Faktencheck

Nein, SPD-Politikerin Aydan Özoğuz fordert keine Integrationssteuer

Im Internet wird ein angebliches Zitat von Aydan Özoğuz verbreitet. Sie soll demnach eine Integrationssteuer in Deutschland fordern. Das stimmt nicht. Das erfundene Zitat wurde schon vor Jahren in die Welt gesetzt – die Signatur führt zu Uwe Ostertag, der sich selbst als Troll bezeichnet.

von Gabriele Scherndl

özoğuz-pressebild
Aydan Özoğuz (Mitte) war Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration und ist aktuell Vizepräsidentin des Bundestags (Quelle: Jean MW / Geisler-Fotopress / Picture Alliance)
Behauptung
Aydan Özoğuz habe gesagt: „Eine Diskussion zwecks Einführung einer Integrationssteuer ist dringend nötig, wenn wir weiterhin Solidarität zeigen wollen.“
Bewertung
Frei erfunden
Über diese Bewertung
Frei erfunden. Das Zitat kursiert seit 2015 und trägt die Signatur eines Trolls, der schon öfter mit erfundenen Zitaten auffiel. Es gibt keinerlei Berichte über eine derartige Forderung von Özoğuz, ein Screenshot eines Phoenix-Interviews wurde nachträglich bearbeitet. Die Politikerin bezeichnete das Zitat mehrmals als Fälschung.

Die Vizepräsidentin des Deutschen Bundestags ärgert sich. Mitte Januar schrieb Aydan Özoğuz auf Twitter: „Kann mir irgendjemand sagen, wer wieder diesen dämlichen Fake über mich verbreitet?“ Es geht um ihre angebliche Forderung nach einer Integrationssteuer. 

Sie kursiert schon seit acht Jahren und kocht nun erneut hoch – alleine im Jahr 2023 wurde ein Bild mit dem Zitat über 100 Mal auf Facebook veröffentlicht, auch auf Tiktok und Youtube kursiert es. Dazu heißt es, Özoğuz sei Integrationsministerin – das stimmt nicht. Bis 2018 war sie Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration. Aktuell ist sie Vizepräsidentin des Bundestags.

Ein Screenshot des erfundenen Zitats, das sich auf Facebook verbreitet.
Dieses Bild taucht seit 2015 immer wieder auf. Das Zitat von Aydan Özoğuz ist frei erfunden. (Quelle: Facebook; Screenshot und Schwärzung: CORRECTIV.Faktencheck)

Bild zeigt Özoğuz bei einem Phoenix-Interview im Jahr 2015

Für das Bild, das momentan geteilt wird, hat offenbar jemand einen Bildschirm abfotografiert. Zu sehen ist ein Ausschnitt aus einer Nachrichtensendung des Senders Phoenix, dazu steht das angebliche Zitat: „Eine Diskussion zwecks Einführung einer Integrationssteuer ist dringend nötig, wenn wir weiterhin Solidarität zeigen wollen.“ 

Das Faktencheck-Team der DPA fand heraus, dass das Originalbild schon 2015 in einer Facebook-Gruppe veröffentlicht wurde. Dort ist es, in besserer Bildqualität, heute noch zu finden. Eine Bilderrückwärtssuche des Fotos führt zu einem Video-Interview mit Özoğuz bei Phoenix. Dort wurde sie am 8. Januar 2015 zu dem Anschlag auf das Satiremagazin Charlie Hebdo in Paris interviewt, ein Hinweis darauf wurde in der Fälschung aber entfernt. Özoğuz fordert in dem Interview keine Integrationssteuer. Auch eine Google-Suche nach dem Zitat liefert keine relevanten Ergebnisse.

Özoğuz dementierte schon 2016, in einem Interview mit dem Deutschlandfunk, sich jemals so geäußert zu haben. 

Der Vergleich von zwei Screenshots. Oben das Originalinterview mit Aydan Özoğuz, unten das Bild mit dem gefälschten Zitat. Einige Schriftzüge aus der originalen Sendung wurden entfernt.
Das Foto mit dem Zitat, das nun wieder verbreitet wird (unten), beruht auf einem Interview aus dem Jahr 2015 (oben). Einige Elemente wurden aber verändert. (Quellen: Youtube / Facebook; Screenshot, Collage und Markierungen: CORRECTIV.Faktencheck)

Bild trägt die Signatur von Uwe Ostertag, der häufiger erfundene Zitate veröffentlichte 

Auf dem bearbeiteten Foto ist unten links außerdem eine Signatur erkennbar, da steht „in satira veritas by uwe ostertag“ – dass die Manipulation Satire ist, verstehen Viele offenbar nicht. Uwe Ostertag gilt als professioneller Troll, die FAZ zitierte ihn 2014 mit den Worten: „Provozieren, das ist wie ein Orgasmus.“

CORRECTIV.Faktencheck hat sich schon in mehreren Texten mit ihm beschäftigt. Etwa, nachdem er verbreitet hatte, die Grünen wollten Menschen in ostdeutschen Bundesländern das Wahlrecht entziehen. Oder als ein gefälschter und rassistischer Elternbrief auftauchte. Ostertag wurde 2017 unter anderem wegen Volksverhetzung, Beleidigung und Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen verurteilt.

Tatsächlich wurden aber schon ähnliche Maßnahmen, wie jene im erfundenen Zitat von deutschen Politikern gefordert: 2010 hat laut ORF Josef Winkler, damals stellvertretender Fraktionschef der Grünen im Bundestag, gefordert, den Solidaritätszuschlag für die ostdeutschen Bundesländer in einen „Integrations- und Bildungssoli“ umzuwandeln. Eine ähnliche Forderung wiederholte im Jahr 2015 laut FAZ der damalige thüringische Ministerpräsident Bodo Ramelow von der Linkspartei.

Redigatur: Viktor Marinov, Matthias Bau

Die wichtigsten, öffentlichen Quellen für diesen Faktencheck:

  • Twitter-Beitrag von Aydan Özoğuz: Link (Archiviert)
  • Video-Interview von Phoenix mit Aydan Özoğuz, 8. Januar 2015: Link (Archiviert)