Faktencheck

Jugendamt Stuttgart: Keine Belege, dass Todesfälle etwas mit Corona-Impfung zu tun haben

Im Netz kursieren Todesanzeigen von mehreren Jugendamt-Angestellten in Stuttgart. Es heißt, sie seien „plötzlich und unerwartet“ gestorben: Eine beliebte Formulierung unter Impfgegnern, um einen angeblichen Zusammenhang zwischen Sterbefällen und dem Covid-19-Impfstoff aufzustellen. Für eine solche Verbindung gibt es jedoch keinerlei Belege.

von Viktor Marinov

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Im Netz wird ohne Belege behauptet, der Tod von Mitarbeitenden der Stadt Stuttgart hätten etwas mit der Corona-Impfung zu tun. Im Bild: das Stuttgarter Rathaus. (Symbolfoto: Marijan Murat / Picture Alliance / DPA)
Behauptung
In Stuttgart seien im Jahr 2022 mehrere Mitarbeiter des Jugendamts gestorben, allein vier davon im Dezember und zwei am selben Tag. Es wird suggeriert, das hänge mit der Covid-19-Impfung zusammen.
Bewertung
Unbelegt. Nach Angaben der Stadt Stuttgart sind im Jahr 2022 acht Menschen aus der Belegschaft des Jugendamts gestorben. Acht Todesfälle sind bei den mehr als 4.000 Mitarbeitern des Jugendamts statistisch nicht überdurchschnittlich viel. Es gibt zudem keinerlei Belege für einen Zusammenhang der Todesfälle mit Covid-19-Impfungen.

Seit Ende Dezember verbreiten sich in Sozialen Netzwerken Traueranzeigen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Stadt Stuttgart. Die Namen von mehreren Menschen, die im November und Dezember 2022 verstarben, finden sich dutzendfach auf Telegram, Facebook oder Twitter. Ihr Tod wird in Zusammenhang mit der Corona-Impfung gebracht. 

„Klar, mit der Impfung hat das nichts zu tun“, schreibt etwa eine Person auf Twitter. „Wie wir alle wissen, kommt das Unglück überwiegend ‚plötzlich und unerwartet‘“, schreibt ein Facebook-Nutzer. „Plötzlich und unerwartet“ ist eine beliebte Formulierung in der Impfgegner-Szene – damit wird suggeriert, dass der Tod eine Folge der Covid-19-Impfung sei. In einem Telegram-Beitrag ist sogar von einer „tödlichen Impfcharge“ die Rede. Allein diesen Beitrag haben mehr als 120.000 Menschen gesehen.

Belege für diese Behauptungen liefern die Beiträge nicht. Die Impfung und die Todesfälle der städtischen Mitarbeiter hätten nichts miteinander zu tun, sagte ein Sprecher der Stadt Stuttgart gegenüber T-Online. Für das Stuttgarter Jugendamt arbeiten zudem mehr als 4.000 Menschen – die Anzahl der Todesfälle ist statistisch nicht ungewöhnlich.

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Auf Telegram kursieren Traueranzeigen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Stuttgarter Jugendamts. Für den behaupteten Zusammenhang mit der Covid-19-Impfung gibt es keine Belege. (Quelle: Telegram; Screenshot und Schwärzung: CORRECTIV.Faktencheck)

Die Zahl der Todesfälle ist statistisch gesehen nicht auffällig

Die Traueranzeigen sind echt. Sie wurden in der Stuttgarter Zeitung und in den Stuttgarter Nachrichten veröffentlicht. Die Screenshots selbst stammen offenbar von einem gemeinsamen Online-Portal für Traueranzeigen, das die beiden Zeitungen gemeinsam betreiben. Die Todesanzeigen selbst lassen sich inzwischen nur noch in einer archivierten Version der Seite finden.

Sven Matis, Sprecher der Stadt Stuttgart, schrieb uns per E-Mail: „Fakt ist: Acht Menschen sind im vergangenen Jahr verstorben, die bis zu ihrem Tod im Jugendamt tätig waren. Acht. von rund 4.000.“ Auffällig oder besser gesagt zufällig sei, dass es im Dezember fünf Todesfälle gegeben habe. 

Ein Blick auf die Sterbestatistik für Deutschland zeigt: 2021 starben in der Bundesrepublik 12,3 Menschen pro 1.000 Einwohner. In den Jahren davor war die Zahl ähnlich hoch. Auch wenn dabei nicht nur Verstorbene im erwerbsfähigen Alter erfasst werden, wird deutlich: Die acht Toten sind statistisch gesehen nicht auffällig, zumindest nicht auf das ganze Jahr gerechnet.

Stadt Stuttgart stellt Strafanzeige wegen Volksverhetzung

„Wir waren empört, als wir von den Veröffentlichungen erfuhren“, schrieb uns Matis. Durch die Behauptung würden Menschen in die Irre geführt und aufgewiegelt. Es habe sogar einen Drohanruf beim Jugendamt gegeben, berichtete T-Online. Nach Angaben des Sprechers hat die Stadt einen Strafantrag wegen der Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener und eine Strafanzeige wegen Volksverhetzung gestellt. 

Auch der Blog Report24 instrumentalisiert Todesanzeigen der Stadt Stuttgart. Dort wird zudem behauptet, es gebe eine Übersterblichkeit, die im Zusammenhang mit Covid-19-Impfungen stehe. Zu Übersterblichkeit kam es durch die Corona-Pandemie tatsächlich, wie das Statistische Bundesamt (Destatis) mitteilt. Die Todesursachenstatistik für 2021 zeigt, dass sieben Prozent aller Todesfälle direkt auf Covid-19 zurückgehen; Corona-Impfungen dagegen werden nicht als Todesursache aufgeführt. Einer vorläufigen Sonderauswertung des Bundesamts vom 10. Januar 2023 zufolge könnte die Übersterblichkeit für einzelne Wochen und Monate 2022 unter anderem auf Covid-19 und Grippe zurückgehen. Die genaue Auswertung der Todesursachen steht noch aus, bislang gibt es aber keine Belege für einen Zusammenhang mit Corona-Impfungen.

Aktuell kursieren im Netz auch Todesanzeigen der Universität des Saarlandes – auch bei diesen Sterbefällen wird suggeriert, sie hätten etwas mit der Corona-Impfung zu tun. Dafür gibt es ebenfalls keinerlei Belege, wie wir berichteten. Auch in der Vergangenheit wurde mit ähnlichen Behauptungen Stimmung gegen die Covid-19-Impfstoffe gemacht.

Redigatur: Steffen Kutzner, Uschi Jonas

Die wichtigsten, öffentlichen Quellen für diesen Faktencheck:

  • Sterbefälle in Deutschland, Statistisches Amt der Europäischen Union, letzter Zugriff: 10. Januar 2022: Link
  • „Querdenker“ verhöhnen tote Jugendamt-Mitarbeiter, T-Online: Link
  • Todesursachenstatistik des Statistischen Bundesamts für 2021: Link
  • Sonderauswertung des Statistischen Bundesamts zu Sterbefallzahlen 2022: Link
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