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Sieben Forderungen, um Lokaljournalismus zu verbessern

Auf der CORRECTIV.Lokal Konferenz diskutierten hunderte Lokaljournalistinnen und Lokaljournalisten, was sich im Lokaljournalismus verbessern muss. Diese sieben Forderungen richten sie an Medienhäuser.

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Erstellen der Memes auf der CORRECTIV.Lokal Konferenz. Foto: Ivo Mayr

An der Universität Erfurt haben sich am 10. und 11. Mai mehr als 350 Medienschaffende getroffen und weitere Menschen, die mit dem Lokaljournalismus verbunden sind. Neben verschiedenen Fortbildungen und Netzwerkmöglichkeiten fand auf der CORRECTIV.Lokal Konferenz eine durchgehende Debatte zu notwendigen Veränderungen im Lokaljournalismus statt, unter anderem bei einer Paneldiskussion und einem Meet-Up.

Denn ein Wandel ist notwendig, um verschiedenen Negativtrends entgegenzuwirken, etwa der sinkenden Anzahl an Lokalmedien in Deutschland oder einem Vertrauensverlust und Angriffe gegenüber Medienschaffenden. Gleichzeitig soll der Beruf als Reporterin und Redakteur für Menschen mit den unterschiedlichsten Biografien attraktiver werden.

In einer „Memesschmiede“ brachten die Lokaljournalistinnen und –journalisten kreativ ihre Position zum Ausdruck, indem sie ihre Erfahrungen humorvoll auf einem Foto projizierten. Das folgende Plädoyer fasst den Kern aller Debatten vor Ort zusammen – mit ausgewählten Memes und konkreten Forderungen.

Diese beruhen auf Erfahrungen und einer geballten Expertise von Medienschaffenden, die in ganz Deutschland für Lokalmedien Geschichten umsetzen. Die Beteiligten möchten damit einen Impuls für eine notwendige Debatte für positive Veränderungen im Lokaljournalismus geben. Die Ergebnisse werden parallel bei CORRECTIV und im Magazin journalist veröffentlicht und richten sich insbesondere an Entscheidungsträger in Medienhäusern.

1. Recherchen stärken

Chefredaktionen müssen in ihrer Redaktion mehr Zeit für Recherchen schaffen. Dafür müssen sie entscheiden, welche Geschichten weggelassen werden, mehr Ressourcen bei der Geschäftsleitung einfordern und den Reporterinnen und Reportern den Rücken freihalten. Ein Investigativ-Team kann ein zusätzlicher Weg sein, wenn es sich nicht als Eliteeinheit versteht, sondern als Unterstützungsteam für Andere in der Redaktion. Noch wichtiger ist, dass regelmäßige Schulungen angeboten werden, um der Redaktion kontinuierlich neue Recherchehandwerk zu vermitteln.

2. Impact messen

Die digitale Transformation ist allen wichtig. Wir erleben allerdings einen zu fokussierten Blick auf die reine Online-Reichweite oder Digital-Abos, die eine Geschichte erzielen. Medienhäuser müssen die Möglichkeit geben, dass sich ein Thema über eine Vielzahl von Veröffentlichungen entwickelt und als einen zentralen Parameter die Wirkung einer Berichterstattung berücksichtigt. Sie muss im Haus als Erfolgsparameter gleichbedeutend zu den quantitativen Zielen sein. Ein positiver Wandel nach einer Berichterstattung kann in einem internen Newsletter vor der Belegschaft gewürdigt werden und als feste wiederkehrende Rubrik vor der Leserschaft dargestellt werden. 

3. Themen setzen

Weder KI noch Datenanalysen alleine sollten die Themen bestimmen, sondern es sollte ein Zusammenspiel sein mit den Journalistinnen und Journalisten im Haus. Sie sind es, die mit den Menschen im Austausch sind. Der Dialog muss mehr gefördert werden, um Themen zu identifizieren, die Menschen vor Ort besonders interessieren. Andernfalls wird sich das Problem vergrößern, dass sich noch mehr Gruppen in der Berichterstattung nicht repräsentiert fühlen und das Vertrauen weiter schwindet.

4. Distanz wahren

Der Lokaljournalismus lebt auch von den vermeintlich kleinen Themen, die für den gesellschaftlichen Zusammenhalt wichtig sind, wie dem Besuch bei örtlichen Vereinen. Dabei muss die Distanz zu den Objekten der Berichterstattung gewahrt bleiben. Das betrifft insbesondere Personen, die (lokal) Macht ausüben, etwa aus der Politik, Sport oder Wirtschaft. Eine unabhängige Redaktion zeichnet sich dadurch aus, dass sie den Menschen vor Ort Informationen mit einer machtkritischen Haltung liefert.

5. Begegnung und Beteiligung fördern

Um mehr Menschen zu erreichen, müssen Medienhäuser dafür sorgen, dass die Medienschaffenden dem Publikum mehr analog begegnen. Indem sie Orte mit lokalen Gruppen, die bisher nicht erreicht wurden, besuchen. Oder neue Begegnungsorte schaffen, die Menschen ohne intrinsisches journalistisches Interesse dazu motivieren, mit Reporterinnen und Reportern ins Gespräch zu kommen.

Medienhäuser sollten an diesen Orten mit Beteiligungsformaten arbeiten. Dadurch wird die Arbeit transparenter und das Vertrauen gestärkt. Zudem erhöht es die Selbstwirksamkeit von Menschen, wenn sie sich beteiligen und mitgestalten können. Solche Beteiligungsformate lassen sich auch kontinuierlich in digitalen Formaten (Newsletter, Podcasts, Soziale Medien, …) umsetzen.

6. Volos und Vielfalt stärken

Volontärinnen und Volontäre werden nicht dafür ausgebildet, um Löcher zu stopfen. Im Gegenteil: Ihre neuen Ideen und Perspektiven können Innovationstreiber im eigenen Haus werden. Der Zugang zur journalistischen Ausbildung muss offener werden und sich mehr für Quereinsteiger und Menschen ohne Vorkenntnisse öffnen. Ergänzt mit weiteren Maßnahmen können Volos auch ein Weg sein, um besser marginalisierte Gruppen zu erreichen.


7. Resilienz aufbauen

Die Zahl der körperlichen Übergriffe auf Journalistinnen und Journalisten hat sich in Deutschland rasant erhöht. Dies geschieht auch wegen der wachsenden Pressefeindlichkeit. Im Lokaljournalismus besteht aufgrund der Nähe eine besonders hohe Gefahr, von Gewalt betroffen zu sein. Medienhäuser müssen mehr in Resilienz und Psychohygiene investieren und ihre Medienschaffenden vor Ort präventiv schützen. Ein Weg kann sein, die Standards umzusetzen, die im Schutzkodex für Medienhäuser festgelegt sind.

 

Vielen Dank an alle Teilnehmenden, die auf der CORRECTIV.Lokal Konferenz 2025 ihre geballte Kompetenz in Memes und Kommentaren weitergegeben haben. Diese Stimmen zeigen, wie wichtig es ist, sich wieder auf journalistische Kernaufgaben wie Recherche, Zuhören und Dialog zu konzentrieren. Das müssen wir ernst nehmen, um die Zukunft des Lokaljournalismus zu sichern. 

Diese Forderungen erscheinen auch auf der Website des Medienmagazins Journalist. 

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