Faktencheck

Ob E-Autos und Wärmepumpen künftig zur Entlastung ferngesteuert vom Stromnetz genommen werden können, ist noch unklar

Auf Facebook kursiert ein Zeitungsartikel, wonach Ladestationen für Elektroautos und Wärmepumpen bei Stromknappheit zeitweise abgeschaltet werden könnten. Der Ausschnitt bezieht sich auf einen Gesetzentwurf von 2021, der nicht umgesetzt wurde. Inzwischen gibt es neue Regelungen, die im Detail noch von der Bundesnetzagentur bestimmt werden müssen.

von Matthias Bau

E-Atuos Wärmepumpen Elektroautos
Wie die das private Laden von E-Autos in Zukunft geregelt wird, ist noch unklar (Symbolbild: Picture Alliance / DPA / Marcus Brandt)
Behauptung
Das Bundeswirtschaftsministerium wolle Stromanbietern die Möglichkeit geben, bei drohender Netzüberlastung große Stromverbraucher wie Elektroautos und Wärmepumpen zeitweise ferngesteuert vom Netz zu nehmen.
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Fehlender Kontext
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Fehlender Kontext. Einen solchen Gesetzentwurf gab es – der Bericht darüber erschien am 17. Januar 2021 in der Welt am Sonntag. Der Entwurf wurde jedoch zurückgezogen. Inzwischen wurde eine neuer Gesetzentwurf verabschiedet, den die Bundesnetzagentur noch ausgestalten muss. Konkrete Regelungen zu Ladepausen von Wärmepumpen und Elektroautos gibt es bislang nicht.

Auf Facebook verbreitet sich in zahlreichen Beiträgen ein Zeitungsausschnitt mit dem Titel „Ladepause für Elektroautos“ (hier und hier). Darin heißt es, aus einem Gesetzentwurf des Bundeswirtschaftsministeriums gehe hervor, dass das Ministerium Stromanbietern die Möglichkeit geben wolle, bei drohender Netzüberlastung „große Stromverbraucher“ wie E-Autos und Wärmepumpen zeitweise vom Netz zu nehmen. 

Unsere Recherche zeigt: Der Zeitungsausschnitt stammt vermutlich von 2021. Zu diesem Zeitpunkt berichtete die Welt am Sonntag über einen entsprechenden Gesetzentwurf des Ministeriums. Dieser wurde jedoch zurückgezogen. In einer aktuellen Änderung des Paragrafen 14a des Energiewirtschaftsgesetzes heißt es, dass die Bundesnetzagentur, die in Deutschland unter anderem für Strom- und Gasleitungen zuständig ist, Vorgaben erarbeiten könne, inwiefern Wärmepumpen und nicht öffentlich-zugängliche Ladepunkte für E-Autos zeitweise vom Netz genommen werden können. Noch gibt es solche Regelungen aber nicht. Auf Anfrage schrieb uns die Pressesprecherin der Bundesnetzagentur, Ulrike Platz, „die genauen Bedingungen“ würden derzeit noch entwickelt.

Zeitungsausschnitt, der sich dutzendfach auf Facebook verbreitet
Zeitungsausschnitt, der sich dutzendfach auf Facebook verbreitet (Quelle: Facebook)

Zeitungsausschnitt „Ladepause für Elektroautos“ stammt aus dem Jahr 2021

Eine Google-Suche nach den Schlagworten „Ladepause“ und „Elektroautos“ führt zu einem Online-Artikel der Welt am Sonntag vom 17. Januar 2021 mit dem Titel „Wirtschaftsministerium plant Zwangs-Ladepausen für Elektroautos“. Darin findet sich eine annähernd wortgleiche Formulierung, wie in dem Print-Zeitungsausschnitt auf Facebook: „Das Bundeswirtschaftsministerium will Stromanbietern […] die Möglichkeit einräumen, große Verbraucher wie Elektroautos und Wärmepumpen zeitweise ferngesteuert vom Netz zu nehmen. Das geht aus dem Gesetzentwurf des Bundeswirtschaftsministeriums hervor […].“

In dem Artikel ging es um einen Änderungsvorschlag für Paragraf 14a des Energiewirtschaftsgesetzes, der im Fall einer drohenden Überlastung des Stromnetzes ermöglichen sollte, dass „steuerbare Verbrauchseinrichtungen“ wie Ladestationen für E-Autos oder Wärmepumpen für bis zu zwei Stunden pro Tag keinen Strom bekommen, so die Welt am Sonntag. In dem Artikel kamen mehrere Kritiker zu Wort, unter anderem der Verband der Deutschen Autoindustrie, der sich gegen eine Abschaltung von Ladesäulen aussprach. Der Entwurf selbst ist mittlerweile gelöscht und auch in Internetarchiven nicht auffindbar. 

Das Bundeswirtschaftsministerium reagierte noch am selben Tag auf die Berichterstattung mit einer Pressemitteilung, in der es hieß, dass es sich um einen „Entwurf der Arbeitsebene“ gehandelt habe, der nicht „die Billigung des Ministers“ fand. Zu diesem Zeitpunkt war Peter Altmaier (CDU) Bundeswirtschaftsminister. Ebenfalls am 17. Januar 2021 berichtete die Welt, dass das Ministerium den Entwurf zurückgezogen habe. 

Paragraf des Energiewirtschaftsgesetzes wurde überarbeitet und im Juli 2022 beschlossen

Am 5. Juli 2022 wurde ein neuer Entwurf von Paragraf 14a des Energiewirtschaftsgesetzes durch den Bundestag beschlossen (PDF-Download, ab Seite 213). Er ist Teil des „Gesetzes zu Sofortmaßnahmen für einen beschleunigten Ausbau der erneuerbaren Energien und weiteren Maßnahmen im Stromsektor“, das am 28. Juli verkündet wurde. Wie uns Ulrike Platz von der Bundesnetzagentur mitteilte, tritt die Neuregelung zum 1. Januar 2023 in Kraft

In Paragraf 14a ist nun festgelegt, dass die Bundesnetzagentur  bundesweite Vorgaben dafür machen kann, wie „steuerbare Verbrauchseinrichtungen“ in Zukunft betrieben werden (Stand: 26. August 2022). Zu solchen Verbrauchseinrichtungen zählen laut dem Gesetz „insbesondere Wärmepumpen, nicht öffentlich-zugängliche Ladepunkte für Elektromobile, Anlagen zur Erzeugung von Kälte oder zur Speicherung elektrischer Energie und Nachtstromspeicherheizungen“. 

Konkrete Ausgestaltung des Gesetzes steht noch aus

Noch hat die Bundesnetzagentur keine konkreten Regelungen festgelegt. Das Gesetz benennt jedoch einige Aspekte, die künftig berücksichtigt werden könnten. So soll es zum einen wirtschaftliche Anreize geben, die dazu führen, dass E-Autos beziehungsweise Wärmepumpen „netzorientiert“ betrieben werden. Also so, dass die Stromnetze dadurch nicht überlastet werden. 

Wie uns Ulrike Platz erklärte, könne ein wirtschaftlicher Anreiz zum Beispiel sein, dass die Bundesnetzagentur festlegt, dass das Netzentgelt, also die Gebühr für die Nutzung des Stromnetzes für Verbraucherinnen und Verbraucher, gesenkt werden müsse, wenn Wärmepumpen oder E-Autos netzorientiert gesteuert würden. Weiter geht aus dem Gesetz hervor, dass Netzbetreiber verpflichtet werden sollen, ihr Netz zu digitalisieren und „präzise zu überwachen“. Auch eine maximal zu entnehmende Strommenge könne definiert werden, heißt es. 

Neues Gesetz soll Überlastung der Stromnetze verhindern

Zum Verständnis: Wird mehr Energie in das Stromnetz eingespeist, als entnommen wird, kann das zu einer Überlastung führen. Wird mehr Energie entnommen, als eingespeist wird, kann auch das problematisch sein, denn die sogenannte Netzfrequenz muss in Deutschland und europaweit immer bei 50 Hertz liegen, damit das Stromnetz funktioniert.

Im August haben wir berichtet, wie es zu einem Stromausfall kommen kann: Kleinere Schwankungen im Stromnetz können ausgeglichen werden, größere führen jedoch zu einem Zusammenbruch des Netzes. Steigt die Netzfrequenz zu weit über die übliche Taktung von 50 Hertz, reduzieren Kraftwerke ihre Einspeiseleistung. Sinkt die Frequenz zu sehr ab, werden zuerst Leistungsreserven aus den Kraftwerken zugeschaltet. Sinkt die Frequenz weiter, werden bestimmte Bereiche vom Netz getrennt, um den Stromverbrauch zu senken – dann kommt es zum Stromausfall.

Ulrike Patz von der Bundesnetzagentur schildert das Problem mit der zunehmenden Zahl Elektroautos und Wärmepumpen so: „Die zum Aufladen der Elektrofahrzeuge notwendige Ladeinfrastruktur und die erwartete große Anzahl an Wärmepumpen“ führe voraussichtlich zu „beträchtlich“ höheren Anschlussleistungen. Dadurch, dass potentiell viele Elektroautos gleichzeitig geladen und Wärmepumpen betrieben würden, sei „mit einer starken Netzauslastung insbesondere in den Abendstunden sowie an kälteren Tagen zu rechnen“. 

Bislang seien der Bundesnetzagentur keine Netzüberlastungen durch den Einsatz von Wärmepumpen und E-Autos bekannt, die Netze in Deutschland seien „grundsätzlich leistungsfähig“. Es sei aber anzunehmen, „dass die Herausforderungen für die Netze mit schnell zunehmender Verbreitung der steuerbaren Verbrauchseinrichtungen wachsen“ würden. Bei der Ausgestaltung des Gesetzes werde die Bundesnetzagentur darauf achten, „dass Steuerungshandlungen nur in einem engen Rahmen vorgenommen werden können und der Komfortverlust für die Verbraucher dabei möglichst gering“ bleibe, so Platz.

Gegenüber dem Tagesspiegel sagte der Geschäftsführer des Verbandes der Automobilindustrie, Andreas Rade im Juli 2022: „Preisliche Anreize wie zeitvariable Netzentgelte werden mit dafür sorgen, dass Elektroautos immer dann laden, wenn die Netzbelastung niedrig ist oder wenn erneuerbarer Strom reichlich und kostengünstig zu Verfügung steht.“ Das Abschalten von E-Autos beziehungsweise der Ladevorgänge, müsse aber „endgültig vom Tisch“.

Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft schrieb in einer Stellungnahme lediglich, es sei positiv, dass der Paragraf 14a durch die Bundesnetzagentur gestaltet werde. Und: „Jetzt wird es auf die Ausgestaltung des Instruments ankommen, die eine bedarfsgerechte, pragmatische und effiziente Anwendung ermöglichen muss.“

Redigatur: Sarah Thust, Uschi Jonas

Die wichtigsten, öffentlichen Quellen für diesen Faktencheck:

  • „Gesetz zu Sofortmaßnahmen für einen beschleunigten Ausbau der erneuerbaren Energien und weiteren Maßnahmen im Stromsektor“ im Bundesanzeiger vom 20. Juli 2022: Link
  • Artikel der Welt vom 17. Januar 2021: Link
  • Pressemitteilung des Bundeswirtschaftsministeriums vom 17. Januar 2021: Link