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Die Schmach von Köln

Das hatten Petry und Pretzell für den Bundesparteitag der AfD in Köln anders geplant: Zwar wurde die offene Auseinandersetzung zwischen den beiden großen Lagern der Partei vermieden, doch Parteichefin Frauke Petry wurde auf offener Bühne vom CO-Sprecher Jörg Meuthen gedemütigt. Und das unter dem Applaus der Delegierten. Wie geht es nun mit dem Landesvorsitzenden Marcus Pretzell in NRW weiter?

von Marcus Bensmann

Frauke Petry auf dem AfD Parteitag im Kölner Maritim Hotel© Ivo Mayr/ Correctiv

Auf dem Kölner Parteitag der AfD erlitt das Machtpaar der AfD, Marcus Pretzell und Frauke Petry, eine herbe Niederlage. Zur Freude des völkischen Flügels der Partei. Direkt zeigten sich AfD-Mitglieder aus NRW besorgt, ob Pretzell nach den jüngsten Entwicklungen als Spitzenkandidat für die AfD in NRW in den Wahlkampf ziehe oder allein um die Mandate für sein Lager kämpfe.

Was war geschehen?

Bisher konnte sich die Bundesvorsitzende Frauke Petry auf Parteitagen der AfD immer auf die Delegierten des mitgliederstärksten Landesverbands unter ihrem Ehemann Marcus Pretzell verlassen. Doch in Köln kippten die Mehrheiten.

Das gesichtswahrende Rückzugsgefecht, das das Lager um Petry und ihren Ehemann geplant hatte, scheiterte, und unter tosendem Applaus watschte der Co-Parteichef Jörg Meuthen aus Baden-Württemberg Petry im Saal des Maritim Hotels ab. Er nannte Petrys Forderung nach einer Entscheidung zwischen einer „fundamentaloppositionellen“ und „realpolitischen Strategie“ eine „trügerische Wahrnehmung“.

Welchen Plan verfolgte das Ehepaar?

Nach Informationen von CORRECTIV war sich das Lager um Petry und Pretzell vor dem Parteitag bewusst, dass für den Kurs – also den Rauswurf des völkischen Flügels um Björn Höcke und eine Festlegung der AfD auf eine realpolitische Strategie – die Mehrheiten fehlen könnten. Deswegen schmiedeten sie einen verwegenen Plan.

Anstatt den Konflikt in Köln auszufechten, sollten die strittigen Fragen auf dem Parteitag abmoderiert werden. Dann sollte in einer Art Burgfrieden die Partei nach außen hin eingeschworen und damit die Zeit bis zu den Wahlen in Nordrhein-Westfalen und im Bund überbrückt werden. Erst danach würde das Lager um Pretzell und Petry, sollte bis dahin die AfD Björn Höcke nicht aus der Partei geworfen haben, mit den gewonnenen Mandaten in Land und Bund eine neue Partei gründen und die AfD als völkische Hülse um Höcke und Gauland zurücklassen.

Die Veröffentlichung der CORRECTIV-Recherche am Vortag des Parteitages sorgte für Unruhe unter den Delegierten.

Ein Vorstandsmitglied sagte gegenüber CORRECTIV, dass die Geschichte auf der „richtigen Spur“ sei, und dass da ein„ungeheuerlicher Mandatenklau“ vorbereitet würde.  

Was passierte vor dem Parteitag?

Am Vorabend des Parteitages waren sich viele Parteigranden im Hotel bereits einig, dass mit Hilfe des Antrages auf Nichtbefassung alle strittigen Anträge beiseite geräumt werden sollten, und so werde der Einheitssehnsucht der Delegierten vor den Wahlkämpfen entgegengekommen.

Demnach sollten die Delegierten nicht über Petrys Leitantrag zur Festlegung auf einen „realpolitischen“ Kurs und die Positionierung gegen „völkische“ und „nationalistische“ Positionen  befinden. Aber auch der Antrag des völkischen Lagers, das Parteiausschlussverfahren gegen den Thüringer AfD-Chef Höcke zurückzunehmen, würde nicht behandelt werden.

Der Parteivorstand hatte unter Federführung von Petry das Ausschlussverfahren gegen Höcke nach dessen Rede in Dresden formuliert. Höcke hatte darin das Holocaustdenkmal in Berlin „als ein Denkmal der Schande“ bezeichnet und eine „Erinnerungspolitische 180-Grad-Wende“ gefordert.

Zusätzlich zur Rede in Dresden wirft das Parteiausschlussverfahren Höcke vor, unter dem Pseudonym Landolf Ladig für NPD-Zeitschriften geschrieben zu haben.

Der Soziologe Andreas Kemper hatte diesen Zusammenhang, den Höcke immer bestritten hat, vor zwei Jahren schon beschrieben. Der AfD-Vorsitzende aus Brandenburg Alexander Gauland glaubt dagegen Höcke. Höcke „habe ihm das Ehrenwort gegeben“, dass an der Geschichte nichts dran sei, sagt Gauland.

Die Geschehnisse auf dem Parteitag

Den Parteitag in Köln eröffnete Frauke Petry. Sie warb nochmals für ihren Antrag, dass sich die Delegierten für eine Strategie entscheiden sollten, zeigte sich aber bereit die strittigen Begriffe wie „realpolitisch“ oder „fundamentaloppositionell“ zu streichen und entschuldigte sich bei Gauland, dessen Namen sie in den Antrag genannt hatte.

Doch Pertys Bußgang am Samstag konnte die Delegierte nicht umzustimmen. Die Delegierten wollten sich nicht entscheiden und keinen Streit. Sie stimmten mit großer Mehrheit für die Nichtbefassung aller strittigen Anträge. Der Burgfrieden bis zu den Wahlen war damit gewahrt. Perty verteidigte ihren Antrag nicht mehr. So weit entsprach noch alles dem Plan, den sich ihr Lager zurecht gelegt hatte. Eigentlich.

Danach richteten die beiden NRW-Vorsitzenden der AfD in NRW Martin Renner und Pretzell ein Grußwort an die Delegierte. Pretzell wirkte schon wie bei dem Wahlkampfauftakt in Altenessen fahrig und unkonzentriert. Auch in Köln gelang es Pretzell nun nicht, die Stimmung im Saal für seine schwangere Frau zu drehen.

Das spürte der CO-Vorsitzende Jörg Meuthen. In einer von Applaus umtosten Rede führte er Petry, ohne sie beim Namen zu nennen, vor. Die AfD hätte keinen „Mangel an Realpolitik“, und es sei keine „Fundamentalopposition“, wenn man die „Regierenden“ nicht mehr ertragen könne.

Petry saß wie versteinert auf der Bühne und würdigte Meuthen keines Blickes. Danach trat Petry tief gekränkt vor die Presse, und wiederholte ihre Absicht, nicht für ein Spitzenteam der AfD im Bundeswahlkampf zur Verfügung zu stehen, die Partei habe mit der Nichtbefassung „einen Fehler“ gemacht. Petry sagte aber, dass sie Vorsitzende der AfD bleiben wolle.

Was bedeuten die Geschehnisse für die AfD?

Die inhaltliche Konsequenz des Sieges des völkischen Flügels in Köln zeigte sich bei dem Antrag, der Solidarität mit Israel in das Bundeswahlprogramm schreiben wollte. Sven Tritschler, der Chef der Jungen Alternative und enger Vertraute Pretzells, hatte mit dessen Unterstützung den Änderungsantrag zur außenpolitischen Ausrichtung der AfD formuliert. Der Antrag bezeichnet Israel als „einen strategischen Partner der Bundesrepublik Deutschland“.

Die Delegierten entschieden jedoch, den Antrag nicht zu befassen. Tritschler versuchte noch den Antrag mit dem Argument zu retten, die AfD müsse zeigen, dass in der Partei kein Platz für einen als Israelkritik getarnten Antisemtismus sei. Doch er scheiterte. Anscheinend sind auf dem Parteitag in Köln Antisemiten wohl gelitten.

Der berüchtigte Wolfgang Gedeon aus Baden-Württemberg war unter den Delegierten. Gedeon hatte die AfD-Fraktion 2016 verlassen müssen, nachdem dessen antisemitischen Schriften bekannt geworden waren. Doch seine Parteimitgliedschaft und der Delegiertenstatus blieben davon unberührt.

Wie geht es am Sonntag weiter?

Am Samstag diskutierte die AfD über das völkische Programm. Die Wahl des Spitzenteams und die Wahl neuer Schiedsrichter werden am Sonntag erwartet.

Bei den Wahlen zu den Schiedsrichtern bietet sich dem Lager um Pretzell und Petry dann die letzte Chance zur Revanche: Bisher ist das Bundesschiedsgericht mehr auf Seiten des völkischen Flügels. Der Höcke-Ausschluss wird unter der jetzigen Zusammensetzung als unrealistisch angesehen. Sollte es gelingen, Richter aus dem Perty-Lager ins Schiedsgericht zu bringen, würden die Chancen für den Rauswurf Höckes steigen.

Das völkische Lager gibt daher die Losung aus, auf jeden Fall den Vertrauten von Petry aus Sachsen, Michael Musters zu verhindern. Muster war viele Jahre unter dem CDU-Ministerpräsidenten Kurt Biedenkopf Ministerialdirigent.

Die Wahl zu den Schiedsgerichten könnte Pertys und Pretzell letzter Trumpf im Machtkampf der AfD sein.