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Kalauer oder Täuschung?

Die Staatsanwaltschaft Wiesbaden ermittelt wegen gefälschter Briefe zu angeblichen Stimmenschätzungen. Vermeintlicher Absender ist der Bundeswahlleiter. Bislang sind allerdings nur eine handvoll Schreiben in Rheinland-Pfalz und Niedersachsen aufgetaucht.

von Pauline Schinkels

Einige werden sicher gelacht haben. Anderen dürfte das Lachen im Halse stecken geblieben sein. Letzteres trifft zumindest auf Dieter Sarreither zu, Präsident des Statistischen Bundesamtes und Bundeswahlleiter. Anfang September wurden in dessen Namen wohl Briefe verschickt. Deren Inhalt ist durchaus pikant. In dem Schreiben teilt er den Adressaten mit, ihre Wahlentscheidung sei geschätzt worden. Mit dem Ergebnis: Sie wählen entweder das „Bündnis Grundeinkommen“ oder die „Die Partei bibeltreuer Christen“.

Zwischen Satire und düsterer Science-Fiction-Version?

Interessant ist, wie die vermeintliche Wahlentscheidung vorweg ermittelt wurde. Das Statistische Bundesamt, heißt es in dem Schreiben, haben das Verhalten der Adressaten über ein Jahr in sozialen Netzwerken ausgewertet: Darunter etwa Kommentare und Likes. Oder die Interessen von Freunden. Oder die zugeschnittenen Microtargeting-Kampagnen in sozialen Netzwerken. „Demnach werden Sie die Partei `Bündnis Grundeinkommen`wählen“, heißt in einem Schreiben, das unter anderem die „Leipziger Volkszeitung“ in Auszügen veröffentlichte. Sollte diese Schätzung tatsächlich dem Wahlwunsch des Bürgers entsprechen, müsse er am Sonntag nicht mehr erscheinen. Seine Stimme werde automatisch gezählt.

Keine Fake-Schwemme

Bisher tauchte der Brief in Rheinland-Pfalz und Niedersachsen auf. Wie viele Haushalte Post erhalten haben, ist zurzeit nicht bekannt. Die Adressaten wurden allem Anschein nach im Schreiben persönlich angesprochen, das laut Datum am 1. September verfasst worden ist. Die Tonalität gleicht einem normalen Brief.

Besonders viele Briefe dürften es bisher nicht sein, die im Umlauf sind. Vier bis fünf Schreiben wurden, laut einem Sprecher der Behörde, dem Bundeswahlleiter übermittelt. Bei den jeweils zuständigen Landeswahlleiter in Rheinland-Pfalz und Niedersachsen haben sich noch keine betroffenen Bürgern gemeldet.

Der vermeintliche Scherz ging nach hinten los

Der Bundeswahlleiter hat inzwischen Strafanzeige gegen Unbekannt wegen gefälschter Aufrufe zum Nichtwählen gestellt. Die Staatsanwaltschaft Wiesbaden ermittelt wegen des Verdachts der Urkundenfälschung und der Wählertäuschung, sagte ein Sprecher der Behörde dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND), zu dem auch die „Leipziger Volkszeitung“ gehört. Bei Wählertäuschung droht eine Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren, bei Urkundenfälschung von bis zu fünf Jahren.

Vorwurf Wahlbetrug

Dass Sarreither so rasch durchgreift, überrascht nicht. Insbesondere die AfD hat bereits öfter beklagt, dass sie während der Wahl Manipulationen zu ihren Ungunsten erwarte. Die Rechtspopulisten haben ihre Anhänger mehrfach dazu aufgerufen, die Bundestagswahl für sie zu beobachten. Zuletzt war die Partei mit der Forderung gescheitert, die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen komplett neu auszählen zu lassen. 

Aufruf zum Nichtwählen?

Kanzleramtschef Peter Altmeier hatte diese Woche für Wirbel gesorgt, nach dem er die Frage bejaht hatte, ob es besser sei, nicht zu wählen anstatt die AfD zu wählen. Sowohl der CDUler als auch die vermeintlich alternativlose Fragestellung der „Bild“-Journalisten waren im Nachhinein kritisiert worden. 

Zuvor Fake in NRW aufgetaucht

Es ist nicht das erste falsche Schreiben, das in den vergangenen Monaten auftauchte. Mitte August tauchte ein vermeintlicher Flüchtlingserlass des NRW-Innenministers auf. Auch dieses Schreiben war ein Fake.