CORRECTIV.Ruhr

Der Tod der Innenstädte

CORRECTIV.RUHR interviewt den Architekten und Stadtplaner Walter Brune über Konsumverhalten, Innenstädte und Einkaufszentren. Für Duisburg hat der Autor von „Angriff auf die City” sogar eine Skizze angefertigt. Brune hält die jetzigen Planungen der Ruhrgebietsstadt für fatal: „Entsteht das Duisburger-Outlet-Center auf dem Gelände des ehemaligen Güterbahnhofs, ist Duisburgs City tot.”

von Stefan Laurin

Architekt Walter Brune in seinem Wohnhaus in Düsseldorf.© Correctiv.Ruhr

Der Architekt und Stadtplaner Walter Brune hat praktisch das moderne Einkaufszentrum erfunden. Unter anderem plante Brune das RheinRuhrZentrum in Mülheim. Heute ist Brune einer der größten und wirkmächtigsten Kritiker von Konsumtempeln auf der grünen Wiese. Sein Buch „Angriff auf die City“ hat wie kein anderes die Debatte um den Einzelhandel in Deutschland beeinflusst. In letzter Zeit hat sich Brune mit den Plänen für ein Outlet-Center auf dem Gelände des ehemaligen Güterbahnhofes in Duisburg beschäftigt, dem Ort, an dem 2010 auch die Loveparade stattfand, in dessen Verlauf bei einer Massenpanik 21 Menschen starben.  

Walter Brune: Ich habe mir das Gelände, auf dem das Duisburger-Outlet-Center gebaut werden soll, angeschaut. Da passen nicht nur 30.000 Quadratmeter Verkaufsfläche drauf, sondern locker 60.000 und noch ein paar Tausend Parkplätze. Das Factory-Outlet-Center in Roermond baut jetzt ein Parkhaus für zehntausend Autos. Und wenn sie sich die Autos anschauen, die da stehen, sehen sie, woher die Kunden kommen: Köln, Düsseldorf, aus dem Ruhrgebiet — aus allen großen Städte sind Besucher da. Wenn Duisburg jetzt so etwas wie in Roermond, nur größer, baut, wird niemand aus Duisburg mehr in die Innenstadt gehen. Und weil viele Besucher aus Köln, Düsseldorf und dem Ruhrgebiet kommen werden, wird das Duisburger-Outlet-Center den Einzelhandel in sehr vielen Innenstädten beeinträchtigen. Selbst eine Stadt wie Düsseldorf kann solch eine weitere Belastung nicht vertragen, die haben ja mit ihrem Kö-Bogen und den Bilker-Arkaden schon genug Fehler gemacht, unter denen deren Innenstadt nun leidet.

Angriff auf die City

CORRECTIV.Ruhr: Mittlerweile ziehen sich ja auch große Shopping-Center-Betreiber wie die ECE zurück. Die Pläne für Centern in Bochum und Velbert hat die ECE aufgegeben. Was waren die Gründe?

Leben sieht anders aus. Die Königstraße ist Duisburgs zentrale Fußgängerzone. Der Architekt Walter Brune will sie wiederbeleben.

Leben sieht anders aus. Die Königstraße ist Duisburgs zentrale Fußgängerzone. Der Architekt Walter Brune will sie wiederbeleben.

Stefan Laurin

Brune: Mein Buch „Angriff auf die City“ hat denen damals schwer zugesetzt (lacht).

CORRECTIV.Ruhr:  Die ECE ist der Ansicht, dass sich nicht mehr alle Center lohnen — auch in Innenstädten nicht mehr. Die Otto-Gruppe, zu der die ECE ja gehört, investiert in den Online-Handel. Ist das der neue Gegensatz?

Brune: Das könnte auch eine Fehleinschätzung sein. Ich habe in Roermond mit einem Filialleiter gesprochen und der machte sich, was Textilien betrifft, keine Sorgen wegen des Online-Handels. Er war sich sicher, dass die hohen Transportkosten, vieles wird ja hin und her geschickt, weil Kunden vieles zu Hause anprobieren und dann umtauschen, den Online-Händlern die Marge raubt. Er sagte, diese Kosten seien so hoch wie der Preis der Ware in einem Outlet-Store.

Der Tsunami

CORRECTIV.Ruhr: Für klassische Händler sind Unternehmen wie Amazon und Zalando doch gefährliche Wettbewerber?

Brune: Mein Beispiel bezog sich auf Outletware. Gegen Online-Handel kann man nichts mehr tun. Das ist wie ein Tsunami, den kann niemand mehr aufhalten. Das ist die Entwicklung. Der billige Preis zieht. Die Menschen haben ja nicht beliebig viel Geld. Und sie wollen ja auch noch in Urlaub fahren und ein Auto haben. Da kaufen sie möglichst preiswert ein. Das in Outlet-Centern, wo sie zum Teil Markenware für 10 oder 20 Prozent des Ursprungspreises bekommen. Die Konsumenten nutzen diese Chance. Und die Unternehmen reagieren: Kaufhof baut das Karsch-Haus in Düsseldorf zu einem Outlet-Center um. Das war mal eines der Edel-Kaufhäuser. Jetzt wird es ein Edel-Outled. Die Zukunft der Innenstädte liegt in Outlet-Stores. Die Outlet-Stores müssen in die Innenstadt und sie dürfen nicht außerhalb der City gebaut werden, wie es in Duisburg gerade auf der Fläche des alten Güterbahnhofs, des Loveparade-Geländes, geplant ist. Güterbahnhof ist nicht Innenstadt.

Der Plan des Architekten Walter Brune für die Innenstadt Duisburg

Der Plan des Architekten Walter Bruno für die Innenstadt Duisburg

Stefan Laurin

CORRECTIV.Ruhr: Es gibt ja massive Proteste gegen diesen Plan. Zeitgleich zu Bundestagswahl und zur vorgezogenen Oberbürgermeisterwahl in Duisburg wird auch über einen Bürgerentscheid zum Thema Outlet-Center abgestimmt werden. Duisburgs OB Sören Link könnte nach Bärbel Zieling und Adolf Sauerland der dritte Duisburger Oberbürgermeister sein, der über diese Fläche stürzt.

Güterbahnhof ist nicht Innenstadt

Brune: Ich halte viel von der unabhängigen Kandidatin Sabine Josten, die ja auch Oberbürgermeisterin von Duisburg werden möchte. Sie hat ein gutes Konzept für die Fläche des ehemaligen Güterbahnhofs vorgelegt, das sich an die Planungen von Norman Foster anlehnt. Wohnen, Büros und ein kleines Zentrum für Nahversorgung. Das ist ein guter Plan für diese Fläche.

CORRECTIV.Ruhr: Als Aurelis, eine Immobilientochter der Bahn, die Fläche noch gehörte, ist sie damit gescheitert, sie zu vermarkten.

Brune: Aber nicht, weil es nicht gegangen wäre, sondern weil Aurelis die Fläche nicht entwickeln und möglichst schnell als Ganzes verkaufen wollte. Deshalb hat Aurelis sie dann ja an den Möbel-Center-Betreiber Kurt Krieger verkauft. Die Stadt muss nun die Fläche zurückkaufen und planen, was sie dort haben will. Dann kann sie anfangen, die einzelnen Parzellen zu vermarkten. Ich bin mir sicher, dass das funktionieren wird.

Der Plan

CORRECTIV.Ruhr: Dafür müsste die Stadt die initiative ergreifen.

Brune: Und das ist das große Problem: Sie tut es zur Zeit nicht. sie nimmt ja nicht mal Hilfe an. Ich habe der Stadt angeboten, kostenlos ein Konzept zu erstellen, bei dem Outlets in die Innenstadt integriert werden. Es bestand kein Interesse.

CORRECTIV.Ruhr: Sie wollen das Duisburger-Outlet-Center in der Innenstadt bauen?

Brune: Nein, ich will kein ganzes Center in die Innenstadt setzen. Aber ich will 100 Outled-Läden in die Innenstadt holen. Das sind zwar weniger, als die 175 auf dem Güterbahnhofsgelände geplanten Läden, aber immer noch so viele, dass die Duisburger Innenstadt viele neue Besucher haben wird. Entstehen können diese Läden auf der Königsstraße. Die ist an viele Stellen so breit, das genug Platz für neue Geschäfte ist. Und die werden der Innenstadt nicht schaden, denn die Besucher die sie anziehen, werden auch den traditionellen Einzelhandel und die Gastronomie aufsuchen. Das ist für die Duisburger Innenstadt eine große Chance. Entsteht das Duisburger-Outlet-Center auf dem Gelände des ehemaligen Güterbahnhofs, ist Duisburgs City tot.