Keine Hinweise, dass Amazon seine E-Sprinter durch Dieselfahrzeuge ersetzt
Auf X und Facebook heißt es, der Versandhändler Amazon stelle seine E-Sprinter-Flotte wieder komplett auf Diesel um. Grund dafür sei, dass der Elektroantrieb nicht zum Servicekonzept des Unternehmens passe. Dafür gibt es keine Belege, der Versandhändler bestreitet das.
Tausende Menschen haben auf Facebook und X einen Beitrag des Vereins Bundesverband Verbrennungsmotor vom 3. Dezember 2023 geteilt, demzufolge Amazon seine Sprinter-Flotte wieder komplett auf Diesel umstelle. Der Versandhändler hatte 2019 und 2020 jeweils Bestellungen von hunderttausenden Transporter mit Elektromotor bei den Herstellern Rivian und Mercedes Benz bekanntgegeben. Ein Teil der Fahrzeuge ist bereits in den USA und Europa im Einsatz. Nun heißt es online, der Elektroantrieb passe nicht zum Servicekonzept des Unternehmens.
Doch für diese Behauptung gibt es keinerlei Belege. Amazon schreibt uns, sie sei „absolut falsch“.
Amazon plant keinen Abbau, sondern Ausbau der elektrischen Lieferflotte
Jörg Sand, Vorstand des Verein Bundesverband Verbrennungsmotor, schreibt uns auf Nachfrage, Quelle für die Behauptung sei ein „Mitarbeiter von Amazon“. Andere Belege liefert er nicht. Es habe zudem bisher kein Dementi seitens des Konzerns gegeben, eine Gegendarstellung habe Amazon ebenfalls nicht verlangt, schreibt Sand.
Auf unsere Anfrage dementierte ein Amazon-Sprecher die Behauptung und teilte darüber hinaus mit, dass Amazon in Deutschland über 1000 Elektrolieferfahrzeuge im Einsatz habe. Im Raum München, Berlin und Düsseldorf setze man zudem 300 Elektrofahrzeuge des Herstellers Rivian ein – darüber gab es im Juli 2023 mehrere Medienberichte.
Das Unternehmen habe sich dazu verpflichtet, in all seinen Geschäftsbereichen bis 2040 CO2-neutral zu arbeiten, schreibt uns der Sprecher weiter. Im Oktober 2022 kündigte der Konzern an, „mehr als eine Milliarde Euro in die weitere Elektrifizierung und Dekarbonisierung des eigenen Transportnetzes in Europa [zu] investieren“ und die Flotte aus elektrischen Lieferwagen bis 2025 auf mehr als 10.000 Fahrzeuge auszubauen.
Dafür, dass Amazon seine Sprinter-Flotte auf Dieselfahrzeuge umstellt, konnten wir online keine Hinweise finden.
Über Missstände bei Amazon und den Umgang des Unternehmens mit Kurierunternehmen berichtete CORRECTIV.Lokal in der Vergangenheit ausführlich.
Amazons Rivian-Transporter lassen sich mit einem Führerschein der Klasse B fahren
Sand vom Verein Bundesverband Verbrennungsmotor schreibt uns weiter, die Reichweite der E-Sprinter verringere sich im Winter, daher plane Amazon, sie durch E-Fahrzeuge von Rivian zu ersetzen. Allerdings hätten die Rivian-Transporter ein zulässiges Gesamtgewicht von 4,3 Tonnen. Daher könnten sie von 90 Prozent der Amazon-Lieferanten nicht gefahren werden, weil dafür ein Führerschein benötigt werden, der über den üblichen Klasse B Führerschein hinausgehe. Eine ähnliche Behauptung postete der Verein auch auf Facebook. Dort steht zusätzlich, der Rivian dürfe mit einem solchen Gewicht in viele Innenstädte und Wohngebiete nicht einfahren.
Amazon dementiert den ersten Teil der Behauptung. Die neuen elektrischen Lieferfahrzeuge von Rivian würden die bestehende elektrische Flotte in Deutschland ergänzen und nicht – wie behauptet – ersetzen.
In Europa setzt Amazon laut Medienberichten das Modell EDV-500 von Rivian ein. Zum zulässigen Gesamtgewicht der Transporter gibt es unterschiedliche Angaben, die alle denen des Bundesverbandes widersprechen. In Medienberichten ist von 4,2 Tonnen die Rede. So steht es auch auf der Webseite des Herstellers. Das Kraftfahrt-Bundesamt schickt uns jedoch auf Anfrage ein Verzeichnis, wonach das Modell in Europa in der Klasse N1 zugelassen ist. In die Klasse N1 fallen laut EU-Klassifikation Fahrzeuge zur Güterbeförderung mit einer Höchstmasse von nicht mehr als 3,5 Tonnen. Demnach dürfte der Transporter auch in Innenstädten und Wohngebieten fahren, die für Lkw gesperrt sind.
Weder Rivian noch Amazon antworteten auf unsere Anfrage, wie die unterschiedlichen Angaben zum zulässigen Gesamtgewicht zustande kommen.
Im Hinblick auf die Fahrerlaubnis ist das jedoch ohnehin irrelevant, denn für alternativ angetriebene Fahrzeuge, wie E-Transporter, gilt in Deutschland eine Sonderregelung, da E-Autos durch den Akku schwerer sind als Verbrenner. Vermerkt ist das in der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr. Hier heißt es unter Paragraph 6 Absatz 3b zusammengefasst: Nach zwei Jahren dürfen Inhaber einer Fahrerlaubnis der Klasse B alternativ angetriebene Fahrzeuge für die Güterbeförderung mit einer Gesamtmasse von bis zu 4,25 Tonnen fahren.
Bundesverband Verbrennungsmotor bereits in der Vergangenheit mit Desinformation zu Elektroautos aufgefallen
Im Vorstand des Verein Bundesverband Verbrennungsmotor sind die beiden Motorjournalisten Jörg Sand und Michael Podlogar, die selbst als Motorsportler oder Promoter des Sports tätig sind. Ihre Facebook-Seite hat mehr als 30.000 Follower.
Der Verein verbreitet auf Facebook Beiträge, die den menschengemachten Klimawandel verharmlosen. So teilte er beispielsweise am 30. August 2023 auf Facebook einen alten Zeitungsartikel mit dem Titel „Nach Jahrhundertsommer 1911 immer wieder Hitzeperioden“. Klimawandelverharmloser ziehen ihn heran, um zu belegen, dass es auch früher schon Hitzeperioden gab und es somit nicht außergewöhnlich sei, dass sie auch heutzutage auftreten. Doch hier fehlt Kontext: Weder sind die Angaben in dem Artikel vollständig, noch widersprechen einzelne Hitzeperioden in der Vergangenheit der Tatsache, dass sich Hitzewellen seit mehr als zwei Jahrzehnten in Deutschland häufen, wie wir in diesem Faktencheck erklären. Am 14. März 2023 schrieb der Bundesverband in einem Facebook-Beitrag, dass es keine wissenschaftlichen Beweise für einen Zusammenhang zwischen anthropogenen CO2-Emissionen und dem Klimawandel gäbe. Das stimmt nicht, wie beispielsweise der Weltklimarat (IPCC), ein zwischenstaatlicher Ausschuss, der den wissenschaftlichen Stand der Forschung zum Klimawandel zusammenfasst, in seinem Bericht 2021 schrieb: „Mehrere Beweise zeigen, dass die Geschwindigkeit, mit der CO2 in der Atmosphäre zugenommen hat, zwischen 1900 und 2019 mindestens zehn Mal schneller ist als zu jedem anderen Zeitpunkt in den letzten 800.000 Jahren“ (PDF, Seite 676). Mehr dazu erklären wir in diesem Faktencheck. Der Verein äußerte uns gegenüber, dass es sich seiner Ansicht nach dabei nicht um Klimawandelverharmlosung handele.
Auch macht der Verein Stimmung gegen E-Mobilität und für E-Fuels. Es ist nicht das erste Mal, dass der Verein durch Desinformation auffällt: Im Juni 2022 behauptete er fälschlicherweise nach acht Jahren sei ein Elektroauto null Euro wert, weil die Lebensdauer der Batterie zu Ende sei.
Redigatur: Matthias Bau, Gabriele Scherndl
Update, 20. Dezember 2023: Wir haben die Einordnung, dass der Verein Bundesverband Verbrennungsmotor auf Facebook Beiträge verbreitet, die den Klimawandel verharmlosen, um zwei konkrete Beispiele dafür erweitert.
Update, 21. Dezember 2023: Wir haben ergänzt, dass der Verein Bundesverband Verbrennungsmotor unserer Darstellung widerspricht, dass er auf Facebook Beiträge teilt, die den menschengemachten Klimawandel verharmlosen.