Handschlag oder nicht? Nach China-Besuch von Annalena Baerbock kursieren irreführende Behauptungen
Im Netz kursieren mehrere Behauptungen zu einer diplomatischen Visite von Außenministerin Baerbock in China. Es geht um ein Zitat des chinesischen Außenministers Qin Gang, um einen verweigerten Handschlag und einen abgesagten Termin mit Chinas Präsident Xi Jinping. Manches stimmt, anderes ist aus der Luft gegriffen.
Über den Besuch der deutschen Außenministerin Annalena Baerbock in China kursieren in Sozialen Netzwerken mehrere Behauptungen. Auf Facebook, Twitter und auf dem für Desinformation bekannten Blog Unser Mitteleuropa ist von einem „diplomatischen Fußtritt“, einer „Bankrotterklärung“ oder gar einer „Demütigung“ ist die Rede. Allein ein Twitter-Beitrag des Accounts „Hartes Geld“ zu dem Thema wurde Nutzerinnen und Nutzern mehr als 360.000-mal angezeigt. Auch das österreichische Online-Magazin Exxpress, das schon mehrmals mit falschen Informationen auffiel, veröffentlichte einen Text dazu.
In den Beiträgen geht es vor allem um drei Behauptungen. Erstens habe der chinesische Außenminister Qin Gang gesagt: „Wir brauchen keine herablassenden Belehrungen.“ Zweitens habe er den Handschlag mit Annalena Baerbock verweigert. Drittens habe der chinesische Staatschef Xi Jinping ein Treffen mit Baerbock abgesagt.
Unsere Recherche zeigt, dass zwei von diesen drei Behauptungen falsch sind – nur das Zitat ist authentisch. Doch Qin Gang hat Baerbocks Hand bei dem Treffen mehrmals geschüttelt. Ein Treffen mit Xi Jinping war nicht geplant.
Erste Behauptung: Das Zitat des chinesischen Ministers Qin Gang
Viele Beiträge enthalten auch ein Video. Dieses zeigt Ausschnitte aus einer Pressekonferenz von Baerbock und Gang. Oben links ist das ZDF-Logo zu sehen. Das Video lässt sich mit einer Google-Suche in der ZDF-Mediathek finden. Der Beitrag ist vom 14. April, dem zweiten Tag von Baerbocks Besuch in China.
Bei Minute 1:20 übersetzt die ZDF-Sprecherin ein Zitat des chinesischen Außenministers so: „Wir brauchen Gespräche auf Augenhöhe mit gegenseitigem Respekt, aber keine herablassenden Belehrungen.“
Andere Medien übersetzen das Zitat leicht anders. Die Nachrichtenagentur DPA etwa übersetzt den Satz des chinesischen Außenministers so: „Was China am wenigsten braucht, ist ein Lehrmeister aus dem Westen.“ Die britische Zeitung The Guardian schreibt, Qin habe gesagt: „Das letzte, was China braucht, ist, vom Westen belehrt zu werden“. Baerbock hatte unter anderem kritisiert, dass die Menschenrechte in der chinesischen Provinz Xinjiang verletzt würden.
Die einzelnen Übersetzungen unterscheiden sich in Nuancen. Der Inhalt des Satzes bleibt jedoch gleich: Der chinesische Außenminister verbittet sich Belehrungen aus dem Westen. Dieser Teil der Behauptung ist richtig.
Zweite Behauptung: Der angebliche verweigerte Handschlag
Anders sieht es bei dem Handschlag aus, den Gang laut den Beiträgen angeblich verweigert hat. Der Ausgangspunkt für die Behauptung scheint ebenfalls der ZDF-Ausschnitt zu sein. Darauf ist ab Minute 1:32 zu sehen, wie Baerbock und Gang die Pressekonferenz beenden. Gang lächelt, Baerbock nickt ihm zu und geht einen Schritt auf ihn zu. Daraufhin zeigt der chinesische Außenminister mit seiner rechten Hand, in welche Richtung beide die Bühne verlassen sollen – was er und Baerbock dann tun. Ob hier jemand einen Handschlag anbietet oder verweigert, lässt sich aus diesem Ausschnitt nicht erkennen.
Mehrere Bilder belegen jedoch, dass es während des Besuchs Handschläge zwischen Baerbock und Gang gab. Solche Fotos sind etwa in Medienberichten zu sehen, weitere Beispiele aus verschiedenen Stationen des Besuchs fanden wir bei der Foto-Datenbank Picture Alliance.
Eine Sprecherin des Auswärtigen Amts schrieb uns dazu auf Anfrage: „Außenministerin Baerbock und ihr chinesischer Amtskollege Qin Gang haben sich während der verschiedenen Treffen und Gespräche zu verschiedenen Gelegenheiten die Hände geschüttelt.“ Auch ZDF-Korrespondent Andreas Kynast, der über den Staatsbesuch vor Ort aus China berichtet, schrieb auf Twitter: „In Wahrheit hat Außenminister Qin Gang Baerbock mehrmals die Hand gegeben.“
Dritte Behauptung: Sagte Xi Ping ein Treffen mit Baerbock ab?
Kynast geht in seinem Tweet auch auf den dritten Teil der Behauptung ein. Ein Treffen mit Xi sei nie geplant gewesen, schreibt der Journalist. Wir haben uns zusätzlich auch die Ankündigung der chinesischen und der deutschen Seite zu dem Besuch angeschaut. Stünde ein Treffen mit dem Präsidenten auf der Agenda, sollte es dort auch verzeichnet sein.
Auf der Webseite des Auswärtigen Amts heißt es zu Baerbocks Besuch, dass sie neben Außenminister Qin Gang Wang Yi, Direktor der Kommission für Auswärtige Angelegenheiten des Politbüros, und den stellvertretenden Staatspräsidenten Han Zheng trifft. Das chinesische Außenministerium kündigt auf seiner Webseite lediglich das Treffen zwischen Gang und Baerbock an. Auf beiden Seiten ist keine Rede von einem Treffen mit Xi Jinping.
Der AfD-Politiker Georg Pazderski, der die Behauptung ebenfalls verbreitete, gibt als Beleg für ein geplantes Treffen zwischen Xi und Baerbock einen Kommentar bei Focus Online an. Dort steht in der Überschrift tatsächlich „Baerbock trifft Xi“. Doch auch in dem Text gibt es an keiner Stelle einen Beleg oder eine Quelle dafür, dass ein solches Treffen wirklich geplant war.
Redigatur: Matthias Bau, Gabriele Scherndl