Faktencheck

Blue Origin: Wie viel CO2 verursachte Katy Perrys Weltraumflug?

Blue Origin schickte Mitte April die Popsängerin Katy Perry und fünf weitere Frauen ins All. Im Anschluss verbreiten sich Behauptungen zum CO2-Fußabdruck der „New Shepard“-Rakete, auch Ricarda Lang teilte eine solche. Was über die Umweltauswirkungen des Weltraum-Ausflugs bekannt ist.

von Max Bernhard

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Am 14. April 2025 flogen Katy Perry, Jeff Bezos’ Verlobte Lauren Sánchez und vier weitere Frauen an Bord einer Blue-Origin-Rakete für rund zehn Minuten ins All. Wie viel CO2 wurde dabei verursacht? (Quelle: Blue Origin)
Behauptung
Katy Perry habe mit ihrem Flug ins All in zehn Minuten mehr CO2-Emissionen verursacht als ein durchschnittlicher Mensch in seinem ganzen Leben.
Bewertung
Größtenteils falsch
Über diese Bewertung
Größtenteils falsch. Während des Fluges selbst wird kein CO2 verursacht, dennoch ist der Raketenstart klimaschädlich. Doch auch, wenn indirekte Emissionen miteinbezogen werden, kann laut verschiedenen Schätzungen kein CO2-Ausstoß erreicht werden, der dem eines durchschnittlichen Menschen über sein ganzes Leben gleichkommt. Genau berechnen lässt sich der Fußabdruck des Fluges nicht, weil Blue Origin die entsprechenden Daten nicht öffentlich macht. Die Behauptung, die sich aktuell verbreitet, passt zu einem Bericht, der sich jedoch nicht auf den „durchschnittlichen Menschen“ bezieht.

Mitte April flogen mit dem Raumfahrtunternehmen von Amazon-Gründer Jeff Bezos, Blue Origin, sechs Frauen ins All. Rund zehn Minuten dauerte der Flug am 14. April, an dem neben Popsängerin Katy Perry auch Bezos’ Verlobte Lauren Sánchez teilnahmen.

An der Aktion gab es viel Kritik – unter anderem wegen den enormen Kosten. Wie viel der Flug genau kostet, ist unbekannt, aber für die Reservierung verlangt Blue Origin 150.000 US-Dollar. Und auch die Umweltauswirkungen des Weltraumtourismus standen im Fokus: Auf X schreibt die Grünen-Politikerin Ricarda Lang, Katy Perry, habe mit dem Flug mehr CO2 ausgestoßen, „als ein durchschnittlicher Mensch in seinem ganzen Leben“. Auch andere verbreiteten die Behauptung in verschiedenen Sprachen.

Unsere Recherche zeigt: Langs Aussage stimmt so nicht.

Die Grünen-Politikerin Ricarda Lang behauptete in einem X-Beitrag, dass Katy Perry mit ihrem Ausflug ins All in zehn Minuten mehr CO2 verursacht hat, als ein durchschnittlicher Mensch während des ganzen Lebens. Das stimmt so nicht. (Quelle: X; Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

CO2-Fußabdruck eines Menschen: Globaler Durchschnitt liegt weit unter dem westlicher Länder 

Wir haben Lang nach der Quelle für ihre Behauptung gefragt. Bis Redaktionsschluss antwortete sie nicht.

Denkbar ist, dass sich Lang auf eine Angabe aus dem „Bericht zur weltweiten Ungleichheit“ von 2022 des World Inequality Lab bezog. Darin heißt es in Kapitel 6: „Das vielleicht deutlichste Beispiel für die extreme Umweltverschmutzung im Zusammenhang mit der ungleichen Verteilung des Wohlstands in den letzten Jahren ist die Entwicklung der Raumfahrt.“ Ein elfminütiger Flug ins All verursache „nicht weniger als 75 Tonnen CO2 pro Passagier, wenn man die indirekten Emissionen mit einbezieht“.

Am anderen Ende der Vermögensverteilung gebe es etwa eine Milliarde Menschen auf der Welt, die im Laufe ihres Lebens weniger als 75 Tonnen CO2 pro Person ausstoßen würden. Es geht bei der Aussage also nicht um den durchschnittlichen CO2-Ausstoß pro Person weltweit.

Schon 2022 wurde die Rechnung aus dem Ungleichheits-Bericht falsch verstanden, wie die Associated Press damals in einem Faktencheck berichtete.

Zum Vergleich: Laut Statista lagen die durchschnittlichen weltweiten jährlichen CO2-Emissionen pro Person im Jahr 2022, dem aktuellsten verfügbaren Datensatz, bei 4,7 Tonnen – er liegt seit den 1970ern bei über 4 Tonnen jährlich. Im Jahr 2022 lag die globale Lebenserwartung bei 71,7 Jahren. Anhand dieser Werte würde sich also für den gesamten Lebenszeitraum ein CO2-Ausstoß von 337 Tonnen CO2 ergeben. In Industrieländern wie Deutschland liegt der CO2-Fußabdruck deutlich höher: Hierzulande waren es laut Umweltbundesamt Anfang 2025 10,3 Tonnen pro Person pro Jahr und damit, bei einer Lebenserwartung von 81,2 Jahren, rund 836 Tonnen über den gesamten Lebenszeitraum.

Wir haben mehrere Expertinnen und Experten gebeten, die Zahlen einzuordnen.

Wasser und Stickstoffoxide: Diese Emissionen entstehen während des Flugs von Blue Origins „New Shepard“

Wie eine Community Note unter Langs Beitrag und einzelne Beiträge und Kommentare richtig anmerken, stößt die Rakete, mit der Katy Perry ins All flog, kein CO2 aus. Blue Origins „New Shepard“ verwendet das Triebwerk BE-3PM welches mit flüssigem Wasser- und Sauerstoff angetrieben wird. Laut Blue Origin wird dabei nur Wasserdampf ausgestoßen.

Das stimmt grundsätzlich, wie uns mehrere Expertinnen bestätigten. Eloïse Marais, Atmosphärenchemikerin und Professorin am University College London, erklärte uns auf Nachfrage: „Die Rakete von Blue Origin […] wird mit flüssigem Wasserstoff betrieben, enthält also keinen Kohlenstoff und kann daher weder CO2 noch Rußpartikel […] ausstoßen.“

Dabei fällt aber ein Nebenprodukt an, das Blue Origin auf seiner Webseite nicht erwähnt: Bei der Verbrennungsreaktion zwischen Wasserstoff und Sauerstoff würden auch Stickstoffoxide freigesetzt, so Marais.

Auch Wasserdampf ist ein Treibhausgas – und greift womöglich zusammen mit Stickstoffoxiden die Ozonschicht an   

Wasserstoff und Stickstoffoxide sind nicht unbedenklich. Beide  können „das Ozon in der Stratosphäre wegreagieren und so die Ozonschicht, die uns vor schädlicher UV-Strahlung schützt, möglicherweise ausdünnen“, schreibt Marais. Auch weitere Auswirkungen, wie die Bildung von Wolken durch den ausgestoßenen Wasserdampf in der Mesosphäre, könnten das Klima beeinflussen. Denn Wasserdampf ist eines der stärksten Treibhausgase, so Marais.

„Der Gesamteffekt ist im Vergleich zu anderen erdgebundenen Verschmutzungsquellen und Flugzeugen gering, aber wenn der Weltraum ,für alle offen‘ wird […], dann wird dieser relativ bescheidene Effekt unweigerlich Ausmaße annehmen, die uns und unserer Umwelt schaden können,“ schreibt sie uns.

Auch Chiara Manfletti, Leiterin des Lehrstuhls für Raumfahrtantriebe und Mobilität an der Technischen Universität München, verweist auf den möglichen Einfluss auf die Ozonschicht.  Sie nennt eine Studie der US-Raumfahrtbehörde Nasa von 2024 zu Auswirkungen der Raumfahrt auf die Erdatmosphäre. Darin warnen die Autoren, dass die Nutzlast der Weltraumflüge bis 2040 um das etwa Achtfache zunehmen werde, wodurch auch mehr Treibstoff verbrannt werde. Über die Auswirkungen sei jedoch noch wenig bekannt.

Soviel CO2 könnte durch die Herstellung des Treibstoffs für den „New Shepard“-Flug verursacht worden sein

Ein New-Shepard-Flug erzeugt also während des Fluges kein CO2 – sehr wohl aber davor. Wasser- und Sauerstoff müssen erst hergestellt und dann abgekühlt und komprimiert werden, schreibt uns Nathalie Job, Professorin für Chemieingenieurwesen an der Universität Lüttich. Das erfordert Energie.

Blue Origin macht keine Angaben dazu, wie viel CO2 bei der Herstellung des Treibstoffs freigesetzt wird oder wie viel Treibstoff für einen Flug benötigt wird. Das Unternehmen antwortete auch nicht auf eine Nachfrage von CORRECTIV.Faktencheck zur CO2-Bilanz des Treibstoffs und der Rakete oder dazu, mit welcher Methode der verwendete Wasserstoff hergestellt wurde.

Die gängigste Herstellungsmethode für Wasserstoff ist derzeit die Dampfreformierung. Dabei wird unter anderem aus Erdgas eine Mischung aus Kohlenstoffmonoxid und Wasserstoff hergestellt. Bei der Erzeugung werden hohe Mengen CO2 freigesetzt. Diese Technologie wird auch in Texas, wo laut Job der Wasserstoff von Blue Origin vermutlich herkommt, eingesetzt.

Annahmen über Treibstoffverbrauch CO2-Belastung gehen auseinander

Zwei Faktoren sind für die Berechnung des CO2-Ausstoßes also wichtig: Die Menge des Treibstoffs, den die Rakete braucht, und das CO2, das für die Herstellung dieses Treibstoffes anfällt.

Erst zum CO2, das anfällt. Job rechnet vor: Je nachdem, wie effizient die Herstellung ist, werden für jede Tonne flüssigen Wasserstoff sieben bis neun Tonnen CO2 verursacht. Hinzu komme rund eine Tonne CO2 pro produzierter Tonne Wasserstoff für die Kühlung und Verdichtung. Das meiste CO2, das so freigesetzt werde, entweiche in die Atmosphäre. Die Seite „Treehugger“ hingegen geht davon aus, dass jede Tonne Wasserstoff das 14-fache an CO2 produziert.

Auch, was die Treibstoffmenge angeht, gehen die Annahmen auseinander.

Job verweist hierbei auf Angaben von Treehugger, warnt jedoch, dass ihr keine absolut verlässliche Quelle bekannt sei. Die Autoren dort gehen davon aus, dass ein Raketenflug von „New Shepard“ 24 Tonnen Treibstoff brauche, davon 4,4 Tonnen Wasserstoff. Mit ihrer eigenen Effizienz-Formel kommen sie auf 61 Tonnen CO2 pro Flug. Unter Berücksichtigung des verwendeten Sauerstoffs (31,6 Tonnen CO2) kommen die Autoren in Summe auf 93 Tonnen. Gerechnet mit den günstigeren Annahmen von Job würde sich ein Wert von 35 Tonnen CO2 für den verwendeten Wasserstoff ergeben, plus die von Treehugger angenommenen 31,6 Tonnen CO2 für die Produktion des Sauerstoffs.

Der Astrophysiker Jonathan McDowell vom Harvard-Smithsonian Zentrum für Astrophysik schreibt auf Anfrage, eine „vernünftige“ Annahme seien sechs bis acht Tonnen Wasserstoff pro Flug. Gerechnet mit sechs Tonnen Wasserstoff ergibt sich bei den von Job angenommenen acht Tonnen CO2 pro Tonnen Wasserstoff ein Ausstoß von 48 Tonnen CO2. Gerechnet mit dem ungünstigeren Verhältnis von „Treehugger“ wären es bis zu 112 Tonnen. Inklusive dem von Treehugger angenommenen CO2-Ausstoß für den verwendeten Sauerstoff würden sich so 143,6 Tonnen CO2 ergeben.

Pro Person – und damit für Katy Perry – käme je nach Rechnung also maximal ein Wert von 23,9 Tonnen CO2 für den Weltraumflug heraus. Das ist deutlich weniger als die hunderten Tonnen CO2, die ein durchschnittlicher Mensch im Leben produziert.

Redigatur: Steffen Kutzner, Gabriele Scherndl

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