Falscher Kontext: Diese polnischen LKW fahren nicht zu Bauernprotesten in Deutschland
Ein Video von einem lokalen Protest in Stettin, Polen, hat nichts mit den Demonstrationen von Landwirtinnen und Landwirten in Deutschland zu tun.
Unterstützung aus Polen sei unterwegs, heißt es auf Tiktok zu einem Video. Zu sehen ist eine LKW-Kolonne, an manchen Fahrzeugen hängen polnische Flaggen. Angeblich, so wird in Sozialen Netzwerken behauptet, kämen die Lastwagen, um die Bauernproteste in Deutschland zu unterstützen. Bei den Protesten lehnen sich aktuell Landwirtinnen und Landwirte gegen Sparpläne der Bundesregierung auf.
Auf X wird in einem Beitrag der Eindruck erweckt, das Video sei am 7. Januar 2024 aufgenommen worden, in anderen Beiträgen ist die Rede vom 8. Januar. Auf Telegram schreiben manche ohne Datumsangabe schlicht von einer „Unterstützung der Bauernproteste“. Auch Alexander Ehrlich, führender Kopf der Corona-Proteste, teilte das Video mit Bezug auf den 7. Januar, schrieb aber dazu, dass diese Information noch ungesichert sei.
Millionen Nutzerinnen und Nutzer sahen das Video in solchem Kontext. Doch die Behauptung ist falsch. Die Aufnahme stammt vom 22. Dezember 2023 und zeigt einen lokalen Protest in Stettin, einer Stadt im Westen Polens, nah an der Grenze zu Deutschland. Die Demo führte weder nach Deutschland noch hatte sie etwas mit Landwirtschaft zu tun; sie richtete sich gegen ukrainische Transportunternehmen.
Tiktok-Nutzer veröffentlichte das Video schon am 22. Dezember 2023
Auf einigen der Aufnahmen ist das Wasserzeichen eines Tiktok-Accounts mit dem Namen witekx77 zu sehen. Der Nutzer veröffentlichte das Video schon am 22. Dezember 2023 – und am Tag darauf ein weiteres Video desselben Protests, das ebenfalls im falschen Kontext verbreitet wird.
Er markierte die Videos unter anderem mit dem Hashtag #szczecin, das ist die polnische Schreibweise für Stettin. Mit diesen Infos finden sich auf Google polnische Medienberichte über einen Protest des Westpommerschen Straßentransportverbands, der am 22. Dezember stattfand.
Auf der Webseite des Verbandes ist auch die damalige Demo-Route angegeben: Sie führte nicht aus Polen hinaus. Ebenfalls angegeben sind die Forderungen der Protestierenden: Sie richteten sich unter anderem gegen angeblichen unlauteren Wettbewerb durch ukrainische Transportunternehmen. Derartige Proteste gab es zuletzt wochenlang in Polen.
Video wurde in Stettin, Polen aufgenommen und zeigt einen lokalen Protest
Vergleicht man das Video bei Sekunde 17 mit der Demo-Route auf Google Maps, so sieht man in beiden Aufnahmen das Ortsausfahrtsschild von Stettin. Bei Sekunde 26 ist im Video eine markante Brücke zu sehen, die ebenfalls auf Google Maps zu sehen ist.
Auch die Wagenreihung passt zu jener, wie sie auf Fotos in Medienberichten zu sehen ist. Das Video lässt sich also eindeutig der Demonstration am 22. Dezember zuordnen und ist damit älter, als in Sozialen Netzwerken behauptet wird.
Verband gibt an, dass der LKW-Konvoi Polen nicht verlassen habe
All das bestätigt auch der Mann, der das Video auf Tiktok zuerst veröffentlichte. Sein Name ist Piotr Krzyżankiewicz, er ist Vizepräsident des Vorstands des Westpommerschen Straßentransportverbands – also jenes Verbandes, der zur Demo aufgerufen hat. Im Gespräch mit CORRECTIV.Faktencheck sagt er, die LKW hätten bei dem Protest Polen nicht verlassen. Bei der Demo sei es um die polnische Steuerpolitik und die Konkurrenz aus der Ukraine gegangen.
Dass die LKW-Fahrerinnen und -Fahrer des Verbands sich den Bauernprotesten in Deutschland anschließen könnten, wollte er allerdings nicht ausschließen. Zum Stand am Tag des Telefonats gab es laut Krzyżankiewicz zwar Pläne für Gespräche mit Kolleginnen und Kollegen in Deutschland, aber keine für eine Demo-Teilnahme in größerem Stil.
Ob und wie viele Unterstützerinnen und Unterstützer es aktuell aus dem Ausland für die deutschen Bauernproteste gibt, ist unklar. Klar ist jedoch: Auch LKW nehmen daran teil. Speditionen äußern laut Medienberichten unter anderem ihren Unmut darüber, dass im Dezember die LKW-Maut erhöht wurde.
Redigatur: Paulina Thom, Steffen Kutzner