Faktencheck

Warum eine Hochwassermarkierung in Passau den Klimawandel nicht in Frage stellen kann

Eine Hochwassermarkierung aus 1501 soll zeigen, dass wir alle „verarscht“ werden, heißt es auf X. Nicht zum ersten Mal wird so der Klimawandel in Frage gestellt. Wie häufig, greift der Schluss zu kurz.

von Gabriele Scherndl

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In Passau kommt es immer wieder zu Hochwassern. So auch im Juni 2024, wie im Foto zu sehen. Besonders schwere Hochwasser gab es 2013 und 1501. (Quelle: Peter Kneffel / DPA / Picture Alliance)
Behauptung
Eine Hochwassermarkierung in Passau aus dem Jahr 1501 zeige, dass es schon vor hunderten Jahren Hochwasser gab. Der menschengemachte Klimawandel sei also kein Grund für Hochwasser.
Bewertung
Fehlender Kontext
Über diese Bewertung
Fehlender Kontext. Starkregenereignisse und Hochwasser treten auch ohne den Klimawandel auf. Sie werden jedoch laut Forschenden durch den Klimawandel wahrscheinlicher.

„Im Jahre 1501 hat man in Passau offenbar extrem viele Verbrenner, insbesondere Diesel, gefahren. Wie ist es sonst zu erklären, dass es da diese Flut gab?“ heißt es erkennbar ironisch zu einem Foto, das aktuell auf X, Telegram und Facebook kursiert und dort Zehntausende erreicht. 

Zu sehen sind historische Hochwassermarkierungen in Passau: Die ganz oben soll den Wasserstand von 1501 zeigen, knapp darunter ist eine Markierung für das Jahr 2013 zu sehen. Ursprung der Beiträge ist wohl ein Telegram-Account mit dem Namen „Kenjebsen“, der offenbar nichts mit dem Verschwörungserzähler Ken Jebsen zu tun hat. Der Kanal teilte schon häufiger Falschbehauptungen und verbreitet auch diesen Beitrag seit Jahren immer wieder. 

Die Beiträge folgen einem gängigen Narrativ der Klima-Desinformation: Weil es auch früher Extremwetterereignisse gegeben hat, könne der menschengemachte Klimawandel nicht so schlimm oder nicht der Grund dafür sein. Doch dieser Schluss greift zu kurz.

Screenshot eines Telegram-Beitrags. Darin sind Hochwassermarkierungen auf einer Mauer zu sehen, dazu wird der menschengemachte Klimawandel in Frage gestellt.
Nicht zum ersten Mal versuchen Klimawandelleugner, mit Extremwetterereignissen aus der Vergangenheit den menschengemachten Klimawandel zu widerlegen (Quelle: Telegram; Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

Rodung begünstigt Hochwasser – auch schon im Mittelalter

Das Foto stammt aus einem Reiseblog und zeigt tatsächlich eine Hochwassermarkierung in Passau – wobei diese vor einigen Jahren korrigiert wurde, nachdem klar war, dass das Hochwasser von 1501 noch schlimmer war als bisher angenommen. In Passau fließen Donau, Inn und Ilz zusammen. 1501 war ein Donauhochwasser.

Damals fuhren natürlich tatsächlich noch keine Dieselfahrzeuge, dennoch kam es zu heftigen Überflutungen, die ganze Felder versinken ließen. Die Allianz Umweltstiftung schreibt in einem Bericht, der Auslöser sei eine sogenannte Vb-Lage gewesen, also ein sogenannter Tiefdrucktrog über West- und Mitteleuropa, der zu starken Regenfällen führte. 

Welche genaue Rolle der Mensch bei dem Hochwasser spielte, ist unklar. Menschliches Verhalten hat jedoch in vielerlei Hinsicht Einfluss auf das Ausmaß von Hochwassern. So werden sie etwa durch Bodenversiegelung und das Eingreifen in natürliche Flussstrukturen begünstigt. Wie wir hier beschreiben, wurde auch im Mittelalter immer mehr Land als landwirtschaftliche Fläche genutzt. Auf abgeholzten und bewirtschafteten Flächen kann Regen schlechter versickern. Das erhöht den Schaden, den ein Hochwasser anrichten kann. Das gelte besonders auch für den Alpenraum, schreibt das Schweizer National Centre for Climate Services.

Hochwasser werden laut Forschenden durch Klimawandel wahrscheinlicher

Extreme Wetterlagen gibt es laut Fachleuten auch ohne den Klimawandel – sie traten deswegen auch schon früher auf. Laut Deutschem Wetterdienst gibt es bei Starkregen zwar Hinweise darauf, dass er in Deutschland durch die globale Erwärmung häufiger wird, die Zuordnung sei aufgrund natürlicher Schwankungen und zu kurzer Erhebungszeiträume bisher aber nicht eindeutig. Der Zusammenhang zwischen dem Klimawandel und Starkregen sei komplex und Gegenstand intensiver Forschung.

Grundsätzlich gehen Fachleute aber davon aus, dass Starkregen und damit Hochwasser durch den Klimawandel zunehmen werden. Das sei physikalisch bedingt, wie Sebastian Sippel wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Forschungsgruppe Klimaphysik am Institut für Klima und Atmosphäre dem Social Media Center sagte: „Pro ein Grad Celsius Temperaturerhöhung kann die Atmosphäre etwa sieben Prozent mehr Feuchtigkeit aufnehmen. Diese durch Erwärmung zusätzliche Feuchte führt daher in der langfristigen Tendenz zu höheren Niederschlagsmengen, insbesondere bei Starkregen”. 

Auch der Weltklimarat schreibt in einem Bericht 2021: „Die Häufigkeit und Intensität von Starkniederschlagsereignissen hat seit den 1950er Jahren in den meisten Landgebieten zugenommen, für die Beobachtungsdaten für eine Trendanalyse ausreichen (hohes Vertrauen), und der vom Menschen verursachte Klimawandel ist wahrscheinlich die Hauptursache.“ 

Redigatur: Paulina Thom, Matthias Bau

Die wichtigsten, öffentlichen Quellen für diesen Faktencheck:

  • Bayerisches Landesamt für Umwelt: Hochwasserereignisse bis Anfang des 20. Jahrhunderts: Link
  • Umweltbundesamt: Hochwasser – wie sie entstehen und wie der Mensch sie beeinflusst: Link
  • Science Media Center: Bewirkt der Klimawandel die heftigen Regenfälle, 16. Juli 2021: Link
  • Deutscher Wetterdienst und Extremwetterkongress Hamburg: Was wir heute über das Extremwetter in Deutschland wisse, September 2021: Link (PDF, archiviert)
  • Weltklimarat (IPCC): Summary for Policymakers, in: Climate Change 2021: Link (Englisch, PDF, archiviert)