Faktencheck

Dieselbe Iban, anderer Zweck: Spenden für die Türkei und Syrien landen nicht in der Ukraine

Dasselbe Bankkonto für zwei Hilfsaktionen? In Sozialen Netzwerken mutmaßen Nutzerinnen und Nutzer, dass Spenden für die Erdbeben in der Türkei und Syrien für Waffen in der Ukraine genutzt werden. Doch das Gemeinschaftskonto ist gängige Praxis eines Spendenbündnisses, dieses teilt das Geld anhand des jeweiligen Stichwortes zu. Es gibt keine Belege dafür, dass Spenden für Waffen ausgegeben werden.

von Paulina Thom

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In Beiträgen wie diesem auf Tiktok wird behauptet, Spenden für die Erdbebenopfer gingen an die Ukraine und würden dort Waffen finanzieren (Quelle: Tiktok; Screenshot, Collage und Unkenntlichmachung: CORRECTIV.Faktencheck)
Behauptung
Die von der ARD unterstützte Hilfsaktion „Spendenkonto Nothilfe“ nutze für Spenden an die Türkei und Syrien dieselbe Iban wie für Spenden an die Ukraine. Mit dem Geld würden Waffen für die Ukraine finanziert.
Bewertung
Größtenteils falsch
Über diese Bewertung
Größtenteils falsch. Die Spenden für die Erdbebenopfer und die Ukraine an die Hilfsaktion „Spendenkonto Nothilfe“ landen tatsächlich auf demselben Konto. Die Aktion nutzt die Iban jedoch seit Jahren für unterschiedliche Katastrophen, die Spenden werden über das Stichwort den jeweiligen Krisengebieten zugeteilt. Sie sind zweckgebunden und dürfen nur für humanitäre Hilfe verwendet werden. Es gibt keine Belege, dass die Gelder missbraucht werden, um Waffen zu finanzieren.

Die deutsche Hilfsaktion Spendenkonto Nothilfe sammelt aktuell Spenden sowohl für Erdbebenopfer in der Türkei und Syrien als auch für Menschen in der Ukraine. Die ARD ruft zum Spenden an die Aktion auf, das Geld fließt gebündelt auf ein Konto mit derselben Bankverbindung. Nutzerinnen und Nutzer auf Twitter, Facebook und Tiktok teilen nun ein Foto von der identischen Iban und spekulieren, dass die Gelder in Wirklichkeit in der Ukraine landeten und damit Waffen gekauft würden. „Wir spenden für Waffen“, kommentiert etwa ein Nutzer einen Facebook-Beitrag. 

Dafür gibt es keine Belege. Die Aktion sortiert Spenden anhand eines Stichwortes in der Überweisung und ordnet sie dem jeweiligen Zweck zu. Sie nutzt dafür seit Jahren dieselbe Bankverbindung. Die Hilfsorganisationen dürfen die Spenden zudem ausschließlich für humanitäre Hilfe einsetzen, teilten uns die zwei beteiligten gemeinnützigen Vereine mit. Die Finanzierung oder Verteilung von Waffen sei davon ausgeschlossen. 

Screenshot eines Beitrages auf Twitter
Das Spendenkonto Nothilfe hat dieselbe Iban für Spenden an die Ukraine und die Erdbebenopfer in der Türkei und Syrien. Anders als im Netz behauptet, können die Spenden aber anhand des Stichworts dem jeweiligen Verwendungszweck zugeordnet werden. (Quelle: Twitter; Screenshot und Unkenntlichmachung: CORRECTIV.Faktencheck)

Nothilfe sammelt Spenden seit Jahren unter derselben Iban für verschiedene Zwecke

Für das Spendenkonto Nothilfe arbeiten zwei Bündnisse von jeweils mehreren Hilfsorganisationen zusammen: die „Aktion Deutschland Hilft“ und das „Bündnis Entwicklung Hilft“. Dazu gehören etwa Brot für die Welt, die Kindernothilfe und die Johanniter. Wir haben bei den Bündnissen nachgefragt, ob und wie auf dem Gemeinschaftskonto zwischen den Spenden für die Erdbebenopfer und für die Nothilfe in der Ukraine unterschieden wird. 

„Das Konto für Spendenaufrufe der ARD besteht dauerhaft“, schrieb uns Mark Offermann, Pressereferent der „Aktion Deutschland Hilft“. Es werde nicht für jede Katastrophe ein neues Konto eröffnet. 

Die Hilfsaktion hat das Gemeinschaftskonto auch in der Vergangenheit parallel für verschiedene Spendenaufrufe benutzt, wie ein Blick ins Internet Archive belegt. Unter derselben Kontonummer, die auch aktuell verwendet wird, sammelte das Spendenbündnis etwa im Mai 2015 Spenden sowohl für Erdbebenopfer in Nepal als auch für die Flüchtlingshilfe im Irak und Syrien. Im Oktober 2017 wiederum gab es unter derselben Iban einen Spendenaufruf für Hilfe in Südasien und für Hungerkatastrophen. 

Spenden für die Nothilfe werden nach Stichwort zugeteilt und sind zweckgebunden

Durch die verschiedenen Stichworte sei der Einsatz der Gelder für unterschiedliche Notlagen jedoch abgegrenzt und garantiert, schrieb uns Offermann. „Eine stichwortgebundene Spende darf nur für Hilfsmaßnahmen verwendet werden, die durch das Stichwort benannt sind – diese Spenden sind unbedingt zweckgebunden.“ 

In den Beiträgen in Sozialen Netzwerken sind die Stichworte „ARD/ Nothilfe Ukraine“ oder „ARD/ Erdbeben Türkei und Syrien“ angegeben. Auf der Webseite der Spendenaktion lässt sich im Spendenformular zudem das Stichwort „Nothilfe weltweit“ als Verwendungszweck auswählen.

Screenshot von den verschiedenen Stichworten auf der Spendenseite
Auf der Webseite der Spendenaktion muss im Spendenformular aktuell einer von drei Verwendungszwecken ausgewählt werden. Je nach Auswahl teilt die Nothilfe die Spenden anschließend zu. Spenden, die per Überweisung ohne ein Stichwort auf dem Konto eingehen, kommen der weltweiten Nothilfe zugute. (Quelle: Spendenkonto Nothilfe; Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

„Nach Eingang auf dem Spendenkonto werden die Spenden dem angegebenen Stichwort zugeordnet und entsprechend für die Hilfe in den Katastrophengebieten eingesetzt“, schrieb uns auch Lotte Kirch, Referentin beim „Bündnis Entwicklung hilft“. „Mit Angabe eines Stichwortes sind die Spenden zweckgebunden und dürfen ausschließlich für passende Hilfsmaßnahmen verwendet werden.“ Wie das Deutsche Zentralinstitut für Soziale Fragen (DZI) auf seiner Webseite schreibt, reicht ein Kennwort aus, um eine Spende an einen Zweck zu binden. 

Spenden, bei denen kein Stichwort bei der Überweisung angegeben ist, werden laut Kirch und Offermann der „Nothilfe weltweit“ zugeordnet. Anders als im Netz behauptet, landen Spenden auf dem Gemeinschaftskonto mit dem Stichwort „Erdbeben Türkei/Syrien“ demnach nicht in der Ukraine. 

Nothilfe darf Spendengelder nur für humanitäre Zwecke verwenden, nicht für Waffen

Wir haben die beiden Spendenbündnisse gefragt, ob mit den Spenden auch Waffen finanziert werden könnten. „Spenden werden grundsätzlich nie, in der Ukraine nicht und auch in keinem anderen Kontext, für Waffenlieferungen oder militärische Zwecke eingesetzt“, schrieb uns Kirch. Waffenlieferungen seien weder mit der Satzung des Vereins noch mit den Regeln der Gemeinnützigkeit in Deutschland vereinbar. In der Satzung heißt es, Zweck des Vereins sei insbesondere die Förderung der Entwicklungszusammenarbeit. Dafür sollten Mittel beschafft werden, „die für eine nachhaltige Hilfe nach Katastrophen und Kriegen, für Prävention sowie für Informations- und Bildungsarbeit erforderlich sind.“ Die Hilfsorganisationen müssen die Verwendung der Spendengelder dokumentieren und darüber Rechenschaft ablegen, schrieb uns Kirch. 

Mark Offermann schrieb uns, dass der Satzungszweck und die Gemeinnützigkeit des Vereins Aktion Deutschland Hilft“ vorschreibe, dass die Spenden nur für die Not- und Katastrophenhilfe verwendet werden. „Der Einkauf und die Verteilung von Waffen gehören selbstverständlich nicht dazu.“ Die begünstigten Hilfsorganisationen müssen laut Satzung auf der Webseite die „ordnungsgemäße Verwendung der Mittel“ gegenüber dem Verein nachweisen.

Gemeinnützigkeit ist mit Waffenlieferungen nicht vereinbar

Die Gemeinnützigkeit von Vereinen in Deutschland ist in der Abgabenordnung ab Paragraph 51 gesetzlich geregelt. Gemeinnützige Vereine erhalten Steuervorteile. Dafür muss sich aus der Satzung, dem Stiftungsgeschäft oder der sonstigen Verfassung ergeben, dass der Verein gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke verfolgt. Die Mittel des Vereins dürfen nur für die in der Satzung enthaltenen Zwecke verwendet werden. Sonst kann das zuständige Finanzamt die Gemeinnützigkeit jederzeit aberkennen und Steuern auch rückwirkend zurückverlangen. 

Im Januar 2023 entzog ein Finanzamt dem Deutschen Fußball-Bund beispielsweise aufgrund von Steuerhinterziehung rückwirkend für die Jahre 2014 und 2015 die Gemeinnützigkeit. Für die am Spendenbündnis beteiligten Vereine Aktion Deutschland Hilft und das Bündnis Entwicklung Hilft fanden wir keine Meldungen über Verstöße gegen die Gemeinnützigkeit. 

Beide Spendenbündnisse und viele der Hilfsorganisationen tragen das DZI-Spenden-Siegel oder sind anderweitig zertifiziert

Die beiden Vereine verfügen zusätzlich über ein Spenden-Siegel des Deutschen Zentralinstituts für Soziale Fragen (DZI). Die Stiftung prüft Spendenorganisationen nach eigenen Standards (PDF), zum Beispiel auf die korrekte Mittelverwendung, wirksame Aufsichtsstrukturen oder ihre Transparenz. Um das Siegel zu erhalten, müssen Spendenorganisationen jährlich eine „vollständige, aussagekräftige und geprüfte Rechnungslegung über das Geschäftsjahr“ beim DZI vorlegen. Laut eigener Aussage der Stiftung belegt das DZI-Spenden-Siegel, dass „eine Organisation mit den ihr anvertrauten Geldern sorgfältig und verantwortungsvoll umgeht“.

„Beide Spendenbündnisse tragen das DZI Spenden-Siegel als Zeichen besonderer Förderungswürdigkeit und im Ergebnis der jährlichen, unabhängigen Überprüfung,“ schrieb uns Burkhard Wilke, Geschäftsführer des DZI. Eine Bedingung dafür sei die anerkannte Gemeinnützigkeit. „Die in Deutschland als gemeinnützig anerkannten Organisationen dürfen ihr Geld nicht für Kriegswaffen einsetzen“, schrieb Wilke. Auch die Mehrzahl der beteiligten Hilfsorganisationen, für die das Spendenkonto Nothilfe Gelder sammelt, tragen das DZI-Spenden-Siegel.

Einen Überblick mit allen Faktenchecks von uns zum Krieg in der Ukraine finden Sie hier.

Redigatur: Matthias Bau, Viktor Marinov

Korrektur 28. Februar 2023: Wir haben die Bewertung von „unbelegt“ zu „größtenteils falsch“ geändert und die alte Bewertung aus dem Artikelbild entfernt. Wir haben in der Bewertung ergänzt, dass es keine Belege gibt, dass Spendengelder in der Ukraine in Waffenkäufe fließen. 

Die wichtigsten, öffentlichen Quellen für diesen Faktencheck:

  • Satzung Bündnis Entwicklung hilft: Link (archiviert)
  • Satzung Aktion Deutschland Hilft: Link (archiviert)
  • Abgabenordnung, Regelungen zur Gemeinnützigkeit ab Paragraph 51: Link
  • Standards für die Vergabe des Spenden-Siegels des DZI: Link (PDF)