Von den Emiraten nach Deutschland: Ein LNG-Tanker verursacht weniger CO2 als alle Autos weltweit in fünf Jahren
Immer wieder verbreiten sich falsche Behauptungen zum CO2-Ausstoß von Flüssiggastankern. Aktuell heißt es, ein einziger Tanker, der von den Vereinigten Arabischen Emiraten nach Deutschland fahre, verursache so viel CO2 wie alle Autos weltweit in fünf Jahren. Das ist falsch.
Auf Facebook teilten tausende Nutzende seit Ende Oktober eine Behauptung über den CO2-Ausstoß von Flüssiggastankern (hier und hier). Demnach brauche ein Gasfrachter aus den Vereinigten Arabischen Emiraten zehn Tage bis nach Deutschland und verbrenne bei seiner Fahrt 3.200 Tonnen Rohöl. Das entspreche dem CO2-Ausstoß aller Autos weltweit innerhalb von fünf Jahren. Dazu wird das Bild eines blauen LNG-Tankers verbreitet.
LNG steht für „Liquified natural gas“, also Flüssiggas – solche Tanker nutzen einen Teil des geladenen Gases für ihren Antrieb und kein Rohöl. Unsere Berechnungen zeigen: Die Behauptung ist falsch. Ein einziger Flüssiggastanker produziert um ein Vielfaches weniger CO2 als alle Autos weltweit innerhalb von fünf Jahren. Im Netz kursieren öfter Behauptungen zu Flüssiggastankern, so hieß es im März 2022, 20 Flüssiggastanker würden so viel Treibstoff verbrauchen wie alle Flugzeuge weltweit. Auch das stimmte nicht.
Was ist LNG?
Bei LNG handelt es sich um Erdgas, das stark heruntergekühlt und dadurch verflüssigt wird. So kann es effizienter gelagert und transportiert werden, zum Beispiel in Schiffen. Diese nennt man Flüssiggastanker oder auch LNG-Tanker. Ein Nachteil: Ein Teil des Gases, das zum Beispiel aus den USA stammt, wird durch sogenanntes Fracking gewonnen – also durch Bohrungen tief unter der Erdoberfläche. Dabei und beim „Verladen“ des Gases kommt es zum Austritt von Methan, das laut Umweltbundesamt 25-mal umweltschädlicher für das Klima ist als CO2.
Es gibt Gastransporte von den Emiraten nach Deutschland – doch welcher davon gemeint ist, bleibt unklar
Der Facebook-Beitrag, der im Oktober in Sozialen Netzwerken auftauchte, bezieht sich auf einen „Gasfrachter, der uns das Gas aus den Emiraten bringen soll“. Es geht um einen Transport von Flüssiggas. Welcher Transport konkret damit gemeint ist, bleibt unklar.
Zuletzt berichteten Medien über geplante Gastransporte aus den Vereinigten Arabischen Emiraten nach Deutschland am 25. September 2022. Bundeskanzler Olaf Scholz besuchte damals die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE). Laut Zeit Online, schloss der Energiekonzern RWE bei Scholz‘ Reise einen Vertrag über die Lieferung von 137.000 Kubikmetern LNG ab, die Deutschland im Dezember erreichen soll. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck reiste bereits im März nach Katar, um entfallene Importe aus Russland zu ersetzen und die deutschen Gasspeicher für den Winter zu füllen.
Das auf Facebook verwendete Foto zeigt aber keine Lieferung aus den Emiraten – es handelt sich offenbar um ein Symbolbild, das einen LNG-Tanker in Asien zeigt. Über eine Bilderrückwärtssuche fanden wir mehrere Medienberichte (hier und hier), in denen es um den Gasmarkt geht und die das Bild des Schiffes ebenfalls verwendeten. Als Quellen geben sie die Bilddatenbanken Shutterstock und iStock an, Urheber ist ein Fotograf mit dem Kürzel IgorSPb, Igor Grochev. Bei iStock lud dieser Nutzer das Foto am 26. Juli 2017 hoch. Es zeigt laut Bildbeschreibung einen Tanker für Flüssigerdgas (LNG), der die Straße von Singapur passiert.
Zwischen den Emiraten und Deutschland liegen rund 22.000 Kilometer Seeweg
LNG-Tanker werden, anders als auf Facebook behauptet, nicht unbedingt mit „Rohöl“ angetrieben, sondern mit einem Teil des Gases, das sie transportieren, wie eine Studie des International Council On Clean Transportation zeigt (Seite 2 und 3). Dieses sogenannte „Boil-off-Gas“ ist der Teil des transportierten Flüssiggases, der sich beim Transport erwärmt, ausdehnt und deswegen aus den Tanks abgelassen werden muss.
Um die Frage zu beantworten, wie viel CO2 ein LNG-Tanker bei seiner Überfahrt von den VAE nach Deutschland ausstößt, muss zunächst der Treibstoffverbrauch berechnet werden. Dafür sind die Geschwindigkeit, das Fassungsvermögen, das Schiffsmodell und die Entfernung relevant. Konkrete Details zum Schiff sind in diesem Fall nicht bekannt, sondern nur die Entfernung.
Wie unter anderem Zeit Online berichtete, sollen die Flüssiggas-Lieferungen im Dezember von den VAE nach Brunsbüttel in Deutschland erfolgen. Wie lange so eine Fahrt dauert, hängt auch von den Wetterverhältnissen ab – die genaue Fahrtdauer ist daher schwer zu ermitteln. Laut der Webseite Searates entspricht die Distanz zwischen dem LNG-Terminal in Fujariah, das wir hier als Beispiel ausgewählt haben, und Brunsbüttel rund 22.000 Kilometern (Hin- und Rückweg). Wie hoch der Verbrauch auf dieser Strecke ist, hängt von der Geschwindigkeit, der Auslastung der Motoren und der Größe des Schiffes ab.
Aus einer Mitteilung des Bremer Forschungsinstituts für Seeverkehrswirtschaft und Logistik (ISL) geht hervor, dass die Standardgröße von LNG-Tankern heute bei 174.000 Kubikmetern liegt. Einer Studie des Unternehmens Shell zufolge liegt die Ladekapazität von LNG-Tankern zwischen 150.000 und 180.000 Kubikmetern.
LNG Tanker würde rund 3.300 Tonnen Treibstoff verbrauchen
Wie viel ein LNG-Tanker in etwa verbraucht, berechnete für uns im April eine Mitarbeiterin des Umweltbundesamtes anhand des Tankers Artic Princess, der ein Fassungsvermögen von 147.835 Kubikmetern hat. Dieser hat in etwa so viel Fassungsvermögen wie der Tanker, der in dem Facebook-Beitrag zu sehen ist.
Die Mitarbeiterin des Umweltbundesamts schrieb uns, bei einer grob überschlagenen Rechnung mit ungünstigen Annahmen, könne man davon ausgehen, dass ein entsprechendes Schiff bei einer angenommen Leistung von 27 Megawatt und einer Geschwindigkeit von 20 Knoten unter Vollast, 3.000 Tonnen Treibstoff verbrauchen würde. Berechnet hatte sie das für eine Wegstrecke von rund 20.000 Kilometern.
Diese Berechnung haben wir auf den aktuellen Fall übertragen (also 22.000 Kilometer Entfernung). Demnach läge der Verbrauch eines solchen Tankers auf dem Weg nach Deutschland entsprechend bei rund 3.300 Tonnen Treibstoff. Das entspricht in etwa der Angabe auf Facebook (3.200 Tonnen), jedoch mit dem wichtigen Unterschied, dass LNG-Tanker nicht mit Rohöl, sondern vorwiegend mit Gas angetrieben werden.
CO2-Ausstoß von LNG-Tankern deutlich geringer als der von allen Fahrzeugen weltweit
Wie viel CO2 entsteht bei der Verbrennung von 3.300 Tonnen LNG? Dieser Verbrauch lässt sich mithilfe von Angaben des Umweltbundesamts über mehrere Schritte in CO2-Emissionen umrechnen: Dafür haben wir den Energiegehalt einer Tonne LNG (in Kilowattstunden) und den Emissionsfaktor von LNG (in Tonnen CO2 pro Terajoule) ermittelt. Den Emissionsfaktor gab das Umweltbundesamt in einer Publikation von Juni 2022 mit 66,3 Tonnen CO2 pro Terajoule an. Daraus ergibt sich, dass der Verbrauch von rund 3.300 Tonnen LNG in etwa 10.000 Tonnen CO2 verursachen würde.
Das ist wesentlich weniger als die Menge CO2 („CO2-Äquivalente“), die in Deutschland im Jahr 2021 allein im Straßenverkehr verursacht wurde. Sie lag laut Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz bei rund 148 Millionen Tonnen. Ein Flüssiggastanker produziert folglich um ein Vielfaches weniger CO2 als alle Autos weltweit innerhalb von fünf Jahren.
Redigatur: Kimberly Nicolaus, Sarah Thust