Faktencheck

Terroranschlag bei Moskau: Video zu angeblichem Schuldgeständnis der Ukraine ist gefälscht

In einem Video-Interview soll Oleksiy Danilov, Sekretär des Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrates der Ukraine, zugegeben haben, dass die Ukraine in den Terroranschlag auf die Crocus City Hall bei Moskau verwickelt sei. Das Video ist ein Fake.

von Gabriele Scherndl

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Dieses angebliche Interview ist eine Manipulation: Es wurde aus zwei verschiedenen Aufnahmen montiert, die schon vor dem Anschlag bei Moskau entstanden sind. Die Tonspur von Oleksiy Danilov ist gefälscht. (Quelle: X; Screenshot und Collage: CORRECTIV.Faktencheck)
Behauptung
Der Sekretär des Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrates der Ukraine, Oleksiy Danilov, habe in einem Video-Interview zugegeben, dass der Terroranschlag in der Crocus City Hall bei Moskau von ukrainischer Seite organisiert wurde.
Bewertung
Manipuliert. Das Video-Interview ist eine Montage aus zwei anderen Interviews, die schon vor dem Terroranschlag auf die Konzerthalle am 22. März 2024 veröffentlicht wurden. Die Tonspur ist gefälscht, Danilov spricht im Original nicht über den Anschlag.

Bei dem Terroranschlag am 22. März in der Crocus City Hall, einer Konzerthalle im Moskauer Vorort Krasnogorsk, starben laut Angaben russischen Behörden mehr als hundert Menschen, mehr als 180 wurden verletzt. Nachdem Russlands Präsident Wladimir Putin von einer angeblichen Verwicklung der Ukraine in den Terroranschlag sprach, nannte er später „radikale Islamisten“ als Täter. Zu dem Angriff bekannte sich die dschihadistisch-salafistische Terrororganisation „Islamischer Staat“.

Noch am Tag des Anschlags tauchte in Sozialen Netzwerken ein Video auf, in dem Oleksiy Danilov, Sekretär des Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrates der Ukraine, angeblich gesteht, dass die Ukraine den Terroranschlag organisiert habe. 

Zehntausende sahen das Video auf X und Telegram in deutschsprachigen Beiträgen, es kursiert auch in englischen und russischen Beiträgen – teils ohne den konkreten Zusatz, es sei ein Schuldeingeständnis.

Screenshot eines Beitrags auf X, in dem das Interview geteilt wird.
Dieses angebliche Interview wurde mehrfach in Sozialen Netzwerken geteilt. Es ist allerdings manipuliert. (Quelle: X; Screenshot und Schwärzung: CORRECTIV.Faktencheck)

Audiospur von Oleksiy Danilov manipuliert – Aufnahmen stammen aus zwei verschiedenen Videos

Ein automatisch erstelltes Transkript und dessen Übersetzung zeigt, dass die Untertitel des Videos zur Audiospur passen. Darin ist kein direktes Schuldeingeständnis von Danilov zu hören, da heißt es: „Ist es heute in Moskau lustig? Meiner Meinung nach ist es sehr lustig. Ich würde gerne glauben, dass wir ihnen öfter eine solche Freude bereiten werden, schließlich sind wir ein brüderliches Volk. Aber man muss seinen Verwandten öfter eine Freude machen und sie öfter besuchen. Also, wir werden gehen.“

Doch hat Danilov das tatsächlich gesagt? Eine Bilder-Rückwärtssuche führt zu einem Live-Ticker der BBC vom 22. März 2024. Darin ist ein Screenshot des angeblichen Video-Interviews mit Danilov eingebettet. Die BBC schreibt, das Video sei gefälscht und Danilovs Stimme wahrscheinlich mit Künstlicher Intelligenz generiert. 

Demnach stammt der rechte Ausschnitt, der Danilov zeigt, aus einem Interview, das das ukrainische Medium Pravda am 19. März 2024, also drei Tage vor dem Anschlag, auf Youtube veröffentlichte. Es geht darin laut Videobeschreibung unter anderem um den möglichen Einsatz französischer Truppen in der Ukraine. Die Worte „lustig“ oder „Freude“ kommen laut einer Übersetzung des Transkripts nicht vor, die Audiospur wurde also manipuliert.

Original-Video älter als Terroranschlag in Russland

Danilov sitzt in diesem Interview vor einem Bücherregal, der Hintergrund ist verschwommen. Die Kleidung und Anordnung der Bücher sind identisch mit der Anordnung im Original-Video von Pravda

Der linke Ausschnitt des manipulierten Videos mit dem Moderationsduo stammt laut BBC aus einem Video, das der TV-Sender We Ukraine TV am 16. März 2024 auf Youtube veröffentlichte. Ab Minute 1:48 stimmen die Kopfbewegungen der Moderatorin und des Moderators mit jenen im Fake-Video überein. Interviewpartner ist im Original nicht Danilov, sondern der ukrainische Geheimdienstchef Kyrylo Budanow. Es geht um die Wahlen in den von Russland besetzten Gebieten, die Mitte März stattfanden.

Medien und ukrainische Behörde: Russischer Staatssender HTB verbreitete Fake-Video 

Wer das gefälschte Video wann erstellt hat, lässt sich nicht genau rekonstruieren. Laut mehreren ukrainischen und internationalen Medienberichten und dem ukrainischen Center for Countering Disinformation, einem Gremium des Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrates der Ukraine, veröffentlichte es auch der russische Sender NTV (auf Russisch: HTB). Auf der dortigen Webseite und im Telegram-Kanal des Senders ist das Video allerdings nicht mehr auffindbar. 

Einen Überblick mit allen Faktenchecks von uns zum Krieg in der Ukraine finden Sie hier.

Redigatur: Kimberly Nicolaus, Uschi Jonas

Die wichtigsten, öffentlichen Quellen für diesen Faktencheck:

  • Youtube-Video von Pravda, 19. März 2024: Link (archiviert)
  • Youtube-Video von We Ukraine TV, 16. März 2024: Link
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