zivilen Flugzeugtriebwerk.“

Auch in einem Artikel der FAZ zu Nord Stream 1 wird als Titelbild eine Turbine gezeigt, die genauso aussieht, wie die Turbine, vor der Olaf Scholz im Bild steht.

Das zweite Bild in den Beiträgen, das eine „echte“ Gasturbine zeigen soll, ist bereits älter, wir fanden es über eine Bilderrückwärtssuche unter anderem auf einer Webseite der Deutschen Instandhaltungstage aus dem Jahr 2016. Es stammt demnach aus einem Gasturbinenwerk von Siemens Energy. Wie aus einem Youtube-Video von Siemens aus dem Jahr 2015 hervorgeht, handelt es sich aber lediglich um einen Bestandteil einer Turbine, den sogenannten „Läufer“.

Redigatur: Matthias Bau, Alice Echtermann