Wie ein Ferienprogramm seit 2015 genutzt wird, um Stimmung gegen Geflüchtete zu machen
Ein Foto eines kostenlosen Ausflugsprogramms für die Herbstferien, das sich vorwiegend an „Kinder von Asylbewerbern“ richtet, sorgt im Netz für Empörung. Laut Veranstalter handelte es sich jedoch um ein Projekt zur Sprachförderung, das parallel zum üblichen kostenfreien Ferienprogramm stattfand. Da es freie Plätze gab, wurden auch andere Kinder zur Teilnahme eingeladen.
„Wieso schreiben die für Schüler drüber und nicht gleich nur für Asylanten,“ schreibt ein Nutzer auf Facebook und teilt dazu ein Foto von Veranstaltungshinweisen für Schulkinder und junge Erwachsene. Darauf ist zu lesen, dass ein kostenloses Ausflugsprogramm in den Herbstferien „vorwiegend für Kinder von Asylbewerbern“ angeboten werde. Weiter heißt es: „Es können aber auch, wenn noch Plätze frei sind, deutsche Kinder daran teilnehmen.“ Darunter befindet sich eine Liste verschiedener Ausflugsziele und Termine.
In einer anderen Version des Fotos auf Facebook heißt es unter dem Ferienprogramm: „Für deutsche Kinder nur Restplätze. Das ist Rassismus gegen das eigene Volk und die dafür Verantwortlichen gehören in den Knast.“ Auch über Whatsapp erreichte uns das Foto.
Unser Faktencheck zeigt: Das Ferienprogramm fand 2015 in Schleswig-Holstein statt – das Foto kursiert seitdem immer wieder in Sozialen Netzwerken. Der zuständige Landesverband der Arbeiterwohlfahrt hatte bereits 2015 auf das Foto reagiert und klargestellt: Bei den beworbenen Veranstaltungen handelte es sich um ein „Sprachförderungsprojekt für Flüchtlingskinder“, das zusätzlich zum üblichen kostenlosen Herbstferienprogramm für alle Kinder aus der Region angeboten wurde.
Foto zeigt ein Veranstaltungsprogramm von 2015
Zunächst fällt auf, dass die Termine für die Veranstaltungen im Oktober 2015 liegen. Wo genau die Veranstaltungen abgedruckt waren und wer sie angeboten hat, geht aus dem Foto nicht hervor. Die Ausflugsziele (Gettorf und Kiel) liegen in Schleswig-Holstein.
Eine Bilderrückwärtssuche mit dem Foto führte uns zu zwei Artikeln der österreichischen Faktenchecker-Redaktion Mimikama. Der erste Faktencheck stammt vom 13. Oktober 2015. Auf dem damals kursierenden Foto des Angebots ist oben links noch das Kürzel „AWO“ zu erkennen, das in den aktuellen Beiträgen nicht mehr sichtbar ist. Die Abkürzung AWO steht für den gemeinnützigen Verein Arbeiterwohlfahrt.
Ferienprogramm wurde laut AWO zusätzlich zu den üblichen kostenlosen Veranstaltungen für Kinder organisiert
Der AWO-Landesverband in Schleswig-Holstein reagierte 2015 auf eine Anfrage von Mimikama: Die abgebildeten Veranstaltungen seien „Teil eines speziellen Sprachförderungsprojektes für Flüchtlingskinder“, erklärte der Verband in einer Stellungnahme. „Diese Ausflüge werden zusätzlich zu dem üblichen kostenlosen Herbstferienprogramm für die Kinder aus der Region angeboten.“
Da es freie Plätze innerhalb des Projektes gab, entschied der Ortsverein laut der Stellungnahme, die Veranstaltungen zu öffnen, um „den Austausch der Kinder verschiedener Kulturen zu fördern.“ Michael Selck, Geschäftsführer des AWO-Landesverbandes, äußerte sein Bedauern, dass die Beschreibung der Veranstaltungen aufgrund einer „unglücklichen Formulierung“ falsch verstanden wurde. „Unsere ehrenamtlichen und hauptamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter helfen dort, wo Unterstützung benötigt wird – unabhängig von Herkunft, Religion, Geschlecht oder Nationalität.“
Foto vom Ferienprogramm kursiert in unterschiedlichen Varianten seit Jahren im Netz
Wie ein weiterer Faktencheck von Mimikama vom 13. September 2018 zeigt, wird das Bild seit mehreren Jahren in unterschiedlichen Varianten, meist um die Herbstferienzeit, geteilt. So wird immer wieder Stimmung gegen Geflüchtete und Asylbewerbende gemacht. 2018 verbreitete sich das Foto beispielsweise ohne die Termine der Ausflüge – offenbar um einen aktuellen Bezug zu suggerieren. Derzeit kursiert es wiederum ohne die Angabe „AWO“ auf dem Originalfoto. Vermutlich soll so eine Überprüfung des Ursprungs erschwert werden.
Redigatur: Matthias Bau, Viktor Marinov