Hintergrund

Vorbild Kanada

Ein Faktencheck rund um die Fragen zur Zuwanderung. Über Flüchtlinge, Arbeitsmigranten, Familiennachzügler, Sprachkenntnisse und Berufsabschlüsse

von Jacques Pezet

© DSC_5097 - Reflections of Canada von Dennis Jarvis unter CC BY-SA 2.0

Bei einem Thema sind viele Parteien sich einig: Deutschland braucht ein Einwanderungsgesetz. Aber nach welchem Modell? Kanada, antworten sowohl die SPD („Wir wollen ein flexibles und an der Nachfrage nach Fachkräften orientiertes Punktesystem nach kanadischem Modell einführen“ steht im Regierungsprogramm der SPD). Die FDP (in einem Interview mit der „Bild“-Zeitung lobte Christian Lindner „das kanadische Modell“). Die AfD („qualifizierte Zuwanderung können wir nur erreichen durch ein vernünftiges Einwanderungsgesetz nach kanadischem oder australischem Vorbild“, erklärte Alice Weidel in der ZDF-Sendung „Wie geht’s, Deutschland“). Und die Grünen („Fachkräften ermöglichen wir ein Aufenthaltsrecht zur Arbeitssuche und schaffen dafür eine Einwanderungsquote mit Punktesystem“, steht im Wahlprogramm der Grünen). Was ist so besonders an diesem System? Das beantworten wir in diesem Faktencheck.

Im Oktober 2016 stellte Kanada seinen Einwanderungsplan für 2017 vor: Das Land wolle 300.000 Zuwanderer willkommen heißen, die in vier Kategorien unterteilt sind: Wirtschaftsmigranten (172.500), Familienangehörige (84.0000), Flüchtlinge (40.000) und Migranten aus humanitären oder anderen Gründen (3.500). In Kanada leben 36 Millionen Menschen.

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300.000 Zuwanderer dürfen nach Kanada im Jahr 2017 immigrieren

Mindestens 67 Punkte

Kanada ist das erste Land, das ein Punktesystem für seine Zuwanderer eingeführt hat. Der Ziel war, Diskriminierungen zu verhindern und die Fähigkeiten der potentiellen Zuwanderer zu unterstreichen.

Wer nach Kanada immigrieren möchte, muss einen Mangelberuf ausüben und einen Punktwert von mindestens 67 (von 100 Punkten) erzielen, um sich für das Einwanderungsprogramm zu qualifizierten. Das System umfasst sechs Kriterien:

  • Sprachkenntnisse (28 Punkte). Die mündliche und die schriftliche Kommunikation werden bewertet. Wer nur eine Sprache (Englisch oder Französisch) spricht, kann 24 Punkte bekommen. Bei einer zweiten Sprache sind 4 weitere Punkte zu erzielen.

  • Ausbildung (25 Punkte). Der Verfasser einer Doktorarbeit bekommt 25 Punkte. Für einen einfachen Schulabschluss gibt es dagegen nur 5.

  • Berufserfahrung (15 Punkte). Je länger die Erfahrung, desto größer der Punktwert. Wer mehr als sechs Jahre einen Mangelberuf ausgeübt hat, bekommt 15 Punkte.

  • Alter (12 Punkte). Wer zwischen 18 und 35 ist, bekommt 12 Punkte, ab 36 Jahren für jedes Jahr einen Punkt weniger.

  • Arbeitsangebot (10 Punkte)

  • Anpassungsfähigkeit (10 Punkte). Wenn der Zuwanderer Verwandte in Kanada schon hat oder wenn er schon in Kanada studiert oder gearbeitet hat, bekommt dafür mehr Punkte.

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Wer weniger als 67 Punkte erhält, darf nicht nach Kanada

Nur die Crème de la Crème

Falls der Bewerber mehr als 67 Punkte erzielt, heißt es nicht, dass er automatisch nach Kanada kommen darf. Sein Dossier wird von den Migrationsbehörden geprüft. Laut dem Ministerium werden die ausländischen Kandidaten, die die besten Punktwerte erzielt haben, dazu eingeladen, einen Antrag auf für einen dauerhaften Wohnsitz in Kanada zu stellen. Dafür muss der potentielle Zuwanderer und seine Familie noch eine ärztliche Untersuchung machen, eine Polizeibescheinigung schicken und die Bearbeitungskosten und Bleiberechtgebühren so wie andere Gebühren bezahlen.

Diese Dokumente werden dann von den Behörden überprüft und innerhalb von sechs Monaten wird der Bewerber eine Antwort bekommen. Falls er innerhalb von 12 Monaten keinen Bescheid erhält, darf er wieder kandidieren.