Unterrichtsausfall – der Check: Empörung, Wut, Sorge und Zynismus
Mit unserem Check zum Unterrichtsausfall konnten wir eine Menge Daten zusammentragen. Wichtig sind aber nicht allein nackte Zahlen, sondern auch das, was dahintersteht: die Situation an den Schulen, die Qualität des Unterrichts, das Erleben der Menschen vor Ort. Hier zeigen wir eine – teilweise gekürzte – Auswahl von Kommentaren aus der Crowd.
Die Kommentare bewegen sich zwischen Empörung, Wut, Sorge und Zynismus. Es melden sich vor allem jene zu Wort, die unzufrieden sind. Schulen, bei denen alles gut läuft – vielleicht ist das sogar die Mehrheit – bleiben daher unberücksichtigt. Die Kommentare und die große Beteiligung geben aber Hinweise darauf, dass es Probleme und Missstände während unserer Erhebung gab und auch weiterhin gibt. Unserer Stichprobe an Dortmunder Schulen kam zu dem Ergebnis, dass der Anteil der ersatzlos gestrichenen Schulstunden am nicht planmäßig erteilten Unterricht doppelt so hoch ist, wie vom Schulministerium behauptet.
Den angemeldeten Helfern in unserem CrowdNewsroom, den wir zur Datenerhebung genutzt haben, wurde zugesichert, dass ihr Name und die Angaben zur jeweiligen Schule nicht veröffentlicht werden. Deshalb erscheinen die Kommentare hier anonym. Ob die Schilderungen und Vorwürfe richtig sind, haben wir nicht kontrolliert. Allerdings hatten alle Schulen die Möglichkeit, zu jeder als ausgefallen gemeldeten Stunde Stellung zu nehmen. Dieses Angebot wurde praktisch nicht angenommen.
1. April, Realschule: „Am Donnerstag, 30.3.2017, wurden in der Schule wegen eines Lehrerausflugs nur ,Kurzstunden‘ abgehalten, die anstatt 45 Minuten nur 30 Minuten lang gehen. Dadurch haben die Schüler dann früher frei.“
1. April, Gymnasium: „Eine 28-Stunden-Woche für eine 5. Klasse auf dem Gymnasium liegt unter dem Durchschnitt.“
31. März, Gymnasium: „In der gesamten Woche fiel der Lateinunterricht aus. Die Lehrerin hat drei Arbeitsblätter ausgeteilt. Die Kinder sollten sich mit der Lektion alleine auseinandersetzen. Da fachfremd vertreten wurde, konnten keine Fragen gestellt werden. Für einige Kinder ist es dann schwer, alles alleine zu erarbeiten.“
29. März, Gymnasium: „In der ersten Stunde wurde fachbezogen unterrichtet, aber ein völlig veraltetes Thema, das nichts mit der in der nächsten Stunde angekündigten Klassenarbeit zu tun hatte. Die zweite Sunde wurde fachfremd vertreten.“
28. März, Gymnasium: „Die Lehrerin, die den Unterricht regelmäßig zehn Minuten nach offiziellem Stundenbeginn startet, einigte sich für diese Schulstunde mit den Schülern auf einen Beginn um 8.15 Uhr, somit 30 Minuten nach Stundenbeginn. Nach meinem Empfinden ist eine Unterrichtsstunde, von der zwei Drittel geplant und grundlos nicht erteilt werden, ausgefallen.“
24. März, Gymnasium: „Betreuungslehrer war über den gesamten Zeitraum nicht anwesend. Betreuung nur deshalb, weil der Lehrer sagte: ,Die Stunden dürfen im Unterrichtsausfall – Der Check nicht auftauchen.‘ Ansonsten wäre ersatzloser Ausfall gewesen.“
23. März, Gymnasium: „Die Referendarin weigerte sich, Unterricht abzuhalten, da nur sechs Schüler anwesend waren. Die anwesenden Schüler baten darum, den Lehrstoff mit Übungen zu vertiefen, was jedoch von der Referendarin abgelehnt wurde.“
22. März, Gymnasium: „Die Lehrer sind angewiesen worden, aufgrund der aktuellen Stundenzählungen keine Stunden mehr unbetreut zu lassen. Somit wird ein Bild verfälscht. Unter normalen Umständen war das durchaus nicht so. Hier entsteht eine Verwahrhaltung, die keinem Schüler nutzt.“
22. März, Gymnasium: „Unsere Schule hat die ,Nebenaufsicht‘ eingeführt. Das heißt, dass ein fachfremder Lehrer in die Klasse kommt, man eine Anwesenheitsliste machen muss, und dann kann man alles machen, was man will. Das nenne ich nicht Vertretung, vor allem nicht, wenn der Lehrer einen Unterricht und drei Nebenaufsichten gleichzeitig hat.“
20. März, Gymnasium: „Im Moment fallen eher weniger Stunden aus, als in den beiden Monaten zuvor! Kommentar unserer Tochter: Es wird jetzt darauf geachtet, dass so viel wie möglich stattfindet, wegen der momentan laufenden Aktion! Originalton: So viel Unterricht hatte ich noch nie!“
17. März, Gymnasium: „Der offizielle Vertretungsplan weist diese Stunden als ,Vertretung‘ aus, da die Anzeige offiziell zurzeit nicht richtig funktioniert. Die Schüler erhielten eine Rundmail, dass die Stunden ausfallen.“
17. März, Gymnasium: „Diese Woche stand der Ausfall wieder auf dem Vertretungsplan, obwohl die Stunde laut unserem Lehrer gestrichen wurde.“
16. März, Gymnasium: „Eigentlich war eine Lehrerin als ,Nebenaufsicht‘ eingeteilt, jedoch ist die Lehrerin nach einer Wartezeit von 30 Minuten nicht aufgetaucht. Es ist zu bemerken, dass die Lehrerin selber wahrscheinlich zeitgleich planmäßigen Unterricht halten musste. Letzteres ist öfters der Fall.“
16. März, Realschule: „Zu Beginn des Schuljahres laut Stundenplan am Donnerstag sechs Schulstunden. Das wurde aber vor zwei Wochen abgeändert! Es wurde die erste Stunde gestrichen, der Stundenplan auf fünf Schulstunden abgeändert! Für mich ist das ganz klar eine Fehlstunde, die nur schönmanipuliert wurde.“
14. März, Gymnasium: „Vertretungslehrer hatten noch anderen Unterricht zu betreuen (sog. Nebenaufsicht), deshalb nur Anwesenheitsliste in der zweiten Stunde angefertigt. Ansage der Rektorin ist, es fällt keine Unterrichtsstunde aus. Doch so ist das wohl eher ein ,Verwahrverhalten‘ und bringt weder dem Schüler noch der Schule etwas. Zumal es in diesem Fall Eckstunden sind.“
13. März, Gymnasium: „Oberstufenschüler haben sich bei dem Stufenkoordinator beschwert, dass sie so viel Vertretung haben und Randstunden nicht mehr ausfallen, sondern sie ohne Aufgaben die Zeit ,abhängen‘ müssen. Daraufhin hat er im Unterricht gesagt, sie sollen sich nicht aufregen, in zwei Wochen wäre die Abfrage der Ruhr Nachrichten vorbei und alles würde wieder sein wie vorher.“
12. März, Gymnasium: „Es gibt eine Unterrichts-Ausfall-App. Diese funktioniert in der Regel ganz toll, nämlich gar nicht! Die App wird aktualisiert, wenn der Unterricht schon begonnen hat oder auch gerne mal fünf Minuten vorher. (…)“
11. März, Gymnasium: „An einem anderen Tag, in einer anderen Klasse, kam der Unterrichtsausfall so zustande: Der Unterricht wurde verlegt in eine Rand-Doppelstunde, nur ca. die Hälfte der Schüler erschien, der Lehrer wartete noch etwas und ließ dann die Anwesenden abstimmen, ob der Unterricht stattfinden soll. Natürlich stimmte die Mehrheit dagegen und der Unterricht fiel aus. Ich finde das unglaublich, möchte aber den Lehrer persönlich nicht nennen, da dieses Vorgehen laut Schülerinfo so üblich sei.“
9. März, Gymnasium: „Wohl als Reaktion auf die laufende Erhebung von Ausfallstunden wird der Vertretungsplan bis auf Weiteres nicht mehr veröffentlicht.“
7. März, Gymnasium: „Ich möchte Sie als Schülerin eines Gymnasiums über die Unterrichtsausfälle an unserer Schule informieren. Prinzipiell ist die Idee ja nicht schlecht, eine Art Befragung zu machen, aber das Ergebnis entspricht wahrscheinlich nicht direkt der Wahrheit.
In den letzten Monaten hatte ich jede Menge ausfallende Stunden, auch in meinen Abiturfächern. Teilweise gab es Tage, an denen ich nur zwei von sechs Stunden am Tag Unterricht hatte. Seit dem 1. März wird bei uns jede Stunde, die eigentlich ausfallen würde, als Nebenaufsicht angezeigt. Das hatte ich davor vielleicht einmal im Jahr, jetzt besteht der gesamte Vertretungsplan nur noch aus Nebenaufsichten. Nebenaufsicht bedeutet so viel wie: Der Lehrer, der gerade eine andere Klasse unterrichtet, kommt für fünf Minuten in den Raum, geht die Anwesenheitsliste durch und gibt im besten Fall Aufgaben, die im Endeffekt keiner (zumindest nicht in dieser Stunde) bearbeitet, da man ja auch nach Hause gehen oder Musik hören kann.
Ich gehe stark davon aus, dass spätestens nach diesem Monat keine Nebenaufsicht mehr stattfinden wird.“
6. März, Gymnasium: „Die Stunde wurde fachfremd vertreten. Der Lehrer musste drei Klassen gleichzeitig beaufsichtigen. Es wurde eine Aufgabe in Chemie verteilt, danach konnten die Kinder sich selbst beschäftigen.“
2. März, Gymnasium: „Die Schule hat seit gestern den Vertretungsunterricht neu organisiert. In der Oberstufe fällt kein Unterricht mehr aus, sondern die Kurse werden auf andere Kurse aufgeteilt.“
1. März: „Als pensionierter Lehrer weiß ich, dass in der offiziellen Schulstatistik der Landesregierung nur solcher Unterrichtsausfall aufgeführt ist, der als solcher erfasst worden ist. Hierbei sind z.B. Unterrichtsstunden, die von einem einzelnen Lehrer gleichzeitig in vier Klassen unterrichtet werden, nicht erfasst. (…)
Die Berufskollegs mit den Klassen mit allgemeinbildenden Abschlüssen sind nicht erfasst. Eine zuweilen zu findende Praxis bei der Gestal- tung von Stundenplänen ist die Erstellung von Phantomstundenplänen. Hierbei gibt es zwei Stundenpläne: einen für die Schüler und einen inoffiziellen mit mehr Unterrichtsstunden, als den Schülern bekannt, bei denen der Unterricht tatsächlich gar nicht erfolgt. Da diese nicht erteilten Unterrichtsstunden den Schülern nicht bekannt sind, können diese auch nicht bei diesen Schülern erfragt werden.“
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