Bundestagswahl 2025: Wie muss eine Wahlurne verschlossen sein?
Hartnäckig hält sich die Falschbehauptung, Wahlurnen müssten versiegelt sein. Zur Bundestagswahl 2025 kursierten Bilder von angeblich falsch verschlossenen Urnen in Nordrhein-Westfalen. Doch Wahlurnen brauchen nicht zwingend ein Siegel.
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Während der Bundestagswahl 2025 hat „Anonymousnews“ immer wieder Falschbehauptungen über angeblichen Wahlbetrug verbreitet. Darunter ein Fake-Video von gefälschten Stimmzetteln oder Bilder von angeblich ungeeigneten Wahlurnen. Am Wahltag selbst verbreitete die Gruppe auf X, VK und Telegram Behauptungen, Wahlurnen in Mönchengladbach und im Münsterland seien unbeschriftet, unversiegelt oder nicht abgeschlossen gewesen. Das sei Wahlbetrug, heißt es. Die Beiträge wurden hunderte Male geteilt.
Berichte von angeblich beschädigten, unverschlossenen oder ungeeigneten Wahlurnen tauchen in Sozialen Netzwerken zu jeder Wahl auf und sollen Verunsicherung stiften. Hinter den irreführenden und falschen Behauptungen können rechtsextreme oder ausländische Akteure stecken.

Mit den Aktivistinnen und Aktivisten des Web-Kollektivs Anonymous, das für ein freies Internet kämpft, hat „Anonymousnews“ nichts zu tun. Hinter dem Namen steckt laut Medienberichten ein rechtsextremes Medienprojekt, das mehrere Webseiten und Kanäle in Sozialen Netzwerken betreibt. Zur Bundestagswahl agierte Anonymousnews in der Regel nicht als Urheber, sondern verlieh Falschbehauptungen von anderen Nutzern mehr Reichweite.
Fotos aus Mönchengladbach zeigen Wahlurnen mit Schloss – sie müssen nicht versiegelt sein
So auch bei den Fotos der Wahlurnen. Die Aufnahmen aus Mönchengladbach teilte als Erstes ein nach eigenen Angaben „auf Impfschäden“ spezialisierter Rechtsanwalt und Direktkandidat der Partei Die Basis Düsseldorf. Er berichtete auf X am Wahltag, er habe sich in vier Wahlbezirken in Mönchengladbach mehrere Wahllokale angesehen. Seinen Beitrag löschte er wieder, auf unsere Nachfrage dazu antwortete er nicht – bei Anonymousnews ist der Beitrag weiterhin online (Stand: 28. Februar). Darin heißt es, keine Urne hätte eine Beschriftung gehabt, keine sei versiegelt gewesen und die Menschen vor Ort hätten den Schlüssel zu den Urnen gehabt.
Wie auf allen Bildern aus Mönchengladbach zu sehen ist, sind die Urnen mit einem Vorhängeschloss verschlossen – das reicht aus. Denn: Wahlurnen müssen laut Angaben der Bundeswahlleiterin nicht versiegelt sein, es braucht auch nicht zwingend ein Vorhängeschloss oder eine Verplombung.

Paragraf 51 der Bundeswahlordnung regelt die Maße der Wahlurne und legt fest, dass sie einen Deckel und einen Spalt für die Stimmzettel haben muss, der nicht weiter als zwei Zentimeter sein darf. Sie muss zudem verschließbar sein: „Es muss irgendeine Art Verschlussmöglichkeit vorliegen, die eine durchgehende Verbindung von Urnengehäuse und Deckel bis zum Schluss der Wahlhandlung darstellt/sichtbar macht“, schrieb uns Susanne Hillen, Sprecherin der Bundeswahlleiterin, für einen früheren Faktencheck. Das Mindeste sei aber ein Klebestreifen oder eine Schnur mit Siegel. Die Art und Beschaffenheit von Siegeln, Schlössern oder ähnlichem ist laut Hillen deswegen nicht festgelegt, weil es „immer wieder neue Materialien/Techniken zum Verschließen gibt.“
Eine Beschriftung der Urne ist nur unter Umständen erforderlich
Davon, dass Urnen beschriftet sein müssten, steht nichts in der Bundeswahlordnung oder dem Bundeswahlgesetz. Auf Nachfrage schreibt uns Susanne Hillen zu den neuen Behauptungen, bei der Ausgestaltung der Wahlurnen könne es zu regionalen Unterschieden kommen – die Gemeindebehörde sorge für die Wahlurnen. Wenn parallel zur Bundestagswahl in einer Gemeinde andere Wahlen stattfinden würden, könnten die Urnen durch Kennzeichnungen oder Verwendung eines anderen Materials voneinander unterscheidbar gemacht werden. In Mönchengladbach war das aber nicht der Fall, wie ein Blick auf die Webseite der Stadt zeigt.
Hillen stellt klar: Solange die Wahl noch läuft, ist kein Wahlvorstandsmitglied mit den Wahlunterlagen oder der Wahlurne allein. Der Wahlvorstand bestehe aus sieben bis neun Personen, die sich gegenseitig kontrollieren und die zur unparteiischen Wahrnehmung ihres Amtes verpflichtet sind. Damit sei eine Manipulation durch Einzelne ausgeschlossen. Die Mitglieder des Wahlvorstands müssten auch für die sichere Verwahrung der Schlüssel für die Urnen sorgen.
Hat sich der Wahlvorstand vor Beginn der Stimmabgabe überzeugt, dass die Wahlurne leer ist, verschließt der Wahlvorsteher die Wahlurne. „Sie darf bis zum Schluss der Wahlhandlung nicht mehr geöffnet werden“, schreibt Hillen.
Foto aus dem Münsterland ist kein Beleg für Wahlbetrug
Zum zweiten angeblichen Wahlbetrugs-Fall im Münsterland teilt Anonymousnews ein Foto, das offenbar aus einer Telegram-Chatgruppe stammt. Dazu heißt es, im Wahlbezirk 2 in Sendenhorst in Nordrhein-Westfalen habe es unversiegelte und nicht abgeschlossene Urnen gegeben. Das Foto zeigt eine Seite des Deckels einer Wahlurne, an dem ein Vorhängeschloss hängt und ein scheinbar aufgebrochenes, nicht mehr intaktes Siegel.
Unabhängig davon, dass Wahlurnen nicht versiegelt sein müssen, ist das Foto allein kein Beleg, dass der Deckel nicht verschlossen war. Zum einen hängt daran ein Schloss, zum anderen ist durch den Bildausschnitt nicht zu erkennen, ob die Wahlurne zusätzlich an anderer Stelle verschlossen war.

Katrin Reuscher, Bürgermeisterin von Sendenhorst, teilte uns telefonisch am 27. Februar mit: Nichts deute darauf hin, dass die Urne nicht ordnungsgemäß verschlossen gewesen sei. Das nicht mehr intakte Siegel stamme wahrscheinlich von einer früheren Wahl, dies werde aktuell noch geprüft. Auch die Sprecherin der Bundeswahlleiterin sieht auf dem Foto keine Anhaltspunkte für eine unsachgemäße Handhabung. „Es scheint hierbei ein Schloss an der Urne angebracht zu sein, das verschlossen ist, jedoch lediglich auf dem Deckel aufliegt.“
In Bezug auf die Bundestagswahl 2025 schrieb uns die Bundeswahlleiterin am 25. Februar, dass bisher keine Anhaltspunkte für einen versuchten Wahlbetrug vorlägen.
Alle Faktenchecks rund um die Bundestagswahl 2025 lesen Sie hier.
Redigatur: Paulina Thom, Gabriele Scherndl