Nein, der Krieg in der Ukraine verursacht nicht so viel CO2 wie Deutschland in 600 Jahren
Online kursiert eine Rechnung, die angeblich von der Uni Heidelberg stammen soll. Demnach verursache der Ukraine-Krieg mehr Emissionen als Deutschland in 600 Jahren. Doch weder hat die Uni Heidelberg so eine Rechnung veröffentlicht, noch stimmen die Zahlen.
Die exakte CO2-Emission von Streitkräften ist schwer zu ermitteln. Klar ist jedoch: Kriege haben Auswirkungen auf das Weltklima. Aktuell kursieren jedoch Falschbehauptungen darüber, wie hoch der Einfluss des Ukraine-Kriegs ist.
Auf Facebook, X und Telegram behaupten Nutzerinnen und Nutzer, in 20 Monaten Ukraine-Krieg sei so viel CO2 ausgestoßen worden, wie Deutschland in 600 Jahren nicht produzieren könne. Das habe die Universität Heidelberg errechnet.
All das ist falsch: Weder hat die Universität Heidelberg so eine Studie durchgeführt, noch stimmen die Zahlen. Der Krieg in der Ukraine war laut einer Studie in den ersten zwölf Monaten für einen Ausstoß von 120 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten verantwortlich. Deutschland stieß allein im Jahr 2022 746 Millionen Tonnen aus, also etwa das Sechsfache.
Laut Klimaforschenden verursachte der Ukraine-Krieg in einem Jahr fast 120 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente
Eine Online-Suche nach so einer Studie oder Rechnung der Universität Heidelberg bringt keine Ergebnisse. Auch Ute Müller-Detert, Pressesprecherin der Universität Heidelberg, schreibt auf Anfrage, ihr sei keine derartige Veröffentlichung bekannt.
Was es gibt: Eine Studie von einem Team rund um den niederländischen Klimaforscher Lennard de Klerk vom Juni 2023. Darin berechneten die Forschenden den ökologischen Fußabdruck des Ukraine-Krieges in den ersten zwölf Monaten. Auch deutsche Medien berichteten über die Studie. Die Arbeit haben die European Climate Foundation und die ukrainische International Renaissance Foundation mit Unterstützung Schwedens finanziert.
Laut der Studie belaufen sich die Treibhausgasemissionen in dem Zeitraum auf insgesamt 119 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente. Damit werden die Auswirkungen verschiedener Treibhausgase, wie Methan und Lachgas, einheitlich gemessen.
Laut der Studie betrifft fast die Hälfte dieser klimaschädlichen Auswirkungen den Wiederaufbau ziviler Infrastruktur, der nach dem Krieg nötig sein wird. Allein der Treibstoffverbrauch der russischen Truppen verursacht 14,1 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente. Bei den ukrainischen Truppen sind es 4,7 Millionen. Auch Brände und Gaslecks der zerstörten Nord-Stream-Pipelines tragen zur Klimabilanz des Kriegs bei. Viele dieser Zahlen beruhen auf Schätzungen, wie die Forschenden in ihrer Studie klarstellen.
Deutschland stieß 2022 746 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente aus – sechsmal so viel wie der Krieg
Die 119 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente sind nur etwa ein Sechstel dessen, was Deutschland in einem einzigen Jahr ausstößt. 2022 waren das laut Umweltbundesamt 746 Millionen Tonnen, davon 666 Millionen Tonnen CO2.
Klimaforscher de Klerk schreibt auf Anfrage von CORRECTIV.Faktencheck, es sei weder realistisch, noch möglich oder denkbar, dass der Ukraine-Krieg in 20 Monaten hunderte Male so viel CO2 ausstoßen könne wie Deutschland in einem Jahr. Die Behauptungen auf Facebook, X und Telegram sind also frei erfunden.
Einen Überblick mit allen Faktenchecks von uns zum Krieg in der Ukraine finden Sie hier.
Redigatur: Max Bernhard, Viktor Marinov
Die wichtigsten, öffentlichen Quellen für diesen Faktencheck:
- Grafik des Umweltbundesamts über die Treibhausgas-Emissionen Deutschlands im Jahr 2022, 15. März 2023: Link (archiviert)
- Studie: „Climate damage caused by Russia’s war“, 1. Juni 2023 auf climatefocus.com: Link (Englisch, archiviert)