Hintergrund

Wie AfD-Politiker von einem prorussischen Propaganda-Netzwerk profitieren

Ein Netzwerk aus Fake-Accounts, das Stimmung gegen die Ukraine macht, teilt seit Monaten prorussische Fake-Artikel und Seiten. Und auch AfD-Politiker profitieren anscheinend davon: Facebook-Anzeigen bewarben deren Inhalte.

von Max Bernhard

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Die Akteure hinter dem Fake-Netzwerk schalteten bezahlte Facebook-Anzeigen, um für Inhalte von AfD-Politikern zu werben. (Symbolbild: Patrick Pleul / DPA / Picture Alliance)

Eine prorussische Desinformationskampagne, die es eigentlich gar nicht mehr geben sollte, ist zurück. Wie Recherchen von CORRECTIV.Faktencheck zeigen, agiert auf Facebook ein Netzwerk aus Accounts, die gezielt prorussische Propaganda und Desinformation verbreiten. Die Spuren des Netzwerks führen nach Russland, wie hier ausführlich berichtet.

Facebook verkündete letztes Jahr eigentlich, das Netzwerk gestoppt zu haben – und sprach damals von der größten und komplexesten Operation russischer Herkunft seit Beginn des Ukraine-Krieges. Spätestens seit Februar ist es wieder aktiv.

Das Ziel ist klar: Die Meinung in verschiedenen Ländern – allen voran in Deutschland – zu beeinflussen. Und zwar so, wie es in prorussische Narrative passt. Dafür nehmen die Verantwortlichen hinter der Kampagne auch Geld in die Hand, nach unseren Berechnungen mindestens tausende Euro. Das System ist ausgeklügelt: Fake-Accounts schalten Anzeigen und teilen Links zu gefälschten Nachrichtenseiten, gefälschten Regierungsseiten und Propaganda-Seiten. Und zu Inhalten von AfD-Politikern.

CORRECTIV.Faktencheck fand mehr als ein Dutzend bezahlte Facebook-Anzeigen, die verschiedene Inhalte von Mitgliedern und Bundestagsabgeordneten der AfD bewarben. Eine Verbindung dieser Anzeigen zum Rest der Kampagne lässt sich etwa durch gemeinsam verwendete URLs belegen – dieselben Domains, die auf Inhalte von AfD-Politikern weiterleiteten, wurden auch von anderen Facebook-Seiten der Kampagne verwendet, um Fake-Artikel und Propaganda zu teilen.

Eine Verbindung zu den beworbenen Organisationen und Personen ist nicht belegt – möglich ist auch, dass sie ohne ihr Wissen beworben werden. Die von uns gesichteten Anzeigen stellen außerdem nur einen Ausschnitt dar. Das volle Ausmaß der Kampagne und ob noch weitere Inhalte dieser oder anderer Politiker oder Organisationen beworben wurden, ist nicht klar.

Kampagne bewirbt Video von AfD-Abgeordneten Harald Weyel – er sagt, er habe das nicht gewusst

Am 5. und 6. Mai schaltete eine Facebook-Seite insgesamt sechs bezahlte Anzeigen, um ein Video mit Harald Weyel, AfD-Bundestagsabgeordneter und stellvertretender Schatzmeister im Bundesvorstand der AfD, zu bewerben. Es wurde vom der AfD nahestehenden Deutschland Kurier veröffentlicht. In dem Video behauptet der Bundestagsbgeordnete Weyel, dass in der Westukraine russisch-orthodoxe Kirchen „angegriffen“ würden. Kiew verdächtigt die orthodoxe Kirche, Beziehungen zu Moskau zu pflegen.

Der thematische Aufhänger scheint nicht zufällig. Mehrere andere Facebook-Anzeigen der Kampagne gingen ebenfalls auf das angespannte Verhältnis zwischen Kiew und der Kirche ein, wie Le Monde berichtete. „Welche Grausamkeit! Wollen wir Menschen in die Europäische Union aufnehmen, die Kirchen niederbrennen und Priester töten?“, hieß es etwa in einer Anzeige. Wenige Wochen vor diesen Facebook-Anzeigen kursierte im Internet die falsche Behauptung, ein Video zeige, wie „Radikale“ eine Kirche in der Ukraine in Brand setzten. Die Aufnahme stammt aus Russland und ist zehn Jahre alt.

Weyel schreibt uns, dass ihm die Kampagne vor unserer Anfrage nicht bekannt gewesen sei: „Wer meine im direkten oder indirekten Zusammenhang mit Bundestags- und Europaratmandat etc. entstehenden Publikationen aufgreift oder gar „bewirbt“(?), weiß ich nicht und kann ich genauso wenig beeinflussen wie diejenigen, die selbige totzuschweigen oder kaputtzuframen trachten.“

Eine der bezahlten Facebook-Anzeigen, in dem ein Video-Kommentar von AfD-Politiker Harald Weyel beworben wurde (Quelle: Facebook; Screenshot: Privat)

Auch der von AfD-Mitgliedern gegründete prorussische Verein Vadar profitiert von der Propagandamaschine

Weyel gründete zusammen mit anderen AfD-Parteimitgliedern im Juni 2022 den Verein „Vereinigung zur Abwehr der Diskriminierung und der Ausgrenzung Russlanddeutscher sowie russischsprachiger Mitbürger in Deutschland“ (Vadar). Für den machte das Netzwerk ebenfalls Werbung.

Der Verein attestiert Deutschland eine „russlandfeindliche Stimmung“ und will „Russlanddeutschen und russischsprachigen Mitbürgern“, die durch den Angriffskrieg diskriminiert oder ausgegrenzt würden, anwaltliche Hilfe anbieten. Vadar teilt sich laut einem Bericht der Sächsischen Zeitung ein Bankkonto mit einem Institut, das mehrheitlich in russischem Besitz ist. Laut der ARD prüfen deutsche Sicherheitsbehörden die Russland-Verbindungen des Vereins.

In einem Video, das auf dem Youtube-Kanal von „Achse der Wahrheit“ veröffentlicht wurde, sprachen Vereinsmitglieder letztes Jahr vor dem Bundestag über die Gründung von Vadar (damals noch VDAR genannt). Harald Weyel (links), sowie Ulrich Oehme (dritte Person von rechts) waren anwesend. (Quelle: Youtube; Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

Eine der ersten Aktionen des Vereins war es, Alina Lipp Unterstützung zuzusagen. Gegen Lipp wird ermittelt, weil sie mehrfach den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine gutgeheißen haben soll.

Anfang Juni bewarben Facebook-Anzeigen, die wir dem prorussischen Netzwerk zuordnen konnten, Links, die zu Telegram-Beiträgen des Vereins führten. Ein Beitrag behauptete, eine deutsche Bank würde russische Kunden diskriminieren. Ein anderer Beitrag über den Bankrott eines Süßwarenherstellers soll Angst um die wirtschaftliche Situation Deutschlands schüren. In einer Facebook-Anzeige, die auf den Vadar-Text verlinkt, heißt es: „Diese Grünen haben bereits fast alle klein- und mittelständischen Unternehmen im Lande getötet. […] Dies wird vor allem von den Vereinigten Staaten genutzt. Sie sind dabei, unsere Industrie zu übernehmen“. Auch andere Anzeigen der Kampagne richteten sich gegen die Grünen, etwa Robert Habeck und Annalena Baerbock, und führten unter anderem zu Artikeln von RRN, einer prorussischen Propagandaplattform.

Dasselbe Schema: Eine Facebook-Anzeige warb für einen Beitrag des pro-russischen Vereins Vadar. Der unverfänglich aussehende Link führte zu einem Telegram-Beitrag des Vereins. (Quelle: Facebook; Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

Vorsitzender von Vadar ist das AfD-Mitglied und ehemaliger Bundestagsabgeordneter Ulrich Oehme. Als „Wahlbeobachter“ reiste er 2018 in die von Russland annektierte Krim, die Kosten übernahm das russische Parlament.

Weitere Beiträge führen zur „Achse der Wahrheit“ – ein Projekt eines ehemaligen AfD-Abgeordneten

Kurz vor der Gründung von Vadar startete Oehme im Sommer 2022 ein weiteres Projekt:  „Achse der Wahrheit“, ein Telegram-Kanal, der „die Stellung konservativer Parteien“ in Europa „näher bringen“ soll. Auch dieses Projekt wird vom Propaganda-Netzwerk auf Facebook beworben. In dem Video, das Achse der Wahrheit auf Telegram veröffentlicht hat, sagt der AfD-Abgeordnete Edgar Naujok, er sei gegen Waffenlieferungen an die Ukraine, es sei „nicht unser Krieg“. Diese Phrase taucht auch in mehr als einem Dutzend Facebook-Anzeigen, die Teil der Desinfo-Kamapgne sind, als Hashtag auf: #nichtunserKrieg.

Auch Le Monde berichtete, dass die Kampagne gezielt diesen Slogan verbreitet habe. Der Hashtag sei im Februar zirkuliert, einige Tage bevor es deutschlandweit zu prorussischen Demonstrationen kam, schreibt die Zeitung.

In dieser Anzeige wird ein Video mit dem AfD-Abgeordneten Edgar Naujok beworben (Quelle: Facebook; Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

Der AfD-Abgeordnete Naujok antwortete nicht auf unsere Anfrage. Die Pressestelle der AfD schreibt, die Kampagne sei der Partei bisher nicht bekannt gewesen. Parteimitglieder und Abgeordnete seien „für Verlinkungen oder Bewerbungen von extern auf ihre jeweiligen Kanäle“ nicht verantwortlich. Vadar und „Achse der Wahrheit“ hätten „mit dem Bundesverband der AfD nichts zu tun“. Der Vadar-Vorsitzende Oehme schreibt: „Als Kanalbetreiber kann ich es nicht beeinflussen, wer unsere Beiträge übernimmt“.

Redigatur: Sophie Timmermann, Gabriele Scherndl

Transparenzhinweis: CORRECTIV ist seit 2017 in einer Kooperation mit dem Facebook-Konzern Meta, um Desinformation auf dem Sozialen Netzwerk zu bekämpfen. Mehr Informationen zu der Kooperation erhalten Sie hier.

Update, 26. Juni 2023: Wir haben die Antwort des ehemaligen AfD-Bundestagsabgeordneten Ulrich Oehme ergänzt, die uns erst nach Veröffentlichung dieses Textes erreicht hat.