Im Ländervergleich: Privatunis gehen meist leer aus
Im Rahmen des Hochschulpaktes wird jeder neue Studienplatz vom Bund mit 13.000 Euro gefördert. Ob der an einer staatlichen oder einer privaten Hochschule entsteht, ist egal. Doch die meisten Bundesländer geben das Geld nicht an die privaten Hochschulen weiter. NRW bewegt sich, was die Förderung betrifft im Mittelfeld, verliert aber trotzdem spannende Projekte wie die IT-Hochschule Code an Berlin.
Eigentlich ist Bildung Ländersache. Was in Deutschlands Schulen und Universitäten geschieht, geht den Bund nichts an. Innenpolitik und Bildung sind die Politikfelder, mit denen die Bundesländer ihre Eigenständigkeit und das teure föderale System in Deutschland rechtfertigen. Aber so ganz ohne den Bund geht es dann doch nicht, wenn es finanziell mal eng wird.
2007 schlossen der Bund und die Länder den Hochschulpakt: Bis 2023 wird der Bund 20,2 Milliarden Euro in den Ausbau der Hochschulen stecken. Die Länder stellen in diesem Zeitraum weitere 18,3 Milliarden Euro an zusätzlichen Mitteln bereit. Das Ziel des Hochschulpaktes ist die Schaffung von mehr Studienplätzen. In der begonnenen dritten Phase soll auch die Zahl der Studienabbrecher verringert werden. Der Großteil des Geldes ging allerdings nicht an die Privathochschulen, auch wenn sie viele der neuen Studienplätze schufen.
Kritik an der Hoheit der Länder
Der Bottroper CDU-Bundestagsabgeordnete und Bildungspolitiker Sven Volmering hält die Umsetzung des Hochschulpaktes durch die Länder für problematisch. Der Hochschulpakt, sagt Volmering, sei eine Verwaltungsvereinbarung zwischen Bund und Ländern, die nicht vorschreibt, ob damit staatliche oder private Hochschulen gefördert werden sollen. Insofern sei es Sache der Länder, die Entscheidung darüber zu treffen, welche jeweilige Hochschule gefördert wird – ob nun staatlich oder privat.
„Ich sehe es kritisch, dass die meisten Länder die Mittel des Bundes nicht an die privaten Hochschulen weitergeben. Die zahlreichen privaten Hochschulen in Deutschland sind ein wichtiger Bestandteil unseres Hochschulsystems und sollten als solcher auch angemessen von der Bundesförderung profitieren können“, sagt der NRW-Politiker. Dem Statistischen Bundesamt zufolge sei die Anzahl der Studierenden an privaten Hochschulen von knapp 16.000 im Wintersemester 1995/1996 auf ungefähr 196.500 Studierende im Wintersemester 2015/2016 gestiegen. „Das ist ein beachtlicher Anstieg, der berücksichtigt werden sollte.“
Auch Privathochschulen brauchen Unterstützung
Die Privathochschulen, sagt der Berliner Bildungsökonom Dieter Dohmen, hätten das Geld allerdings auch gut gebrauchen können, weil sie sich wirtschaftlich trotz Studiengebühren nicht tragen, sie aber für das Funktionieren des Hochschulstandortes Deutschland längst unverzichtbar sind.
Ein Anlass für den Hochschulpakt waren die doppelten Abiturjahrgänge. Um sie aufzunehmen, reichten die damaligen Studienplatzangebote nicht aus. Ein weiterer Grund war das Ziel, die Zahl der Akademiker zu erhöhen. Nahmen 2005 nur 37 Prozent der Abiturienten eines Jahrgangs ein Studium auf, sind es seit 2014 knapp über 50 Prozent.
13.000 Euro gibt der Bund den Ländern für jeden zusätzlich geschaffenen Studienplatz. Dabei ist es egal, ob der an einer staatlichen oder an einer privaten Hochschule geschaffen wurde. Doch das Geld gibt der Bund nicht direkt an die Hochschulen. Es geht an die Länder und die entscheiden, wie sie mit dem Geld umgehen.
NRW zahlt zumindest einen Teil
Schaut man sich die Bundesländer im Vergleich an, wird deutlich: Nur ein kleiner Teil der Länder reicht die Förderung des Bundes auch an ihre privaten Hochschulen weiter – egal, ob diese neue Studienplätze geschaffen haben oder nicht. Das müssen die Länder aber auch nicht, sagt das Bundesbildungsministerium für Bildung und Forschung auf Anfrage von CORRECTIV.Ruhr. „Die Verwaltungsvereinbarung zum Hochschulpakt enthält keine gesonderten Regelungen für private Hochschulen. Eine Weiterleitung liegt daher im Ermessen der Länder. Nach Kenntnis des BMBF leiten Baden-Württemberg, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein Bundesmittel aus dem Hochschulpakt an private Hochschulen weiter.“
So ganz im Bilde ist der Bund aber nicht, was die Verwendung seiner Mittel betrifft. Nordrhein-Westfalen zum Beispiel hat das Geld des Bundes nie in vollem Umfang an die privaten Hochschulen weitergegeben – das heißt, in dem Umfang, wie es den privaten Hochschulen nach der Anzahl der von ihnen geschaffenen Studienplätze theoretisch zugestanden hätte.
NRW nicht an Absprachen gehalten
Mittlerweile gibt es für die gar nichts mehr. Das NRW-Bildungsministerium teilte auf Anfrage mit: “In der durch den doppelten Abiturjahrgang entstandenen Sondersituation hatte das Land den privaten Hochschulen eine Beteiligung am Hochschulpakt angeboten. Wegen ihrer Studiengebühren erhielten sie jedoch nur ein Viertel der Prämie, die öffentlich-rechtlichen Hochschulen gewährt wurde. (…) Da inzwischen auch die Kapazitäten der öffentlich-rechtlichen Hochschulen ausgeweitet wurden und zumindest einige Ursachen der erhöhten Studiennachfrage nicht mehr bestehen, sieht das Land keine Veranlassung mehr, diese Förderung aufrechtzuerhalten.“
Volmering ist von der Praxis in NRW nicht überrascht. Sie passt für den Christdemokraten ins Bild: „Die nordrhein-westfälische Landesregierung hat sich bereits bei der Millionenentlastung durch den Bund im Bereich der BAföG-Mittel nicht an Absprachen gehalten. Mit den freiwerdenden Mitteln wurden nicht, wie vereinbart, die Hochschulen unterstützt. Die Landesregierung setzt nun auch die Mittel des Hochschulpaktes nicht konsequent im eigentlichen Sinne einer Unterstützung für alle Hochschulen ein. Ich appelliere an die privaten Hochschulen, sich bei Bedarf für eine ausgeglichene Förderung stark zu machen.“
Ein einträgliches Geschäft für die Länder
Je nachdem, wie viele neue Studienplätze geschaffen wurden, kann die Hilfe des Bundes ein einträgliches Geschäft für die Länder sein. Auf die Anfrage von CORRECTIV.Ruhr, wie sie mit den Geldern des Bundes umgehen, und wie viele Studienplätze an privaten Hochschulen geschaffen wurden, haben nicht alle Länder geantwortet. Vor allem bei der Zahl der neu geschaffenen Studienplätze an Hochschulen waren die meisten Bundesländer zurückhaltend. Bremen antwortete ausführlich: Das „kleinste Bundesland der Welt“ gibt kein Geld vom Bund an die Privathochochschulen weiter. Zwischen 2011 und 2015 wurden 2.218 Studienplätze an Privathochschulen gegründet. Bremen kassierte dafür also über 28 Millionen Euro.
Wie sieht es in den übrigen Bundesländern aus?
Für das Land Sachsen sind die Studienplätze überhaupt kein Maßstab. Die Bundesmittel gehen nicht direkt an die Hochschulen: „Sachsen setzt die Mittel in konkreten Programmen für zusätzliche Beschäftigungsverhältnisse für die Lehrerbildung, zur Senkung der Überlastsituation, für Tutorien um, also zielgenau und nicht pauschal. Private Hochschulen erhalten keine Mittel aus dem Hochschulpakt.“
Auch im Saarland fließen die Mittel des Bundes nur in die öffentlichen Hochschulen. Und das, obwohl die seit 2011 die Zahl der Studienplätze verringert haben: Gab es 2011 noch 4.750 Studienanfänger an den staatlichen Hochschulen, waren es 2015 nur noch 4.203. Die privaten Hochschulen des Saarlandes hingegen steigerten die Zahlen ihrer Erstsemester im selben Zeitraum von 984 auf 1.552.
Niedersachsen gibt ebenfalls kein Geld aus dem Hochschulpakt an Privathochschulen und nennt auf Anfrage keine Zahlen zu Studienplätzen außerhalb des staatlichen Sektors. Hamburg ist wiederum offener: Allein 2016 nahmen 4.592 Studenten an Privathochschulen in Hamburg ein Studium auf. Mittel aus dem Hochschulpakt gab es keine.
Länder wie Bayern und Berlin antworteten gar nicht. Gerade für die Bundeshauptstadt mit ihren 28 privaten Hochschulen, die keine Gelder aus dem Hochschulpakt bekommen, sind die Bundesmittel offenbar eine gern genutzte Finanzierungsquelle für die staatlichen Hochschulen. Vielleicht ist das auch – neben der Tatsache, dass eine vielfältige Hochschullandschaft einen Standort attraktiv macht – einer der Gründe, warum es in keinem Bundesland so einfach für eine private Hochschule ist, eine Zulassung zu bekommen, wie in Berlin.
IT-Hochschule ging nach Berlin statt Köln
Die geringe Bürokratie war ein Grund für Thomas Bachem, mit seiner privaten IT-Hochschule Code nicht an seinem Wohnort in Köln zu starten: „Berlin hat die höchste Dichte an privaten Hochschulen in Deutschland. Und das liegt nicht zuletzt daran, dass dort das Hochschulgesetz in einigen Aspekten liberaler ist“. Für ihn war es wichtig, die staatliche Anerkennung schnell zu erlangen, damit Code im Wintersemester 2017 die Arbeit aufnehmen kann.
In Berlin kann beispielsweise die Programmakkreditierung während des Hochschulbetriebs geregelt werden. Das ist in NRW nicht möglich. Das Zulassungsverfahren dauert hier wesentlich länger. Schon vor dem Beginn der Lehrtätigkeit muss das Studienprogramm genehmigt werden.
Das ungeliebte Kind
Die Begründungen der Länder, die das Geld aus dem Hochschulpakt nicht an die Privathochschulen weitergeben, sind überall dieselben: „Private Hochschulen haben ihre Geschäftsmodelle grundsätzlich auf privater Finanzierungsbasis abzusichern“, antwortet Hamburg ,„Sie haben eine grundsätzlich andere Finanzstruktur und folgen marktwirtschaftlichen Prinzipien“, schrieb uns Niedersachsen. „Die Finanzierung der aufgenommenen Studierenden erfolgt bei privaten Hochschulen ganz wesentlich über Studiengebühren, die grundsätzlich kostendeckend sind“, teilt Bremen auf Anfrage mit.
Für den Bildungsökonom Dieter Dohmen wird an dem Umgang der Länder mit den Mitteln aus dem Hochschulpakt deutlich, dass die privaten Hochschulen nach wie vor das ungeliebte, aber praktische Kind der Bildungspolitik sind: „Ohne die privaten Hochschulen wäre es unmöglich gewesen, die Zahl der Erstsemester in den vergangenen Jahren von 350.000 auf über 500.000 zu erhöhen.“ Dohmen kann nachvollziehen, dass die Länder alle Finanzierungsquellen nutzen, die sich ihnen bieten.
Ob es allerdings weitsichtig ist, die Gelder des Hochschulpaktes einseitig zu verteilen, bleibt fraglich. Hochschulen – ob staatliche oder private – sind wichtig, um Nährboden in seinem Land zu schaffen, damit längerfristig neue Ideen und Potenzial wachsen können.