Hintergrund

„Der Kampf ist derselbe“: Wie „Unser Mitteleuropa“ ein Netzwerk rechter Medien in Europa aufbaut

Sie hetzen gegen Migration oder verbreiten Falschinformationen: Medien aus elf europäischen Ländern kooperieren, um ihren Einfluss zu vergrößern. Sie stehen Parteien wie der FPÖ, AfD oder Fratelli d’Italia nahe. Im Zentrum stehen die Webseite „Unser Mitteleuropa“ und ein toter Österreicher, der Kontakte in die rechtsextreme Szene hatte. 

von Alice Echtermann

Europäische Medienkooperation_Illustration
Die Webseite „Unser Mitteleuropa“ hat seit Anfang 2021 Verbindungen zu zahlreichen konservativen und rechten Medien in Europa aufgebaut. Durch die Übernahme von Texten wird deren Reichweite international erhöht (Illustration: CORRECTIV/Benjamin Schubert. Hinweis: Netzwerk-Darstellung ist lediglich beispielhaft.)

Als Peter H. am 3. November 2021 stirbt, trauern Journalisten in ganz Europa um ihn. „Ruhe in Frieden“, twittert Jože Biščak, der bis vor kurzem Chefredakteur des slowenischen Magazins Demokracija war. Als Gründer der mehrsprachigen Webseite Unser Mitteleuropa habe Peter H. dafür gesorgt, dass die „Wahrheit über Slowenien“ mit Hilfe von Partnermedien „Millionen“ Menschen in Europa erreichte. 

Bis zu seinem Tod tauchte Peter H.s Name in der Öffentlichkeit kaum auf. Erst durch Nachrufe in verschiedenen europäischen Medien wurde deutlich, wie umtriebig der 67-jährige Österreicher war: Die Visegrád Post aus Ungarn preist H. als „österreichischen Patrioten“: Er sei eine „wichtige Stütze der Redaktion unseres Partners Unser Mitteleuropa“ gewesen, ein diskreter Mann, der „viel im Schatten des Rampenlichts gearbeitet“ habe. Auch der spanische Journalist Álvaro Peñas erzählt in einem emotionalen Artikel bei El Correo de España, wie viel er H. verdanke: Dieser habe ihn zum Teil eines Projektes namens „Europäische Medienkooperation“ gemacht. So habe er Politiker der AfD oder der FPÖ interviewen und diese Interviews in mehreren Sprachen veröffentlichen können.

Mehr als 25 konservative bis rechtsextreme Webseiten rund um Unser Mitteleuropa 

Recherchen von CORRECTIV.Faktencheck zeigen, dass die „Europäische Medienkooperation“ mutmaßlich mehr als 25 Webseiten aus dem konservativen bis rechtsextremen Spektrum umfasst – und Verbindungen zu mehreren rechten Parteien aufweist. Als Partner bezeichnet werden zum Beispiel das Compact Magazin, das in Deutschland vom Verfassungsschutz beobachtet wird und als „gesichert extremistisch“ gilt, und der rechte US-Think-Tank Gatestone Institute

Die Zusammenarbeit der Medien folgt einem simplen Prinzip: Unser Mitteleuropa übernimmt und übersetzt ihre Berichte und verhilft diesen – und sich selbst – zu größerer, internationaler Reichweite. So verbreitet die Seite auch Falschinformationen und Hetze – und ergattert Exklusiv-Interviews mit namhaften rechten Politikern wie dem österreichischen FPÖ-Politiker Herbert Kickl oder dem AfD-Bundestagsabgeordneten Petr Bystron.

„Es spielt keine Rolle, aus welchem ​​Land Sie kommen, der Kampf ist derselbe!“

Der Spanier Álvaro Peñas ist begeistert von der Idee der Medienkooperation: „Immer mehr Medienunternehmen arbeiten auf diese Weise zusammen“, sagt er in einem Interview. „Es spielt keine Rolle, aus welchem ​​Land Sie kommen, der Kampf ist derselbe!“

Im Zentrum dieser Kooperation steht die für Desinformation bekannte Webseite Unser Mitteleuropa. Ihr Slogan: „Mit vereinten Kräften für ein Europa der Vaterländer“. Peter H. gründete die Seite 2016 offenbar mit Freunden aus Ungarn. Der Österreicher blieb sein Leben lang im Hintergrund, doch glaubt man dem langjährigen Grünen-Politiker Karl Öllinger, der in Österreich den Blog Stoppt die Rechten betreibt, stand H. „mit beiden Beinen im Sumpf des rechtsextremen Milieus“. Er hatte mutmaßlich Kontakt zu verschiedenen Neonazis. Anfang 2021 stand er mit vier Mitgliedern der neonazistischen Organisation Europäische Aktion in Wien vor Gericht. Er wurde als einziger von dem Vorwurf, einen gewaltsamen Umsturz zu planen, freigesprochen – er hatte IT-Leistungen erbracht. Dazu später mehr. 

Kurz darauf starb Peter H. Das Netzwerk, das er vor seinem Tod mit aufbaute, arbeitet weiter.

ein Tweet mit einem Nachruf auf Peter H.
In einem Tweet verabschiedete sich Jože Biščak, damals Chefredakteur des slowenischen Magazins Demokracija, von Peter H. (Screenshot und Schwärzung des Nachnamens: CORRECTIV.Faktencheck)

Unser Mitteleuropa hat seit Anfang 2021 mehr als 700 Artikel anderer Medien übernommen

Welche Rolle Peter H. vor seinem Tod im täglichen Geschäft in der Redaktion von Unser Mitteleuropa spielte, ist unklar. Unsere Presseanfrage ließ das Portal unbeantwortet. Einen Nachruf oder auch nur den Namen von Peter H. sucht man auf der Webseite vergeblich. Nur die Traueranzeige, die unter anderem Jože Biščak von Demokracija auf Twitter teilte, enthält Grüße der Redaktion. Glaubt man den Aussagen von Álvaro Peñas in seinem Nachruf, kontaktierte H. ihn mit der Idee für die Medienkooperation im November 2020. 

Die Partner der „Europäischen Medienkooperation“ vertreten nach eigenen Angaben „patriotische Werte“. Sie wirken nach außen aber durchaus unterschiedlich – dabei sind zum Beispiel konservative, regierungsnahe Zeitungen in Ungarn wie Magyar Nemzet. Der erste Artikel mit einer Erwähnung der Medienkooperation erschien unserer Recherche zufolge am 14. Februar 2021 auf Unser Mitteleuropa: ein Kommentar des Inhabers der deutschsprachigen Budapester Zeitung, Jan Mainka. Darin bemängelt er die durchweg negative Haltung westlicher Medien gegenüber der Regierung von Viktor Orbán. 

Das rechtsextreme Compact Magazin veröffentlicht aktuell regelmäßig Texte von Unser Mitteleuropa. Doch nicht alle Medien übernehmen auch ihrerseits Artikel anderer Seiten oder erwähnen die Partnerschaft auf ihren Webseiten. Wir haben diejenigen, bei denen uns kein Beleg für eine beiderseitige Kooperation vorliegt, am 14. September kontaktiert. Von 16 haben uns nur drei geantwortet. Von diesen dementiert lediglich das Institut Ordo Iuris die Kooperation; jedes Medium könne dessen „Pressemitteilungen“ übernehmen. 

Fest steht: Unser Mitteleuropa übernimmt systematisch die Berichterstattung der anderen Medien und bezeichnet diese als Partner. Mithilfe einer Datenanalyse der Webseite fanden wir Erwähnungen von 27 Medien in Europa. Im Jahr 2021 wurden insgesamt 539 Artikel von Partnermedien übernommen und auf Deutsch veröffentlicht. 2022 waren es bis Anfang September 231 Artikel. Unser Mitteleuropa wirbt auf seiner Webseite auch aktuell noch für den Beitritt zur Europäischen Medienkooperation, seit Anfang 2022 kamen jedoch nur vier weitere Medien hinzu.

Mit Stand September 2022 zählten wir auf Unser Mitteleuropa Erwähnungen von jeweils drei Partnern in Deutschland, Frankreich und Slowenien, je zwei in Italien und Polen, sowie jeweils einem in Spanien, Kroatien, Litauen, der Schweiz und Österreich. Das Gatestone Institute stammt als einziger angeblicher Partner nicht aus Europa, sondern aus den USA – es beschäftigt sich jedoch stark mit europäischen Themen. Über das Institut berichtete CORRECTIV.Faktencheck bereits 2019 ausführlich

Der Schwerpunkt der Europäischen Medienkooperation liegt klar in Ungarn: sieben Partner gibt Unser Mitteleuropa dort an. Unsere Datenanalyse der Artikel auf Unser Mitteleuropa zeigt ebenfalls, dass Ungarn ein vorherrschendes Thema ist. 

Unser Mitteleuropa wurde erstmals in Ungarn registriert – auf den Namen eines rechten Politikers

Das passt ins Bild, denn die Ursprünge von Unser Mitteleuropa liegen in Ungarn. Die Seite wurde 2016 auf den Namen des ungarischen Politikers János Bencsik und einer Stiftung, die er damals leitete, registriert. Bencsik war bis 2020 in der ursprünglich als rechtsextrem eingestuften Jobbik-Partei, bevor er eine eigene Partei gründete. Auf unsere Frage, ob er die Webseite mitgründete und auch heute noch daran beteiligt sei, antwortete Bencsik nicht.

In den Jahren nach 2016 wechselten die offiziellen Eigentumsverhältnisse bei Unser Mitteleuropa. Lange stand im Impressum eine Adresse in Ungarn. Ab November 2019 herrschte kurz Stille auf der Webseite, erst ab März 2020 wurden wieder Artikel veröffentlicht. Ab da stand der Name eines polnischen Vereins im Impressum, und etwas später eine Briefkastenfirma in London namens News Network Communications Ltd. Ihre Inhaber – Cornelius R. und Eric Weinhandl – stammen aus Österreich und haben nach Recherchen von Netzpolitik.org Verbindungen zur FPÖ und der AfD. 

Interviews mit hochrangigen Politikerinnen und Politikern – und Nähe zu rechten Parteien

Die Übersetzung der Artikel in verschiedene Sprachen und die Veröffentlichung in mehreren Ländern verleiht den Seiten in der Europäischen Medienkooperation mehr Reichweite. Ihnen ein Interview zu geben, um mehr Aufmerksamkeit zu bekommen, kann sich für Politikerinnen und Politiker also lohnen. Interviewt werden unseren Recherchen zufolge vor allem Personen aus dem rechtskonservativen Spektrum. 

Erst im Juni 2022, interviewte Unser Mitteleuropa den AfD-Bundestagsabgeordneten Petr Bystron. Auch er hat auf unsere Presseanfrage, ob ihm die Hintergründe von Unser Mitteleuropa bekannt sind, nicht geantwortet.

Interview Unser Mitteleuropa mit Petr Bystron (AfD)
Der AfD-Bundestagsabgeordnete und Vorsitzender der Parlamentariergruppe Slowakei-Tschechien-Ungarn, Petr Bystron, gab Unser Mitteleuropa im Juni 2022 ein Interview (Quelle: Facebook / Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

Außerdem findet sich ein Interview mit Marine Le Pen von der rechten Partei Rassemblement National (früher Front National) in Frankreich, das Unser Mitteleuropa von dem Partner Boulevard Voltaire übernahm. Boulevard Voltaire ist eines der größten rechten Medien in Frankreich. Die Seite wurde 2012 von dem ehemaligen Direktor von Reporter ohne Grenzen, Robert Ménard, gegründet. Ménard ist heute ein rechter Politiker und Bürgermeister der Stadt Béziers. Er wurde laut Berichten bei der Kommunalwahl vom Front National unterstützt.

Erwähnenswert ist auch ein Gespräch des spanischen Journalisten Álvaro Peñas mit Marcin Romanowski, Staatssekretär im Justizministerium Polens, das in fünf Ländern verbreitet wurde – Spanien, Deutschland, Frankreich, Slowenien und Ungarn. Peñas interviewte zudem im Mai 2021 für El Correo de España den damaligen slowenischen Ministerpräsidenten Janez Janša. Das Interview wurde von der ungarischen Zeitung Magyar Hírlap zitiert, die ebenfalls ein Partnermedium sein soll. Der Politiker Janša teilte später auf Twitter sogar den Nachruf zum Tod des Österreichers Peter H. 

Das Partnermedium, von dem die meisten Artikel durch Unser Mitteleuropa übernommen wurden, ist die österreichische Wochenzeitung ZurZeit. Von Februar 2021 bis Anfang September 2022 waren es mehr als 100 Texte. Auch hier gibt es eine enge Verbindung zur Politik: ZurZeit wird unter anderem von dem FPÖ-Politiker und ehemaligen Europaabgeordneten Andreas Mölzer herausgegeben. Auf unsere Nachfrage teilte die Redaktion per E-Mail mit, die Kooperation bestehe nur mit Unser Mitteleuropa, nicht mit den anderen Medien. Sie sei auf persönlichen Kontakt von Mölzer mit Cornelius R. hin zustande gekommen. Der Grund für die Zusammenarbeit sei „die Erweiterung des Zielpublikums“. Peter H. kenne man nicht. 

Ein weiterer angeblicher Partner, La Voce del Patriota aus Italien, steht der postfaschistischen Partei Fratelli d’Italia nahe. Die Webseite hat schon mehrfach die Partei und deren Vorsitzende Giorgia Meloni gegen Faktenchecks von Pagella Politica verteidigt. 

Wie eng ist die Zusammenarbeit der Europäischen Medienkooperation wirklich?

Auf unsere Presseanfragen haben nur ZurZeit, Ordo Iuris aus Polen und 2022 Plus aus Ungarn geantwortet. Der Betreiber des deutschen Blogs Philosophia Perennis, David Berger, schrieb, er beantworte CORRECTIV grundsätzlich keine Fragen. CORRECTIV hat schon öfter über Philosophia Perennis und dort verbreitete Fehlinformationen berichtet (hier und hier). Wenige Tage nach unserer E-Mail veröffentlichte Unser Mitteleuropa einen Artikel, in dem CORRECTIV eine „linke Verleumdungskampagne“ unterstellt und Bergers Antwort zitiert wird. Er sei eng mit einem Mitarbeiter von Unser Mitteleuropa befreundet, heißt es darin.  

Wie eng die Kooperation ist, ist aber offenbar von Medium zu Medium unterschiedlich. Das Institut Ordo Iuris schrieb uns lediglich: „Das Portal verbreitet einige unserer Pressemitteilungen, genau wie Dutzende anderer Medien.“ Die politische Ausrichtung dieser Medien schaue man sich nicht an. 

Die Webseite 2022 Plusz bezeichnete die Kooperation mit Unser Mitteleuropa uns gegenüber als „einmaliges Ereignis“. Es seien mehrere Artikel über die „Geschichte der ungarischen Heiligen Krone“ ins Deutsche übersetzt worden, man selbst habe keine Texte übernommen. „Uns ist nicht bekannt, dass in jüngster Zeit ein Exemplar unserer Schriften übernommen wurde.“ Tatsächlich übernahm Unser Mitteleuropa laut unserer Analyse der Webseite 2021 acht Berichte von 2022 Plusz. Nur in einem ging es um die Heilige Krone, in den anderen zum Beispiel um eine Initiative in Großbritannien, illegale Einwanderer zurückzuschicken, oder eine christliche Gegendemonstration zur „Pride“ in Budapest. In einem weiteren Text, der im Mai 2022 übernommen wurde, geht es um Kritik der Ukraine an Ungarn. 

Gemeinsames Exklusiv-Interview mit Herbert Kickl

Wie weit die Kooperation mancher Medienpartner geht, zeigt aber ein gemeinsames Interview im Jahr 2021: „FPÖ-Chef Kickl im Interview mit Partnern der Europäischen Medienkooperation“, titelte Unser Mitteleuropa

Journalisten von El Correo de España, Vokativ aus Kroatien, Breizh-Info aus Frankreich, Centro Machiavelli aus Italien, Respublika aus Litauen, Magyar Hírlap aus Ungarn, Demokracija aus Slowenien und ZurZeit aus Österreich reichten offenbar gesammelt Fragen ein, die Herbert Kickl beantwortete. Auf unsere Nachfrage teilte die Redaktion von ZurZeit mit, man habe schriftlich Fragen formuliert, die Unser Mitteleuropa dann auswählte. 

Wir haben Kickl gefragt, wie es zu diesem Interview kam und wer ihm die Fragen stellte. Eine Antwort haben wir nicht erhalten. 

Prozess gegen die Europäische Aktion in Wien: Peter H. stand 2021 mit Neonazis vor Gericht

Bereits durch die Recherchen von Netzpolitik.org Anfang 2021 wurde deutlich, dass Unser Mitteleuropa der FPÖ nahe steht. Unsere Analyse der Aktivitäten der Europäischen Medienkooperation untermauert das. 

Doch neu ist die Rolle, die Peter H. dabei offenbar spielte. H. war in der rechtsextremen Szene in Österreich vernetzt. Er war angeklagt im Prozess gegen die Europäische Aktion (EA), eine Neonazi-Organisation, die in der Schweiz, Österreich und Deutschland aktiv war. Sie wurde nach Angaben der Bundesregierung seit ihrer Gründung 2010 vom Verfassungsschutz beobachtet, ihr gehörten mehrere Holocaustleugnerinnen und -leugner an. 2017 wurden in Deutschland Razzien gegen die EA durchgeführt. Sie soll unter anderem paramilitärische Lager organisiert haben.

Der Prozess fand im Februar 2021 in Wien statt. Angeklagt waren neben H. noch vier weitere Personen – man warf ihnen Verstöße gegen das NS-Verbotsgesetz und Vorbereitung eines Hochverrats vor. Das Ziel der EA sei ein gewaltsamer Umsturz in Österreich und die Tötung von Politikern gewesen. Zu diesem Zweck habe man sich auch mit Mitgliedern der rechtsextremistischen Organisation Magyar Nemzeti Arcvonal in Ungarn getroffen und gemeinsame Veranstaltungen durchgeführt. 

Freispruch für den IT-Experten Peter H.

H. wurde als einziger von den Geschworenen in beiden Punkten freigesprochen. Laut einem Bericht des Standard sagte er in seinem Plädoyer, seine IT-Kenntnisse seien nicht als Unterstützung der Europäischen Aktion erfolgt. Eine Urteilsbegründung gibt es nicht; Geschworene müssten eine solche nicht abgeben, teilte uns eine Sprecherin des Landesgerichts für Strafsachen Wien per E-Mail mit. 

Karl Öllinger, der den Blog Stoppt die Rechten betreibt, hat den Prozess 2021 begleitet. Er erzählt uns, Peter H. sei von seinem Strafverteidiger im Prozess als eine Art „Eremit“ beschrieben worden. Er habe Rechtswissenschaften, Sinologie, Japanologie und Arabistik ohne Abschluss studiert. Wie Öllinger, der Standard und die Initiative Prozess-Report übereinstimmend berichten, soll H. für die Europäische Aktion und den österreichischen Neonazi Gerd Honsik Webseiten aufgesetzt haben. Er habe auch für Stefan Magnet gearbeitet, den Betreiber der rechten Webseiten Info-Direkt und Auf1. Laut Prozess-Report wurde H. zudem vorgeworfen, Teile des Romans „The Brigade“ des amerikanischen Neonazis Harold Covington ins Deutsche übersetzt zu haben. 

Die Prozessberichte erwähnen zudem übereinstimmend eine Tätigkeit H.s für das Freiheitliche Bildungsinstitut der Partei FPÖ. Dies bestritt eine Sprecherin des Bildungsinstituts uns gegenüber jedoch per E-Mail.  

Während des Prozesses sagte H. laut Öllingers Bericht, dass er Unser Mitteleuropa mit ungarischen Freunden gegründet habe. Das passt zu den zahlreichen Nachrufen, die nach seinem Tod veröffentlicht wurden.

Aufhetzende Berichte über Migration, LGBT oder die Corona-Pandemie

Im Sommer 2021 trat die kroatische Webseite Vokativ der Europäischen Medienkooperation bei. In einem Artikel verkündete sie, man wolle „daran arbeiten, die Sichtbarkeit kroatischer Autoren und des kulturellen Erbes auf europäischer Ebene zu erhöhen“, und den kroatischen Leserinnen und Lesern „neue europäische kulturelle und politische Praktiken vorstellen“. Tatsächlich zeigt jedoch eine Analyse der Berichte, die innerhalb der Kooperation von Unser Mitteleuropa übernommen wurden, dass es sich nicht immer um harmlosen Kulturaustausch handelt.

Eine Analyse der Themenkategorien, die Unser Mitteleuropa für die seit Februar 2021 übernommenen Texte verwendet, zeigt, dass sie häufig Themen wie „Corona“, „LGBT“ oder „Islam“ behandeln. Ein Text, der vom Compact Magazin übernommen wurde, trägt zum Beispiel den Titel „Aufreger für Gender-Irrsinn: Biologin kennt nur zwei Geschlechter“. In einem anderen Artikel von dem österreichischen Medium ZurZeit heißt es, ein mögliches Verbot von „LGBTQ-Werbung“ in Russland sehe das Land „nicht zu Unrecht“ auch als einen „Kampf gegen die sogenannten westlichen Werte, wozu Moskau auch die Verherrlichung nicht-traditioneller sexueller Beziehungen sieht“. 

Texte zum Thema „Islam“ haben Titel wie „Frankreich 2022: Neuerliche Debatte über Burkinis und Bürgerkrieg vor der Haustür“ (von Boulevard Voltaire). Mehrere von französischen Medien übernommene Berichte beschäftigen sich mit dem „Großen Austausch“ – nach dieser Verschwörungstheorie dient Migration angeblich primär dazu, die weiße Bevölkerung in Europa zu ersetzen. 

Unser Mitteleuropa verbreitet Verschwörungsmythen und Vorurteile

Insbesondere über Corona-Impfungen hat Unser Mitteleuropa verschiedene virale Falschinformationen verbreitet (siehe unsere Faktenchecks hier und hier). Gerne wird dort auch das antisemitisch geprägte Feindbild des Milliardärs George Soros gestärkt, das vor allem in Ungarn sehr verbreitet ist. Soros wird bei Unser Mitteleuropa unter anderem vorgeworfen, den US-Außenminister zu manipulieren, „aggressive LGBTQ-Kinder-Propaganda“ zu finanzieren oder sich in Wahlen einzumischen.  

Mit solchen Verschwörungsmythen und teils radikaler Sprache bespielt Unser Mitteleuropa das Themenspektrum der Rechten. Ihr Netzwerk der Europäischen Medienkooperation treibt Vorurteile und Spaltung voran. 

Bis vor anderthalb Jahren war Unser Mitteleuropa ein Onlinemedium mit dubiosen Hinterleuten, dessen Artikel im deutschsprachigen Raum nur ab und zu größere Reichweite erzielten. Wie groß der Einfluss des Netzwerks wirklich ist, lässt sich kaum beurteilen. Sie selbst sprechen davon „Millionen“ zu erreichen. Vielleicht ist das mehr Schein als Sein. Doch fest steht: Seit Anfang 2021 hat sich rund um diese Seite ein Parallelkosmos von Medien aufgebaut – mit dem Ziel, ihre politischen Botschaften in möglichst breite Teile der europäischen Bevölkerung zu tragen.

Datenanalyse und interaktive Grafiken: Max Donheiser, Kajsa Rosenblad

Redigatur: Uschi Jonas, Matthias Bau

Transparenzhinweis: Alice Echtermann war von September bis Dezember 2013 während ihres Studiums für ein Auslandspraktikum bei der Budapester Zeitung.