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Bärbel Höhn: „Der Ausstieg aus fossilen Energien wird auch NRW erfassen“

Mehrere Bundesländer haben nach CORRECTIV-Recherchen rund 400 Millionen Euro in klimaschädliche Unternehmen investiert. Spitzenreiter sind die grün-regierten Bundesländer Baden-Württemberg sowie Nordrhein-Westfalen. Die Grünen-Politikerin Bärbel Höhn fordert, dass diese Anlagen deutschlandweit schnellstmöglich abgezogen werden. Höhn ist Vorsitzende des Umweltausschusses des Bundestages. Von 1995 bis 2005 war sie Umweltministerin in NRW.

von Fabian Löhe

Bärbel Höhn ist seit 26 Jahren Mitglied von Land- oder Bundestag. Sie fordert ein schnelles Divestment im Bund und in den Ländern.© Bärbel Höhn

correctiv.ruhr: Frau Höhn, wie passen diese Anlagen zum Klimaschutzbekenntnis der Grünen?

Bärbel Höhn: Für mich sind die Grünen eine  Divestment-Partei – das gilt auch für Länder wie NRW. Immerhin war Münster die erste Stadt, die ein Divestment beschlossen hat und auch der Landtag NRW hat dies beschlossen. Ich gehe also davon aus, dass der Ausstieg aus fossilen Unternehmen jetzt auch die Landesregierungen in Baden-Württemberg und NRW erfassen wird. Denn die Kursverluste von RWE und E.ON der letzten Jahre machen deutlich, wie riskant fossile Anlagen sind.

correctiv.ruhr: In NRW könnte Ihnen die SPD-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft einen Strich durch die Rechnung machen. Schließlich ist sie eine starke Kohle-Befürworterin…

Höhn: Auch in NRW wird doch der Kohleausstieg diskutiert, schließlich ist der Tagebau Garzweiler 2 bereits auf Grünen Druck verkleinert worden. Er wird auch weiterhin ein wichtiges Thema bleiben. Wir brauchen vor Ort nämlich klare Ansagen und Planungssicherheit. Die Kommunen sind durch die Verluste mit RWE bereits leidgeprüft. Aus diesen Erfahrungen sollte NRW lernen. 

correctiv.ruhr: In Baden-Württemberg steht die Landesregierung mit Winfried Kretschmann sogar unter der Führung eines Grünen-Ministerpräsidenten, und zwar schon seit fast sechs Jahren. Warum ist da so lange nichts passiert?

Höhn: Vor sechs Jahren hat doch in Deutschland noch kaum jemand über Divestment gesprochen, das ist eine sehr junge Bewegung. Außerdem enthält der neue Koalitionsvertrag mit der CDU einen Prüfauftrag für Divestment. 

correctiv.ruhr: Papier kann bisweilen sehr geduldig sein… 

Höhn: Koalitionsverträge sind dazu da, umgesetzt zu werden. Aus dem derzeitigen Prüfauftrag zum Divestment wird sicher schnell konkrete Politik werden. Der entsprechende Druck aus der Bewegung wird immer stärker. Außerdem sind die Menschen in Baden-Württemberg als sparsam bekannt. Ich gehe daher davon aus, dass sie allein schon um unnötige Risiken zu vermeiden den Beschluss umsetzen werden.

Höhn: Wie kann die Bundesregierung gegen fossile Investitionen gegensteuern?

correctiv.ruhr: Die Bundesregierung muss die etwa 100 Millionen in fossilen Unternehmen aus ihren Beamtenpensionen und den Rücklagen für die Bundesanstalt für Arbeit schnellstmöglich abziehen und stattdessen nach ethischen Kriterien anlegen. Dann sollten Banken und Unternehmen per Gesetz dazu verpflichtet werden, in ihren Geschäftsberichten auszuweisen, inwieweit ihre Geschäftspolitik mit dem Zwei-Grad-Limit vereinbar ist. Zudem brauchen wir jetzt einen Klimastresstest für fossile Unternehmen und für die Banken, die ihnen Kredite geben. Sonst kann uns die nächste Bankenkrise vor der Tür stehen. 

correctiv.ruhr: Wohin sollen Bund und Länder stattdessen investieren?

Höhn: Man könnte die fossile Unternehmen aus den jeweiligen Portfolios herausnehmen und auf die verbleibenden Unternehmen gleichmäßig verteilen. So würde die Stabilität des Investments erhalten bleiben.

correctiv.ruhr: Wenn die Pensionsfonds aber nicht solche Anlagen abziehen, sind dann die Altersbezüge der Beamten überhaupt noch sicher?

Höhn: Die Bundes- aber auch die Landesregierung sind bislang die Antwort schuldig geblieben, ob die Pensionen noch sicher sind und sollten das dringend prüfen. Zwar wird Klimapolitik nur langsam umgesetzt, so dass die CO2-Blase nicht von heute auf morgen platzen würde. Aber klar ist: Geld, das in fossilen Unternehmen angelegt ist, ist verlorenes Geld. Denn wenn wir echten Klimaschutz betreiben, müssen 80 Prozent von Kohle, Öl und Gas im Boden bleiben. Die simple Mathematik zeigt, dass sich solche Investments nicht lohnen.