Faktencheck

Titandioxid: Keine Belege, dass das weiße Farbpigment in Masken gefährlich ist

Sind Masken „Gift“, weil Titandioxid darin vorkommt? Das wird auf Facebook behauptet. Der als Beleg angeführte wissenschaftliche Artikel weist allerdings nicht nach, dass Gesichtsmasken schädlich für Menschen sind. Titandioxid darf in Lebensmitteln seit kurzem nicht mehr verwendet werden, ist aber unter anderem in Kosmetikprodukten und Farben enthalten.

von Steffen Kutzner

FFP2 Maske und OP-Maske
Atemschutzmasken seien angeblich wegen des darin enthaltenen Titandioxids bedenklich (Symbolbild: Picture Alliance / Photothek / Ute Grabowsky)
Behauptung
In Masken sei „Gift“, da sie mehr als das Fünffache des Höchstwertes für Titandioxid enthielten.
Bewertung
Unbelegt. Der als Beleg verlinkte Artikel kommt nicht zu diesem Ergebnis. Es gibt keine Belege, dass Titandioxid in Masken giftig ist. Es gibt in Deutschland keinen gesetzlichen Grenzwert für Titandioxid. Der Stoff, der als weißes Farbpigment zum Beispiel in Kosmetik vorkommt, steht nach Daten aus Tierversuchen im Verdacht, Krebs zu erzeugen. Eine schädliche Wirkung für Menschen ist bisher nicht nachgewiesen, dennoch darf er in Lebensmitteln in der EU seit kurzem nicht mehr verwendet werden. Es gibt bisher keine Hinweise, dass Masken Titandioxidpartikel freisetzen.

„Vorsicht Gift! Masken wurden auf Titandioxid (TiO2) getestet. TiO2 ist krebserregend“, heißt es in mehreren Facebook-Beiträgen von Anfang September. Die Maske mit der geringsten Verunreinigung erreiche „mehr als das Fünffache der akzeptablen Grenze“. Dazu wird ein Foto verbreitet, das OP- und Stoffmasken zeigt. 

Ein Link zu einer Fachzeitschrift ist ebenfalls in dem Beitrag enthalten. In dem Artikel finden sich die genannten Informationen tatsächlich wieder, allerdings enthält er keinen Nachweis, dass Masken für Menschen schädlich sind. Es wurde nicht untersucht, ob das Titandioxid aus den Masken wirklich freigesetzt und eingeatmet werden kann. Nach aktuellem Wissensstand ist das laut Experten unwahrscheinlich.

Facebook-Beiträge wie dieser legen nahe, dass eine Studie gezeigt habe, Masken seien wegen des Titandioxids gesundheitsschädlich. Das stimmt so jedoch nicht. (Quelle: Facebook; Screenshot und Schwärzung: CORRECTIV.Faktencheck)

Wissenschaftlicher Artikel kommt nicht zu dem Schluss, Masken seien giftig

Die „Studie“ ist ein wissenschaftlicher Artikel von Februar 2022, in dem Forschende sich auf eigene Messwerte zu Titandioxid in Gesichtsmasken beziehen. Sie stellen darauf basierend die Forderung nach „behördlichen Kontrollen“ auf. Der Text beinhaltet das in dem Beitrag enthaltene Bild der verschiedenen Masken und erschien in der Fachzeitschrift Scientific Reports. Darin heißt es: „Bisher liegen keine Daten vor, die darauf hindeuten, dass das mögliche Risiko durch die TiO2-Partikel größer wäre, als der Nutzen durch das Tragen. Deshalb rufen wir nicht dazu auf, auf das Tragen von Gesichtsmasken zu verzichten.“ 

Die Autorinnen und Autoren kommen aber zu dem Schluss, dass es Unsicherheit bezüglich der sogenannten Genotoxizität der Titandioxid-Partikel in den Masken gebe. Genotoxizität bezeichnet die schädliche Wirkung bestimmter Substanzen auf die DNA. In dem Artikel heißt es weiter, dass die Verwendung von Titandioxid deswegen behördlich reguliert sein sollte, zumal es für die Herstellung der Masken nicht unbedingt erforderlich sei.

Titandioxid färbt Stoffe weiß und kommt in verschiedensten Produkten vor

Titandioxid ist ein weißes Farbpigment, das in verschiedenen Produkten vorkommt, von Kunststoffen und Papier bis zu Zahnpasta und Sonnencreme. Der Stoff kam in der EU bis vor kurzem auch in Lebensmitteln vor, etwa bei Mayonnaise, bestimmten Süßigkeiten und Mozzarella, darf EU-weit aber seit Sommer 2022 wegen des Verdachts, krebserregend zu sein, nicht mehr verwendet werden. In Atemschutzmasken hat Titandioxid denselben weißfärbenden Effekt wie in allen anderen Produkten und schützt die Masken zusätzlich davor, im UV-Licht der Sonne schnell brüchig zu werden.

In dem Facebook-Beitrag wird behauptet, dass die am wenigsten mit Titandioxid belastete Maske den akzeptablen Wert um mehr als das Fünffache überschreite. Das bezieht sich auf einen Grenzwert, den die Forschenden basierend auf Tierversuchen selbst festgelegt haben. Alle untersuchten Masken überschritten diesen Wert, eine Maske sogar um das Tausendfache. Tatsächlich hatte die Maske mit dem geringsten Titandioxid-Wert das Fünffache von dem, was die Forscher als „akzeptables Level“ festgelegt hatten.

Nachweis der krebserregenden Wirkung beim Menschen fehlt bisher

Es gibt in Deutschland weder einen gesetzlichen Höchstwert für Titandioxid in Masken, noch eine Empfehlung. In einer Einschätzung des Bundesinstituts für Risikobewertung von Mai 2021, in der es nicht um Gesichtsmasken, sondern um Lebensmittel geht, heißt es: „Es wurde keine akzeptable tägliche Aufnahmemenge abgeleitet. […] Humanstudien und gezielte epidemiologische Untersuchungen zu möglichen gesundheitlichen Effekten liegen derzeit nicht vor.“ 

Das bedeutet: Ob Titandioxid für Menschen wirklich schädlich ist, steht nicht fest, aber es gibt diesen Verdacht. Das Verbot als Lebensmittelzusatz in der EU leitet sich aus einer Empfehlung der Europäischen Chemikalienagentur ab: Man hatte in Tierversuchen mit Ratten und Mäusen Tumorbildungen festgestellt, nachdem man ihnen Titandioxid zum Fressen oder Einatmen gab. 

Freie Titandioxid-Partikel, die man einatmen könnte, kommen in Masken nicht vor

Der bloße Kontakt mit Titandioxid bedeutet nicht automatisch, dass der Körper es auch aufnimmt. Eine Aufnahme über die Haut, etwa durch entsprechende Pflegeprodukte, wird vom Bundesinstitut für Risikobewertung ausgeschlossen. Eine Aufnahme über die Lunge dagegen betrachtet das Institut als gesundheitlich kritisch. Das gelte jedoch für lose Partikel, die nach derzeitigem Wissensstand in den Masken nicht vorkommen, wie uns eine Sprecherin der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) erklärte. 

Die Sprecherin schrieb uns, dass Titandioxid in der Maskenproduktion schon früh in die Stoffe eingebracht werde. „Es ist daher anzunehmen, dass es durch chemische Reaktionen und den Schmelzprozess fest in den Fasern eingeschlossen und nicht als loser Farbstoff in den Masken vorhanden ist.“ Als loser Farbstoff in den Masken könnten die Partikel zudem die Filterleistung negativ beeinträchtigen. „Ein Eintrag als loser einatembarer Farbstoff in das Vlies ist nach unserer Einschätzung auszuschließen“, erklärt die BAuA.

Wie wahrscheinlich es ist, dass lose Titandioxid-Partikel in Masken zu finden sind, wird auch in dem wissenschaftlichen Artikel nicht erforscht: „Es wurden keine Annahmen über die Wahrscheinlichkeit der Freisetzung von TiO2-Partikeln selbst getroffen, da eine direkte Messung der Freisetzung und der inhalativen Aufnahme beim Tragen von Gesichtsmasken nicht möglich war.“

Das bestätigte auch der Wissenschaftler Jan Mast, der an der Durchführung der Messungen beteiligt war und den Bereich für Nanomaterialien beim belgischen Institut für öffentliche Gesundheit leitet. Er schrieb uns: „Da der Verbleib und die Freisetzungsmechanismen von Partikeln aus Gesichtsmasken derzeit unbekannt sind, wurden keine Annahmen über die Wahrscheinlichkeit der Freisetzung von Partikeln selbst getroffen.“

Umweltmediziner: Einatmen von Titandioxid-Fasern durch Masken kein relevantes gesundheitliches Risiko 

Wir haben einen Umweltmediziner gefragt, ob die mit Titandioxid hergestellten Masken gefährlich sein könnten.

Dennis Nowak, Leiter des Instituts für Arbeits-, Sozial-, und Umweltmedizin der Ludwigs-Maximilian-Universität München, schrieb uns, dass der Körper eingeatmete Fasern abbaue. Es sei „theoretisch denkbar, dass einzelne Titandioxidpartikel nach Einatmung im Körper freigesetzt werden“. Relevant sei das jedoch nicht, da Titandioxid uns auch in vielen anderen Produkten begegne: „Angesichts der großen Mengen von Titandioxid, die in Lebensmittelfarben, Farben überhaupt, Weißpigment, Sonnenschutzmitteln, etc. mit dem Körper in Kontakt kommen, spielt die quantitativ sicher minimale inhalative Exposition eine gesundheitlich vermutlich nicht nachweisbare Rolle.“

Wir wollten es genau wissen und fragten nach, ob diese durch eingeatmete Fasern freigesetzte Menge Titandioxid erwartbare Schäden anrichten könne. Das Einatmen von Nanopartikeln sei allgemein als gesundheitsschädlich anzusehen, nicht nur bei Titandioxid, so Nowak. „Der Ausschuss für Risikobewertung bei der Europäischen Chemikalienagentur ist im Jahr 2017 zu dem Schluss gelangt, dass Titandioxid vermutlich krebserzeugend durch Einatmen für den Menschen ist.“ Diese Einschätzung basiert laut Nowak auf den Tierversuchen, bei denen Ratten über ihre gesamte Lebenszeit intensiven Mengen Titandioxid ausgesetzt waren. Er hält das Risiko von eingeatmeten Titandioxid-Fasern für den Menschen „für nicht nachweisbar und damit nicht relevant“.

Wir haben Nowak gefragt, ob es einen Anlass zur Vermutung gibt, dass das Einatmen von Stofffasern von Atemschutzmasken gefährlicher sei als das Einatmen von Fasern aus Schals, Pullovern, Matratzen oder anderen alltäglichen Gebrauchsgegenständen. Die Antwort: „Ganz klar nein.“ Die Möglichkeit, Nanopartikel aus Atemschutzmasken einzuatmen, sei „quantitativ vermutlich am Rande der Nachweisbarkeit“ und bedinge nach seinem Erachten „kein auch nur irgendwie relevantes gesundheitliches Risiko“.

Fazit: Es gibt nach bisherigem Stand keine Beweise dafür, dass Titandioxid in Masken oder anderen Produkten für Menschen schädlich ist. Es darf in Deutschland in zahlreichen Kosmetik-Produkten und Farben verwendet werden. Daten aus Tierversuchen, die eine krebserregende Wirkung zeigten, beziehen sich auf das Einatmen oder die orale Einnahme von Titandioxid-Partikeln. Diese freien Partikel kommen laut Experten in Masken jedoch nicht vor, da sie bei der Herstellung in den Fasern eingeschlossen werden. 

Redigatur: Viktor Marinov, Alice Echtermann