Alte Apotheke

Ermittlungspanne im Apothekerprozess

Im Prozess zu den gestreckten Krebsmedikamenten aus der Alten Apotheke in Bottrop sagt der Sachverständige Martin Schuler von der Uniklinik Essen, dass gewisse Krebsmedikamente zwei Wochen lang anhand von Blutproben nachweisbar gewesen wären. Diese Blutproben wurden jedoch im Zuge der Ermittlungen anscheinend nicht genommen.

von Cristina Helberg , Marcus Bensmann

Staatsanwalt Rudolf Jakubowski im Landgericht Essen

Staatsanwalt Rudolf Jakubowski im Landgericht Essen© Cristina Helberg/Correctiv.org

Im Prozess um die gestreckten Krebsmedikamente zeigte sich am neunten Tag eine schwere Ermittlungspanne. Die Staatsanwaltschaft versäumte am Tag der Razzia etwas Entscheidendes: Patienten, die spezielle Krebsmittel aus der Alten Apotheke bekommen haben, Blutproben zu entnehmen. Bei monoklonalen Antikörpern sei es nämlich möglich, noch zwei Wochen nach Verabreichung die Konzentration nachzuweisen, sagte der Professor am onkologischen Institut der Uniklinik Essen Martin Schuler am Freitag vor dem Landgericht Essen.

Schuler trat in dem Prozess um die gestreckten Krebsmedikamente als Sachverständiger auf. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Apotheker Peter Stadtmann aus Bottrop vor, über 60.000 Krebsmedikamente gepanscht zu haben. Die Klage stützt der Staatsanwaltschaft auf die Buchhaltung der Apotheke, nach der weniger Wirkstoffe eingekauft wurden als vergeben. Hinzu kommen die Ergebnisse einer Razzia, die bei beschlagnahmten Krebsinfusionen Mindergehalte festgestellt hatten. Die Staatsanwaltschaft wirft Stadtmann vor, 35 Wirkstoffe unterdosiert zu haben, darunter 15 monoklonale Antikörper, also genau die Wirkstoffart, die zwei Wochen lang im Blut nachweisbar ist. Die Verteidiger des Apothekers widersprechen der Anklage.

Schuler sagte am neunten Prozesstag vor Gericht als Sachverständiger aus. Dessen Spezialgebiet ist die medikamentöse Tumortherapie. Im Gegensatz zu klassischen Zytostatika, die innerhalb weniger Stunden zerfallen, haben monoklonale Antikörper eine Halbwertszeit von circa 14 Tagen, sagte Schuler. „Hätte man Blutproben rechtzeitig asserviert, könnte man mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit nachweisen, ob Wirkstoff verabreicht wurde und auch eine erhebliche Unterdosierung wäre nachweisbar“, sagte Schuler vor Gericht.

Das versäumten offenbar Staatsanwaltschaft und Ermittler. Nach Erkenntnissen von CORRECTIV wurde Schuler erst zwei Wochen nach der Razzia als Sachverständiger angefragt. Also viel zu spät. Für die Ermittlungen verstrich so wertvolle Zeit. Monoklonale Antikörper waren dann nicht mehr nachweisbar.