Bundestagswahl 2025

Für Russland gearbeitet? Was hinter diesem Fake über FDP-Politiker Marcus Faber steckt

Vor der Bundestagswahl hat es eine russische Desinformationskampagne auf deutsche Politikerinnen und Politiker abgesehen. Ein Fake zu Marcus Faber von der FDP zeigt, woran sie zu erkennen ist.

von Sarah Thust , Max Bernhard , Alexej Hock

Im November kursiert ein KI-Fake über einen deutschen Politiker_502439255
Einen Tag vor dem Aus der Ampelkoalition 2024 versucht eine Desinformationskampagne, einen Bundespolitiker im Internet zu diskreditieren (Symbolbild: Jochen Eckel / Picture Alliance)
Behauptung
In einem Video werde FDP-Politiker Marcus Faber von seinem Ex-Parteifreund Christian Blume als Doppelagent Putins bezeichnet. Darüber habe auch die Webseite „Andere Meinung“ berichtet.
Bewertung
Manipuliert. Das Video wurde laut Fachleuten mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit mithilfe von KI erstellt. Bei der Webseite „Andere Meinung“ handelt es sich um keine seriöse Quelle, sie wurde bereits gelöscht und ist Teil einer russischen Desinformationskampagne. Auch Faber selbst spricht von einem Fake.

Eine ungelenke Desinformationskampagne hat am 5. November 2024 – einen Tag vor dem Aus der Ampelkoalition – versucht Marcus Faber zu diskreditieren. Faber ist FDP-Politiker und Vorsitzender des Verteidigungsausschusses des Deutschen Bundestages.

„Marcus Faber (…) ist in Wahrheit ein Doppelagent Putins und schadet so unserem Land“, sagt ein Mann in die Kamera. Seine Haltung wirkt steif, seine Mundbewegungen teilweise unnatürlich und verwaschen. Beiträge mit dem Video auf X, Tiktok, Facebook und Telegram verlinken dazu teils auf eine dubiose Webseite. Was steckt dahinter?

Tweet von „Linda Bergmann“: Arbeitet Verteidigungsausschuss-Chef Faber für Russland? Dazu ein Link zur Webseite Andere Meinung.
Ein X-Profil hat den Link zur Fake-Webseite sehr früh verbreitet – hier ohne das Video, aber mit einem Foto von Marcus Faber und dem russischen Präsidenten Putin (Quelle: X; Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

Deepfake-Video: Angeblicher Zeugenbericht wurde mit Künstlicher Intelligenz erstellt

Zunächst ein Blick auf die Details im Video: Der Mann soll angeblich Christian Blume sein, ehemals Referent für Verteidigungspolitik im Büro des Bundestagsabgeordneten Marcus Faber. Der echte Christian Blume sieht auf Fotos allerdings anders aus.

Das Erkennungstool Hive gibt eine hohe Wahrscheinlichkeit für den Einsatz von KI an. Darum baten wir das Unternehmen Neuraforge, das sich auf das Erkennen solcher Manipulationen spezialisiert hat, um eine weitere Analyse: Diese ergab: Das Video zeigt besonders Anomalien im Bereich des Gesichtes, es wurde also zumindest in Teilen mithilfe von Künstlicher Intelligenz verändert. Es handelt sich laut Neuraforge „mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit um einen Deepfake“. Demnach wurde das Video mutmaßlich durch einen sogenannten Face Swap verfälscht, dabei wird über eine Aufnahme einer Person ein neues Gesicht eingefügt.

Die KI-Analyse zeigt roter Flächen im Gesicht des angeblichen Zeugen, sogenannte technische Artefakte
Bildvergleich: Auszug aus der KI-Analyse von Neuraforge – die roten Flächen zeigen sogenannte technische Artefakte an, die auf den Einsatz von KI hindeuten (Quelle: Neuraforge; Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

Website mit Fake-Video ist Teil einer russischen Einflussoperation

Das manipulierte Video stammt von einer Webseite namens „Andere Meinung“. Sie wurde erst zwei Wochen, bevor der Fake online ging, registriert und ist nicht mehr online. Es gibt auch keine archivierte Fassung im Internetarchiv

Screenshots und eine Kopie des Artikels finden sich aber auf anderen Seiten. In der Überschrift wird die Frage aufgeworfen, ob Faber für Russland arbeite, ein Video sei aufgetaucht. Beiträge dazu auf X erreichen zusammen Millionen Ansichten, doch nur wenige Nutzer reagieren wirklich oder verbreiten sie weiter. Das legt nahe, dass die Zahlen künstlich erhöht wurden. Einen Tag später wird das Aus der Ampelkoalition verkündet – der Faber-Fake geht nie viral. 

Tweet von „Alena Dirksen“: Arbeitet Verteidigungsausschuss-Chef Faber für Russland? Dazu ein Screenshot der Webseite Andere Meinung.
In Sozialen Netzwerken verbreitet eine Gruppe von Profilen ein Bild des Artikels, das Video oder den Link (Quelle: X; Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

Wie wir in diesem Text beschreiben, steckt dahinter eine russische Einflussoperation namens „Storm-1516“. Bots und pro-russische Influencer streuen das Video oder den Artikel wiederholt in Kommentaren auf X und in Telegram-Gruppen – so auch am 5. November im Fall Faber. Sehr früh kam dabei auch der Account „Linda Bergmann“ zum Einsatz, der bereits im US-Wahlkampf „Storm-1516“-Seiten geteilt hat. Und es fiel auf, dass die Accounts ihre Beiträge manchmal gegenseitig kommentierten

Die Accounts „Alena Dirksen“, „Jovica Jovic“ und „Jens Menke“ kommentieren sich hier gegenseitig.
Es sind immer wieder dieselben Profile auf X, die Falschmeldungen wie die zum Fall Faber verbreiten (Quelle: X; Screenshot: CORRECTIV)

Der FDP-Politiker ist in Deutschland als Ukraine-Unterstützer bekannt und Mitglied im Verteidigungsausschuss des Bundestages, er kandidiert auch als Spitzenkandidat in Sachsen-Anhalt zur Bundestagswahl. Als wir ihn über unsere Recherche informierten, kannte er das Video nicht. Er sagte dazu am Telefon: „Dieser Fake ist an Lächerlichkeit nicht zu Überbieten.“ Er hätte der russischen Propaganda „mehr Raffinesse zugetraut“.

Wie funktioniert das Prinzip „Storm-1516“?

Mit der Diskreditierung einzelner Politiker und dem Verbreiten falscher Informationen versuchen pro-russische Akteure die Bundestagswahl zu beeinflussen. Fakes, die der Desinformationskampagne „Storm-1516“ zugeordnet werden können, erreichen in der Regel mehr Nutzer als bisher in Deutschland beobachtete ähnliche pro-russische Kampagnen, wie Doppelgänger oder Matroschka. Das Prinzip dahinter: Falschbehauptungen werden unter dem Deckmantel vermeintlicher Nachrichtenartikel in die Welt gesetzt, um die Glaubwürdigkeit zu erhöhen und dann von Profilen mit teils hoher Reichweite verbreitet. Konkret sieht das bei „Storm-1516“ wie folgt aus: 

Schritt 1: Website mit normalen und erfundenen Inhalten erstellen, dabei kommt auch KI zum Einsatz. 

Schritt 2: Dazu passende gefälschte Beweise bringen Glaubwürdigkeit (zum Beispiel künstlich erstellte Deepfake-Videos oder bezahlte Artikel).

Schritt 3: Influencer und Bots mit Reichweite unterstützen bei der Verbreitung.

Die Kampagne nimmt vor der Bundestagswahl mehrere Politikerinnen und Politiker ins Visier

Zuvor attackierte Storm-1516 bereits Außenministerin Annalena Baerbock und Wirtschaftsminister Robert Habeck von den Grünen. Auch in diesen Fällen wurden gefälschte Medienberichte und Videos von angeblichen Zeugen in Sozialen Netzwerken verbreitet. Das Netzwerk teilt aber auch Desinformation über andere Themen

Russland setzt auf solche Einflusskampagnen, um seine politischen Ziele in Deutschland und anderen Ländern durchzusetzen, wie CORRECTIV schon berichtete. Wie erfolgreich der Kreml dabei ist, lässt sich schwer abschätzen.

Alle Faktenchecks zur Bundestagswahl 2025 finden Sie hier.

Mitarbeit: Till Eckert, Max Donheiser
Redigatur: Max Bernhard, Gabriele Scherndl

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