Faktencheck

Nein, Raps verbrennt nicht die Haut von Hunden

Ist es gefährlich, Hunde durch Rapsfelder laufen zu lassen? Mehrere Facebook-Beiträge behaupten das mit Bildern von kranken Hunden. Ein Pflanzenforscher, Tierärzte und Tierärztinnen widersprechen.

von Steffen Kutzner

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Unverbrannter Hund im Rapsfeld (Symbolbild: Susanne906 / Pixabay)
Behauptung
Raps löse bei Hunden schwere Verbrennungen der Haut aus.
Bewertung
Falsch. Ein Pflanzenforscher, Tierärzte und Tierärztinnen erklärten uns, dass Raps, solange keine konkrete Allergie besteht, keine Gefahr für Hunde darstellt.

Es sind furchtbare Fotos, die seit Ende April auf Facebook kursieren. Sie zeigen einen verletzten Hund mit geröteter, geschwollener Haut, besonders im Augenbereich. Laut dem Beitrag soll das zeigen, dass Raps „schwere Verbrennungen bei Hunden, Säugetieren und sogar Menschen auslösen“ könne. Es solle „zu Verbrennungen und Wunden kommen, insbesondere um die Augen, Ohren und Pfoten“. Hintergrund sei eine Chemikalie, die Raps produziere, die „wie scharfer Senf“ brenne.

Doch Raps verursacht solche Wunden bei Hunden in der Regel nicht, wie uns Tierärzte,  Tierärztinnen und ein Pflanzenforscher erklärten. 

Dieser Tweet von 2019 verbindet einen Text (unten links in der Collage) über Raps mit den Fotos der verletzten Hunde. In dem Text wird jedoch gar nicht behauptet, Rapsblüten würden Verbrennungen bei Hunden auslösen. (Quelle: Twitter; Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

Ursprung des Beitrags ist ein Artikel von 2010, der Hunde gar nicht erwähnt

Mit einer Bilderrückwärtssuche finden wir den mutmaßlichen Ursprung der Behauptung: Ein englischsprachiger Tweet von Mai 2019 stellt die Behauptung auf und zeigt dasselbe Bild eines verletzten Hundes, das auf Facebook zu sehen ist. 

Neben dem Bild des Hundes verbreitet der Beitrag einen Screenshot eines Artikels der Webseite Science Daily aus dem Jahr 2012. Ursprünglich wurde der Artikel offenbar im Jahr 2010 auf der Webseite Norwegian SciTech News veröffentlicht. Die Seite gibt an, Neuigkeiten aus der Forschung einer norwegischen Universität zu veröffentlichen.

In dem Artikel geht es darum, wie Forscherinnen und Forscher versuchen, Raps besser bekömmlich zu machen. Die Pflanze habe demnach einen Schutzmechanismus. Rapssamen könnten wie Senf brennen, um etwa Insekten oder andere Tiere zu verscheuchen, die die Pflanze anfressen. Davon, dass es zu Verletzungen bei Hautkontakt kommen kann, ist dort jedoch nicht die Rede. Hunde erwähnt den Artikel ebenfalls nicht – in den Facebook-Beiträgen heißt es, sie seien besonders gefährdet.

Tierärztinnen: Raps ist für Hunde in der Regel nicht gefährlich

Wir fragten den Bundesverband praktizierender Tierärzte zu der Behauptung an. Tiermedizinerin Petra Sindern schrieb uns: „Eine spezifisch hautreizende oder gar verbrennende Wirkung von Raps ist mir nicht bekannt.“ Speziell von heutigen Rapssorten, in denen die Abwehrstoffe reduziert seien, sei „eher keine Hautreaktion zu erwarten“. Jedoch könnten Hunde theoretisch gegen Raps allergisch sein und in der Folge womöglich eine Bindehautentzündung bekommen. Auch entzündete Mücken- oder Flohstiche wären eine mögliche Erklärung für die Hautreaktionen auf den Bildern im Facebook-Beitrag, so Sindern.

Die Tierdermatologin Nina Thom antwortete uns, dass Raps in der Regel keine Hautreaktionen wie auf den Bildern hervorrufen könne, selbst bei Hunden mit Allergie nicht. Vollständig ausschließen könne man das zwar nie, aber für starke Kontaktallergien sei „Raps definitiv nicht die typische Pflanze“. Eine konkrete Diagnose zu den Bildern sei nicht möglich, schrieb uns Thom. Es könne sich aber um eine plötzlich auftretende Autoimmunreaktion handeln. Diese könnte zwar auch nach dem Gang durch ein Rapsfeld auftreten, jedoch nicht ursächlich wegen des Rapses. 

Andrea Volk, Veterinärdermatologin der Tierärztlichen Hochschule Hannover weist darauf hin, dass Hunde zwar gegen Raps allergisch sein könnten, sich diese Allergie jedoch nicht so äußere wie auf dem Bild. Raps könne solche Hautreaktionen zwar nicht hervorrufen, wohl aber Weinraute, die Raps recht ähnlich sähe.

Der britische Informationsdienst für Tiergifte warnte bereits 2021 vor der Falschinformation: Die Hautreaktionen und weitere Symptome nach Kontakt mit Raps beträfen Weidetiere, nicht Hunde. Wenn Hunde eine intensive Hautreaktion hätten, seien das „extrem seltene Fälle“.

Neue Rapssorten enthalten praktisch keine Bitterstoffe 

In einem der Facebook-Beiträge erklärt der Urheber, dass auch das Saatgut eine Rolle spiele. Das schrieb uns auch Wolfgang Schuchert vom Max-Planck-Institut für Pflanzenzüchtungsforschung in Köln. Die in Deutschland überwiegend angebauten Rapsarten enthielten „keine Toxine, die bei Hautkontakt zu Verbrennungen oder ähnlichen Reaktionen führen“. Sie seien weitgehend frei von Bitterstoffen wie Senfölglycosiden.

Diese neuen Rapssorten werden 00-Sorten genannt. Laut einem Artikel von pflanzenforschung.de, einer Webseite des Bundesministeriums für Bildung und Forschung, ist es ihnen zu verdanken, dass Raps in Deutschland überhaupt im großen Stil angebaut wird. Die bis in die 70er Jahre in Raps enthaltenen Bitterstoffe machten das aus dem Raps gewonnene Öl bitter. In dem Artikel aus dem Jahr 2012 heißt es: „Inzwischen wird in Deutschland nahezu die gesamte Anbaufläche mit 00-Raps bestellt.“

Hunde sollten trotzdem nicht in Rapsfelder gelassen werden

Dass der Raps für die Hunde nicht pauschal schädlich ist, bedeutet jedoch nicht, dass Hunde bedenkenlos in die Rapsfelder gelassen werden könnten: Die Felder sind fast immer Privatgelände und die Hunde könnten die Pflanzen beschädigen oder anfressen. Außerdem werden Rapspflanzen mitunter mit Pestiziden behandelt, die der Gesundheit der Hunde im Zweifelsfall nicht zuträglich sind.

Fazit: Dass Rapsfelder eine pauschale Gefahr für Hunde seien, wie es in den Facebook-Beiträgen behauptet wird, ist Unsinn. Es ist zwar laut den von uns befragten Experten und Expertinnen nicht völlig auszuschließen, dass ein Hund eine autoimmune Erkrankung entwickelt oder allergisch gegen Raps reagiert, aber die auf den Bildern gezeigten Reaktionen sprechen eher nicht für eine solche Allergie. Der in Deutschland angebaute Raps ist eine neuartige Zuchtlinie, die so gut wie keine der früher enthaltenen Bitterstoffe wie Senfölglycoside mehr hat. Dennoch haben Hunde in Rapsfeldern nichts zu suchen.

Redigatur: Matthias Bau, Viktor Marinov

Update, 6. Juli 2023: Nach Hinweisen einiger Leser*innen haben wir ergänzt, dass Hunde zwar durch Raps nicht speziell gefährdet sind, ihre Halter sie aber dennoch nicht in den Feldern herumlaufen lassen sollten.