Bundestagswahl 2025

Dieser Fake-Artikel über Friedrich Merz berichtet von einem Gerichtsurteil, das es nie gab

Im Netz kursiert das Bild eines Artikels, wonach eine Frau den CDU-Kanzlerkandidaten Friedrich Merz beleidigt haben soll. Angeblich wurde sie dafür zu einer Geldstrafe von 170.000 Euro verurteilt. Der Artikel ist eine Fälschung.

von Sarah Thust

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Das Foto dieses Artikels über CDU-Spitzenkandidat Friedrich Merz ist eine Fälschung (Quelle: Facebook; Collage: CORRECTIV.Faktencheck)
Behauptung
Die Webseite Report24 habe am 17. Dezember 2024 einen Artikel mit der Überschrift „‚Gefährlicher Kriegstreiber‘ – Frau muss wegen Kritik an Friedrich Merz 170.000€ zahlen“ veröffentlicht.
Bewertung
Manipuliert. Den Artikel gibt es weder auf der Webseite noch in Internetarchiven. Report24 dementiert, den Artikel veröffentlicht zu haben. Über das angebliche Urteil gibt es keine Medienberichte, auch einem Sprecher von Friedrich Merz sei „kein derzeitiger Fall bekannt“.

Ein Bild in Sozialen Netzwerken zeigt eine Schlagzeile über den CDU-Kanzlerkandidaten Friedrich Merz vom 17. Dezember 2024. Behauptet wird, eine Frau habe Merz öffentlich als „gefährlichen Kriegstreiber“ bezeichnet und sei zu einer Geldstrafe von 170.000 Euro verurteilt worden. Tausende Nutzerinnen und Nutzer sahen das Bild – es kursiert dutzendfach auf Facebook und in Telegram-Kanälen.

In dem Bild ist das Logo des Blogs Report24 zu sehen, der in der Vergangenheit mehrfach Falschinformationen verbreitet hat

Doch etwas stimmt nicht an dem Screenshot: Vergrößert man ihn, ist ein Schatten hinter den Textstellen zu sehen (siehe Bild links). Bei einem Bildschirmfoto eines echten Report24-Artikels (siehe Bild rechts) zeichnen sich diese Schatten nicht ab. Das ist ein erster Hinweis auf eine Fälschung.

Links ist das Bild zu sehen, das auf Facebook kursiert, und rechts ein Screenshot eines echten Artikels des Blogs (Quellen: Facebook, Report24; Collage: CORRECTIV.Faktencheck)
Links ist das Bild zu sehen, das auf Facebook kursiert, und rechts ein Screenshot eines echten Artikels des Blogs (Quellen: Facebook, Report24; Collage: CORRECTIV.Faktencheck)

Zudem teilte niemand einen Link zu dem angeblichen Artikel – alle teilten nur das Bild von Überschrift und Vorspann ohne weiteren Kontext. Viele Fragen bleiben unbeantwortet, zum Beispiel, welches Gericht das Urteil gefällt haben und warum die Geldstrafe so hoch sein soll. 

Angeblicher Report24-Artikel über Friedrich Merz ist eine Fälschung

Die Suche nach Berichten im Internet über das angebliche Urteil bleibt erfolglos. Und auch der angebliche Report24-Artikel ist nicht auffindbar: Er ist weder über die Google-Suche noch über den Telegram-Kanal von Report24 zu finden. Einzig das Foto von Friedrich Merz fanden wir auf der Webseite – in einem Artikel vom 18. November 2024.

Auch in Internetarchiven ist keine Spur: Die Deutsche Presse-Agentur (DPA) fand eine Version der Webseite vom 17. Dezember 2024 um 23.29 Uhr deutscher Zeit – der angebliche Artikel ist da nicht zu sehen. Doch knapp zwei Stunden später tauchte er in einem Telegram-Kanal auf, der bereits mehrfach Falschinformationen verbreitet hat. Doch dazu später mehr.

Wir fragten Report24, ob die Redaktion diesen Artikel veröffentlichte. Auf die Anfrage vom 20. Dezember erhielten wir keine Antwort, Report24 veröffentlichte aber zwei Tage später selbst eine Stellungnahme. Darin heißt es: Den Artikel habe es bei Report24 nie gegeben. 

Damit ist klar: Es handelt sich um eine Fälschung. 

Medien berichten in der Regel über Fälle von Beleidigung, üble Nachrede und Verleumdung

Auch das darin erwähnte Gerichtsurteil gibt es nicht. Denn eine Geldstrafe von 170.000 Euro wäre so ungewöhnlich hoch, dass Medienhäuser darüber berichtet hätten. Derartige Artikel existieren jedoch nicht. Zudem teilte ein Sprecher von Friedrich Merz gegenüber der DPA mit, es sei „kein derzeitiger Fall bekannt“.

Verfahren wegen Beleidigung, übler Nachrede oder Verleumdung gegen Personen des politischen Lebens landeten 2024 mehrfach in der Medienberichterstattung. In einigen Fällen verhängte das jeweilige Gericht eine Geldstrafe, die lag aber in der Regel unter 10.000 Euro. In anderen Fällen wurden Urteile aufgehoben

Laut der Frankfurter Allgemeinen Zeitung wurde im August 2024 ein Mann vom Amtsgericht Wiesbaden verurteilt, nachdem er die FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann in zwei X-Kommentaren beleidigt hatte. Seine Geldstrafe wurde auf 45 Tagessätze zu je 85 Euro festgesetzt, also knapp 4.000 Euro. 

Der österreichische Ex-Politiker Gerald Grosz, ehemals bei der FPÖ und BZÖ, musste laut Spiegel 2024 mehr zahlen: Er wurde im April vom Amtsgericht Deggendorf zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu 165 Euro verurteilt, also 14.850 Euro. Er hatte beim politischen Aschermittwoch der AfD laut Gericht den CSU-Chef Markus Söder durch Beleidigungen in die Nähe des nationalsozialistischen Regimes gerückt.

Ob eine Aussage rechtlich gesehen beleidigend ist, hängt laut Fachleuten von der Gesprächssituation ab. „Vor Gericht gilt es, im Einzelfall die Meinungsfreiheit der Kommentierenden gegen die Persönlichkeitsrechte der Kommentierten abzuwägen“, erklärt die Organisation Hate Aid.

Ein Verbreiter des Fake-Artikels teilt häufig pro-russische und rechte Inhalte

Hate Aid überprüfte den Begriff „Kriegstreiber“, der in dem gefälschten Artikel vorkommt,  nach dem Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine 2022 als Narrativ. Dieser sei seit April bei unterschiedlichen Aktionen, darunter Sachbeschädigungen, regelmäßig aufgetaucht. Auf X, damals Twitter, sei er zwischen Februar und Mitte Juni insgesamt rund 18.000 Mal verwendet worden: „Viele derjenigen, die andere als ‚Kriegstreiber‘ beschuldigen, haben in der Vergangenheit Beiträge von Kreml-freundlichen und rechtsradikalen Accounts weiterverbreitet“, heißt es in dem Bericht.

Verfolgt man die aktuelle Fälschung zurück, fällt neben Coronaleugner- und Reichsbürger-Gruppen ein Verbreiter besonders auf: der Telegram-Kanal UNN, der ebenfalls pro-russische und rechte Inhalte verbreitet. Er gehört einem Youtuber aus Österreich, der sich als „Investor, Aktionär, Youtuber und Auswanderer“ bezeichnet und im Impressum aktuell eine Adresse in Nicaragua angibt.

Sein Telegram-Kanal existiert seit September 2021 – anfangs ging es häufig um Impfkritik. Im Januar 2024 schwenkte er auf andere politische Inhalte um: In seiner Kanal-Beschreibung positionierte er sich zwischendurch pro-russisch und mal pro-israelisch. Seine Inhalte werden durch russische Propaganda-Seiten weiterverbreitet und er bewirbt unter anderem regelmäßig zweifelhafte Gesundheitsprodukte, hinter denen eine Firma mit Verbindungen nach Russland steckt. 

Auszug eines Beitrags, in dem der Telegram-Kanal für Prepper-Produkte wirbt, darunter Pfefferpistolen, aber auch zweifelhafte Gesundheitsprodukte wie Waldkraft (Quelle: Telegram; Screenshot und Schwärzung: CORRECTIV.Faktencheck)
Auszug eines Beitrags, in dem der Telegram-Kanal für Prepper-Produkte wirbt, darunter Pfefferpistolen, aber auch zweifelhafte Gesundheitsprodukte wie Waldkraft (Quelle: Telegram; Screenshot und Schwärzung: CORRECTIV.Faktencheck)

Der Fake-Artikel über das angebliche Merz-Urteil ist nicht die erste Fälschung, die der Telegram-Kanal UNN verbreitet: Zur Landtagswahl in Brandenburg im September 2024 teilte der Kanal einen Kettenbrief, in dem ohne Belege behauptet wurde, es habe Wahlbetrug im Landkreis Prignitz gegeben. Und: Ende November verlinkte der Kanal eine gefälschte Webseite, die eine Rekrutierungsseite der Bundeswehr zu einer angeblich anstehenden Wehrpflicht imitierte und anfangs in pro-russischen Kanälen viral ging.

Alle Faktenchecks rund um die Bundestagswahl 2025 lesen Sie hier.

Redigatur: Steffen Kutzner, Gabriele Scherndl

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