CORRECTIV.Ruhr

Die Medienkompetenz der AfD

Bei einer Diskussionsrunde des Deutschen Journalisten-Verbandes (DJV) am Düsseldorfer Hafen warf der AfD-Politiker Marcus Pretzell mit alternativen Fakten zum Verhältnis zwischen seiner Partei und Pegida um sich. Außerdem forderte der NRW-Spitzenkandidat den Staatsfunk, verteidigte den Ausschluss von Journalisten bei Parteitagen und distanzierte sich nicht von Beschimpfungen durch Parteikollegen gegenüber dem Journalisten Deniz Yücel, der zurzeit in der Türkei inhaftiert ist.

von Marcus Bensmann

AfD-Chef aus NRW Marcus Pretzell auf der Podiumsdiskussion des DJVs am Düsseldorfer Hafen über „Schwindende Medienvielfalt”,© Marcus Bensmann

Bei der gestrigen Diskussionsrunde des Deutschen Journalisten-Verbandes mit den medienpolitischen Sprechern der NRW-Parteien gab Marcus Pretzell einen beispielhaften Auftritt für das Verhältnis zwischen AfD und Presse. Als sich die medienpolitische Sprecherin der NRW-LINKEN, Özlem Demirel, im Laufe der Diskussion zur „schwindenden Medienvielfalt im lokalen Bereich“ besorgt über die „Lügenpresse“-Rufe von Pegida und Co. zeigte, warf ihr Marcus Pretzell vor, mit „alternativen Fakten“ zu arbeiten. Verbindungen der Straßenbewegung aus Dresden zu seiner Partei gebe es nicht mehr.

„Vielleicht haben sie das nicht mitbekommen, aber es ist tatsächlich so, dass die AfD sogar explizit einen Beschluss hat, der es untersagt, auf Pegida-Veranstaltungen aufzutreten“, sagte Pretzell, der die AfD als Spitzenkandidat in den Landtagswahlkampf führt, und arbeitete in diesem Moment selbst mit einer Unwahrheit. Zwar gab es den von Pretzell erwähnten Beschluss des Bundesvorstandes, dieser wurde aber von dem Bundesschiedsgericht der rechtspopulistischen Partei im vergangenen Jahr wieder kassiert. 

Patriotische Plattform feiert die Aufhebung

Die Vereinigung der völkischen Afdler, die „Patriotischen Plattform“, die gegen den Beschluss des Bundesvorstandes geklagt hatte, feierte den Entscheid des Schiedsgerichtes sogar auf ihrer Webseite. Mit dem Urteil „vom 3. August 2016 hat das Bundesschiedsgericht unserer Partei den Bundesvorstandsbeschluss aufgehoben, wonach AfD-Mitglieder weder als Redner, noch mit Parteisymbolen bei Pegida-Veranstaltungen auftreten sollen“.

Auf Anfrage von CORRECTIV.Ruhr sagte der Sprecher des Bundesvorstandes der AfD, Christian Lüth, dass sich seit dem Spruch des Schiedsgerichtes bis heute in der Angelegenheit kein neuer Sachstand ergeben habe. Die Ausführungen von Pretzell stimmen also nicht mit der Realität überein. Der AfD-Politiker nennt alternative Fakten.

Pretzells Behauptungen zu AfD und Pegida blieben während der Podiumsdiskussion unwidersprochen. Kritik gab es stattdessen für den Umgang von Pretzells Partei mit Journalisten. 

Staatsfunk statt WDR

Den Appell des DJV-Vorsitzenden Frank Überall an die AfD, in Zukunft keine Journalisten mehr von Parteitagen auszuschliessen, ließ Pretzell abprallen. Das habe nichts mit „Pressefreiheit“ zu tun, sagte der AfD-Mann, ein Journalist habe nicht das Recht, überall dabei zu sein. Pretzell verglich Parteitage mit Kabinettssitzungen der Bundesregierung, bei denen Journalisten auch nicht am Tisch säßen.

Zudem schlug Pretzell vor, die Öffentlich-Rechtlichen „einzudampfen“, die GEZ-Gebühren zu streichen, und diese in Zukunft aus Steuermittel zu bezahlen. 

Pretzells Vorschlag würde – wie die Ereignisse in Polen zeigen – zum „Staatsfunk“ führen, warnte der medienpolitische Sprecher der SPD Alexander Vogt. Es wäre fatal wenn die Mehrheit im Parlament darüber entscheiden könne, wie viel Geld der öffentliche Rundfunk bekäme, warf auch Thomas Nückel (FDP) ein.

Gefängnis wegen Volksverhetzung

Doch diese Äußerungen blieben nicht die einzigen des Abends, die den Umgang der AfD mit der Presse in Frage stellten. AfD-Politiker hatten sich in den vergangenen Wochen abfällig über den in der Türkei inhaftierten Journalisten Deniz Yücel geäussert und dessen Verhaftung begrüsst.  Darunter auch der Chef der Jungen Alternativen Markus Frohnmaier. 

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Frohnmaiers Tweet zur Inhaftierung des deutsch-türkischen Journalisten Deniz Yücel.

Screenshot Correctiv.Ruhr

„National-Borderliner #Yücel hätte in Deutschland schon längst wegen Beleidigung und Volksverhetzung Gefängnis von innen erleben sollen“, schrieb Frohnmaier auf Twitter am 27. Februar. Frohnmaier war bis zum Jahreswechsel auch Sprecher der AfD-Vorsitzenden und Pretzells Ehefrau Frauke Petry.

Yücel und die völkische Rechte

Auf dieses Zitat angesprochen, sagte Pretzell, dass Frohnmaier nicht mehr Sprecher von Frauke Petry sei, und dies die Meinung der Jungen Alternative sei. Frohnmaier hätte sich wahrscheinlich auf einige „kontroverse“ Artikel des Herrn Yücel in der taz bezogen. Eine klare Distanzierung klingt anders.

Der „kontroverse“ Artikel war eine Kolumne des Autors in der taz aus dem Jahre 2011. Yücel hatte in einer an die Geschmacksgrenzen gehenden Satire die Angst vor dem drohenden Aussterben des deutschen Volkes aufs Korn genommen, ja diesen spöttisch sogar begrüsst, und dem SPD-Politiker Thilo Sarazzin einen Schlaganfall gewünscht. Wegen der Verbalattacke auf den Autor des Buches „Deutschland schafft sich ab“ wurde die taz zu einer Strafzahlung von 20.000 Euro verurteilt. Sarazzin, der in dem Buch die von Yücel aufs Korn genommene Untergangsangst beschreibt, gilt in der AfD und der Neuen Rechten als Säulenheiliger.

Kein Einzelfall in der AfD

Yücels Glosse vor sechs Jahren nehmen die völkischen Ideologen in und außerhalb der AfD zum Anlass, die Verhaftung des Journalisten in der Türkei zu feiern, und die Praxis, Journalisten für Berichte, die einem nicht gefallen, ins Gefängnis zu werfen, auch für Deutschland zu fordern.

Frohnmaier ist kein Einzelfall in der AfD. Die Düsseldorfer AfD begrüsste die Verhaftung des Welt-Journalisten Yücel in einem Tweet, „Haftbefehl gegen Deniz #Yücel  von der  @welt erlassen.  Jetzt kann er in Ruhe über seine Aussage über uns Deutsche nachdenken.“