In eigener Sache

Kohlpharma hat in einem Punkt recht – und in allen anderen nicht

Der Arzneimittelimporteur Kohlpharma wehrt sich mit einer PR-Offensive gegen unsere Recherche zum Medikamentenhandel. Hier unsere Antwort

von Marta Orosz

Das ist nicht rumänisch: Die Trileptal-Packung, die wir dem Patienten mitgebracht haben, stammt von einem deutschen Importeur.© RTL/Nachtjournal

In dieser Woche haben wir gemeinsam mit dem RTL Nachtjournal über Re-Importeure berichtet, also Pharmahändler, die Medikamente in Süd- oder Osteuropa billig aufkaufen, sie umpacken und an deutsche Apotheken liefern. In Deutschland erzielt man mit diesem Geschäftsmodell einen deutlichen Gewinn. Der größte dieser Pharmahänder ist Kohlpharma mit Sitz im Saarland. Die Firma war mit unserer Berichterstattung nicht einverstanden. Bereits vor der Veröffentlichung schickten uns die Anwälte von Kohlpharma ein Schreiben und warnten uns, die TV-Doku zu veröffentlichen.

Nachdem unsere Recherche auf CORRECTIV erschienen war, schickte Kohlpharma einen „Offenen Brief“ an verschiedene Medien in Deutschland. In diesem Brief behaupteten sie, uns viele Fehler nachzuweisen, außerdem sei unsere Berichterstattung „interessegeleitet konstruiert“. Wir würden Partei für die Pharmakonzerne ergreifen – ein Vorwurf, den wir bisher eher selten hören. 

Weil wir nicht wissen, ob die PR-Kampagne von Kohlpharma bei Leserinnen und Lesern verfängt, die sich mit der Sache nicht auskennen, wollen wir hier auf die gegen unsere Berichterstattung erhobenen Vorwürfe antworten. Wir nehmen dabei Bezug auf die am 28. Juli von Kohlpharma-Sprecher Karsten Wurzer verbreitete Pressemitteilung „Falsche und unseriöse Berichterstattung auf RTL/CORRECTIV“: 

1. Kohlpharma behauptet, „schon der Ausgangspunkt der konstruierten Geschichte ist schlicht falsch. Die im Beitrag genannten Präparate Trileptal, Humira und Avastin waren (,,,) in den letzten Monaten voll lieferfähig“. 

Richtig ist: Trileptal wurde auf der Website des rumänischen Gesundheitsministerium von Patienten als Mangelmedikament gemeldet, hier der Beleg. Auch bei der Recherche in Sozialen Medien sind wir auf viele Patienten und Angehörige gestoßen, die auf der Suche nach Trileptal waren. Eine Apotheke, die wir in Rumänien zur Stichprobe aufsuchten, konnte Trileptal bei keinem ihrer vier Lieferanten ordern. Außerdem haben sich bei Patientenvereinigungen Betroffene gemeldet, die auf der Suche nach Trileptal waren.

Humira oder Avastin hatten wir überhaupt nicht als Beispiel für ein Mangelpräparat erwähnt, sondern als Beispiel für den Preisunterschied.

2. Kohlpharma schreibt, bei unserem Besuch bei dem Patienten, dem wir Trileptal mitgebracht haben, „liegt dann aber eine rumänische Packung Trileptal auf dem Tisch, das dann wohl doch verfügbar war.“

Richtig ist: Es liegt keine rumänische Packung Trileptal auf dem Tisch. Die Packung stammte aus Estland und war von einem deutschen Reimporteur. 

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RTL/Nachtjournal

3. Kohlpharma schreibt, dass auf dem Rezept, mit dem wir in der Apotheke in Rumänien waren, „Trileptal in zwei Wirkstärken, nämlich 300mg und 600mg für denselben Patienten verordnet war. Das ist keine sinnvolle Medikation und läßt vermuten, dass es sich um ein Fake-Rezept handelt.“

Richtig ist: Es handelt sich um ein echtes Rezept und die Verordnung unterschiedlicher Wirkstärken ist bei Mangelpräparaten nicht unüblich. Der jugendliche Patient brauchte eine 300mg Wirkstärke. Wenn die Apotheke z.B. keine 300mg vorrätig hat, aber eine 600mg-Packung, kann der Patient die 600mg-Packung bekommen und die Tablette dann halbieren. Deshalb verordnen Ärzte bei Mangelpräparaten auch abweichende Wirkstärken. 

4. Kohlpharma schreibt, „dass wir Trileptal nicht in Rumänien einkaufen und auch keine Zulassung für dieses Einkaufsland besitzen.“

Richtig ist, dass wir beides auch an keiner Stelle behauptet hatten. Wie so häufig in seiner Pressemitteilung bestreitet Kohlpharma Dinge, die wir gar nicht geschrieben hatten. Ein PR-Trick.

5. Kohlpharma schreibt: „Herr Jörg Geller ist zwar seit knapp 20 Jahren bei Kohlpharma beschäftigt, jedoch erst seit 2010 als Geschäftsführer“. 

In diesem Punkt hat Kohlpharma recht. Wir hatten in einer ursprünglichen Version geschrieben, dass Geller seit 20 Jahren Geschäftsführer ist. Das haben wir korrigiert. 

6. Kohlpharma schreibt, dass der FDP-Politiker Oliver Luksic nicht für Kohlpharma tätig ist. „Tatsächlich arbeitet er für den EAEPC“.

Richtig ist, dass wir Oliver Luksic mehrfach zu seinen Beratertätigkeiten für Kohlpharma befragt haben. Er hat dabei zu keinem Zeitpunkt bestritten, für Kohlpharma zu arbeiten. Bis zur Veröffentlichung unseres Artikels hatte er damit sogar auf seinem LinkedIn-Profil geworben. Erst nach der Veröffentlichung hat Luksic diese Angaben gelöscht.       

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LinkedIn Profil von Oliver Luksic bis zur Veröffentlichung unserer Recherche

Screenshot, Marta Orosz

7. Kohlpharma schreibt, dass die in unserem Text wiedergegebene Zahl von 91 Millionen Euro Einsparvolumen durch Reimporte zu niedrig sei. Wörtlich heißt es in der Pressemitteilung des Pharmaunternehmens: „Die den Redakteuren vorliegende Prognos Studie zeigt deutlich höhere Einsparungen. Beide Beiträge (gemeint sind RTL und Correctiv, d.Red.) ignorieren die dort errechneten direkten Einsparungen in Höhe von 240 Mio. Euro.“

Richtig ist, dass wir die Prognos-Studie nicht nur erwähnen und schreiben, dass sie von Kohls Verband VAD beauftragt wurde, sondern wir verlinken die Studie sogar. Wir haben sie also nicht „ignoriert“, wie Kohlpharma behauptet.

So viel zu den irreführenden Behauptungen, die Kohlpharma heute an andere Medien geschickt hat, um unsere Recherchen unglaubwürdig zu machen. Das ist das Geschäft von PR-Leuten und das ertragen wir.

Was wir aber für einen schweren Verstoß halten ist etwas anderes: Der jugendliche Patient, den wir in Rumänien besuchten und der an schwerer Epilepsie leidet, bat darum, seinen Namen in unserem Beitrag nicht zu nennen. Wir haben dieser Bitte selbstverständlich entsprochen.

Kohlpharma dagegen hat den vollen Namen des Jugendlichen in seiner „Pressemitteilung“ veröffentlicht. Wie es mit den ethischen Standards eines Pharmaunternehmens vereinbar ist, einen jugendlichen Patienten gegen seinen Willen öffentlich zu nennen, hat Kohlpharma nicht verraten.

Wir fordern die Firma auf, den Namen aus der Pressemitteilung zu löschen und sich für diesen schwerwiegenden Verstoß zu entschuldigen.