Faktencheck

Warnung vor weißem Transporter in mehreren Bundesländern: Polizei sieht keine Gefahr für Kinder

Erneut soll ein Fahrer eines weißen Transporters Kinder angelockt haben, dieses Mal in Baden-Württemberg, Thüringen oder Hessen. Dass besorgte Eltern das Foto des Mannes verbreiteten und es zu Gewaltaufrufen kam, hat jetzt Konsequenzen.

von Steffen Kutzner

White Commercial Delivery Truck isolated on White Background
Weiße Transporter und deren Fahrer werden immer wieder mit Kindesentführungen in Verbindung gebracht (Symbolbild: Alex Varlakov / Zoonar / Picture Alliance)
Behauptung
Der Fahrer eines weißen Transporters habe in verschiedenen Orten – Gernsbach, Ottenau, Schnellmannshausen und Darmstadt – Kinder angelockt.
Bewertung
Falsch. In Gernsbach, Ottenau und Darmstadt ist der Polizei kein solcher Transporter bekannt. In Schnellmannshausen hat der Fahrer laut Polizei ein Kind nach dem Weg gefragt. Es bestand laut Polizei aber keine Gefahr für Kinder.

In Gernsbach und Ottenau (Baden-Württemberg), in Schnellmannshausen (Thüringen) und in Darmstadt (Hessen) soll laut verschiedener Facebook-Beiträge ein weißer Transporter unterwegs sein, aus dem heraus Kinder zum Mitfahren eingeladen werden. Der Transporter und dessen Kennzeichen, wie auch der Fahrer, sind auf dem Foto im Beitrag zu sehen. Suggeriert wird, er könnte beabsichtigen, Kinder zu entführen oder ihnen Gewalt zuzufügen. Das löste in Messenger-Apps aufgeregte Reaktionen aus, darunter auch Gewaltaufrufe gegen den Fahrer. Das hat jetzt Konsequenzen.

Aus diesem weißen Transporter heraus fragte der Fahrer nach dem Weg, worauf sich auf Whatsapp ein wütender Mob formierte und zu Gewalttaten aufrief. Das hat nun Konsequenzen. (Quelle: Facebook; Screenshot und Schwärzungen: CORRECTIV.Faktencheck)

Wir haben die zuständigen Polizeipräsidien aller genannten Orte kontaktiert. Weder in Darmstadt noch in Gernsbach und Ottenau hat man zu dem fraglichen Kennzeichen etwas vorliegen. 

Die Polizei von Gotha bestätigte einen Fall in Schnellmannshausen. Hier habe der Fahrer ein Kind nach dem Weg gefragt. Dass er Fahrer für eine Spedition sei, habe er mit Lieferdokumenten belegen können. „Ein Verdacht auf strafbare Handlungen ergab sich nicht“, schreibt Pressesprecherin Josefine du Maire. Das bestätigt uns auch das Landeskriminalamt Hessen per E-Mail. Man habe den Speditionsfahrer zudem zur Sensibilisierung kontaktiert.

Der Fall verbreitet sich jedoch noch weiter. Auch in Neu-Anspach – eine Autostunde von Darmstadt entfernt – erreichte der Fall die Polizei. Am 24. April 2024 soll es zu einem Vorfall gekommen sein, bei dem der Fahrer eines weißen Mercedes Sprinter Passanten nach dem Weg gefragt habe. Das Foto des Transporters, das aktuell kursiert, wurde dann im Netz verbreitet, verbunden mit der Warnung vor Kindesentführungen. Wegen dieser Anschuldigungen wurde die Polizei in Westhessen aktiv. 

David Ausbüttel, Pressesprecher des Polizeipräsidiums Westhessen, das für Neu-Anspach zuständig ist, betonte uns gegenüber in einer E-Mail allerdings, dass es keinerlei Hinweise gibt, dass der Transporter je in Neu-Anspach gewesen ist. Weder lägen Anzeigen vor, noch wurden nach Kenntnis der Polizei Kinder oder andere Personen angesprochen.

Mann laut Polizei unschuldig – Anzeige gegen Verbreiter des Fotos

In einer Pressemitteilung zu dem Vorfall in Neu-Anspach heißt es (unter Punkt 6): „Orientierungslosigkeit im Straßenverkehr führte am Mittwoch dazu, dass ein Mann in einem Mercedes Sprinter über Whatsapp verfolgt und ihm der Tod gewünscht wurde.“ In den Whatsapp-Gruppen in und um Anspach ging es dann hoch her, wie es in der Pressemitteilung weiter heißt: „So waren die Beiträge mit der Überschrift und dem Aufruf ‚Direkt tot hauen‘ versehen.“ Das sei eine Straftat. Telefonisch erklärte uns Ausbüttel, dass Anzeige wegen des Aufrufens zu Straftaten gestellt wurde.

In der Pressemitteilung heißt es weiter: „Bevor Sie Inhalte verbreiten, prüfen Sie die Quellen und deren Inhalte genau. Im vorliegenden Fall wurde einem Unschuldigen der Tod gewünscht und auch persönliche Informationen veröffentlicht, obwohl die Umstände nicht bekannt waren.“

Dass Fahrer von weißen Transportern es auf Kinder abgesehen hätten, ist eine urbane Legende, die seit über zehn Jahren immer wieder aufgewärmt wird

Redigatur: Max Bernhard, Gabriele Scherndl

Korrektur, 3. Mai 2024: In einer früheren Version des Textes hieß es, dass in Schnellmannshausen kein solcher Vorfall bekannt sei. Das stimmt so nicht. Wir haben die Antwort der zuständigen Polizei ergänzt. Demnach habe der Fahrer dort ein Kind nach dem Weg gefragt, eine Gefahr gab es laut Polizei nicht. Zudem haben wir im Text die Rückmeldung von der Polizei Westhessen zu dem Fall ergänzt.

Update, 7. Mai 2024: Wir haben eine Antwort des Landeskriminalamts Hessen ergänzt.

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