Teaser Bild des CORRECTIV Spotlight Newsletters

die Wahlkampf-Maschinerie läuft seit Wochen auf Hochtouren. Die Parteien versuchen, in kürzester Zeit Wahlprogramme und überzeugende Thesen zu formulieren, um möglichst viele Menschen zu überzeugen. Aber sind das auch die Themen, die für Sie als Wählerinnen und Wähler wichtig sind? Warum es Lücken gibt und wie wir das ändern wollen, darum geht es heute im Thema des Tages. 

Außerdem im SPOTLIGHT: Was hinter der Ankündigung der AfD-Spitze steckt, ihre Jugendorganisation umzuorganisieren, erklärt unser Experte Marcus Bensmann. Und: Eine neue Recherche von CORRECTIV in der Schweiz zeigt, dass mehr als die Hälfte der Schweizer Parlamentarier Spesen für Mitarbeitende kassieren, die sie gar nicht beschäftigen.

Übrigens: Wir haben vor gut eineinhalb Wochen unsere große Recherche gestartet, wie sich die Grundsteuerreform auf den Geldbeutel der Menschen auswirkt. Obwohl erst wenige Städte die Steuerbescheide verschicken, haben wir schon die Angaben und Belege von 200 Leuten erhalten. Vielen Dank! Worum genau es geht, können Sie hier im Video nochmal nachschauen.

Thema des Tages: Bundestagswahl: Was wirklich zählt

Der Tag auf einen Blick: Das Wichtigste

Faktencheck: Vor Bundestagswahl 2025: Alte Aussage von Erdoğan über deutsche Politik kursiert erneut

Gute Sache(n): Erklärt: Schwangerschaftsabbrüche sollen legal werden • Solarboom in Pakistan • Auf der Flucht verschollen – ein Podcast geht auf Spurensuche

CORRECTIV-Werkbank: Das steckt hinter der Debatte um die Junge Alternative

Grafik des Tages: Bayern Schlusslicht bei pädagogischen Fachkräften an Kitas

Warum viele Themen im Wahlkampf kaum vorkommen:
Die Rollenverteilung im Wahlkampf funktioniert gewöhnlich so: Parteien versuchen, mit ihren Positionen möglichst prominent in Massenmedien und sozialen Netzwerken vorzukommen und dort Themenfelder zu besetzen, in denen sie eine besonders hohe Glaubwürdigkeit haben (Union: meist Wirtschaft, Grüne: oft Umwelt, SPD: häufig Gerechtigkeit). Wählerinnen und Wähler dürfen dann – nach mehreren Monaten in ihrer Rolle als Publikum – abstimmen, wer sie am ehesten überzeugt. 

Eine Folge: Themen, die sich nicht für reichweitenstarke Kampagnen eignen oder keinen hohen Nachrichtenwert besitzen, kommen wenig vor. Zum Beispiel konkrete regionale Problemstellungen, die für das Leben der Menschen aber entscheidend sind. Mit dem Projekt „Deine Stimme, deine Themen“ versucht CORRECTIV.Lokal, die Wahlkampflogik zumindest an einigen Orten der Republik ein Stück weit umzudrehen. 

Mitbestimmen, worüber die Kandidierenden sprechen 
Gemeinsam mit sechs Lokalmedien wollen wir bis Mitte Dezember diejenigen Themen sammeln, die Menschen vor Ort besonders wichtig sind. Wer in Lindau (Bayern), Bergisch-Gladbach, Düsseldorf, Münster (NRW), Stade (Niedersachsen) oder den Landkreisen Dahme-Spreewald und Teltow-Fläming (Brandenburg) lebt, kann sich unter diesem Link direkt beteiligen. Aus den Antworten wird für jede Region im Januar eine Liste der Top-Themen veröffentlicht. Sie dient dazu, die Kandidierenden ganz konkret mit den Problemen zu konfrontieren – und hilft uns Medien, an den richtigen Fragen dranzubleiben. Auch im SPOTLIGHT halten wir Sie natürlich auf dem Laufenden.

So steht es im Wahlkampf:
Unterdes haben die Wahlkampfteams und -agenturen eine Reihe von Slogans produziert, mit dem die Parteien ihr Profil schärfen wollen. Die SPD-Kampagne („Wir kämpfen für …“) mutet recht martialisch an. Der Slogan der Union heißt „Wieder nach vorne“ – und erinnert damit ein wenig an Donald Trumps MAGA-Kampagne. FDP und Linke führen hingegen einen Wahlkampf ums politische Überleben. Und BSW („Deutschland, aber vernünftig und gerecht“) sowie AfD („Zeit für Deutschland“) beschwören Deutschland. Bemerkenswert bei der Rechtsaußenpartei: Während die AfD auf rechte Kampfbegriffen (Stolz, Heimat) setzt, bleibt der „Dexit“, der im Entwurf des Wahlprogramms steht, erstmal außen vor – wohl, um bürgerliche Wähler nicht zu verschrecken.

Erstmals Mehrheit der Ukrainer für Gebietsabtretungen an Russland
52 Prozent der Ukrainer befürworten einen möglichst baldigen Beginn von Verhandlungen mit Russland zur Beendigung des Krieges – sie sind zudem der Meinung, dass „die Ukraine für gewisse territoriale Zugeständnisse als Teil eines Friedensabkommens offen sein sollte“.
tagesspiegel.de

VW-Betriebsversammlung von Protesten begleitet
Die Betriebsversammlung bei Volkswagen in Wolfsburg startet mit lautstarken Protesten gegen die Sparpläne des Konzerns. 
maz-online.de

Steuerfreies Spesengeschenk für Parlamentsmitglieder
Mehr als die Hälfte des Schweizer Parlaments beschäftigt keine persönlichen Mitarbeitenden, kassiert aber dafür geschaffene Spesen.
correctiv.org

Nahaufnahme von Erdoğan.

So geht’s auch
In Pakistan sorgen private Verbraucher und Unternehmen für einen Solar-Boom. Um vom störanfälligen Energiesystem unabhängig zu sein und mit der Hitze zurechtzukommen, haben sie vielerorts erheblich investiert. 
dw.com  

Autor Box Marcus Bensmann

Die JA ist ein Anker des völkischen Vorfeldes um den Chef der sogenannten Identitären Bewegung, Martin Sellner, und den rechtsradikalen Verleger Götz Kubitschek in die AfD herein.

Während sich Weidel nach der Geheimplan-Recherche von dem völkischen Kampfbegriff „Remigration” zu distanzieren versuchte, versuchten die Aktivisten der JA Sellners Chamäleon-Begriff in die politische Debatte zu drücken, so wie es etwa der bayerische Landesverband tut. „Remigration“ ist ein Tarnbegriff für millionenfache Vertreibung, der, so Sellner, auch Staatsbürger mit migrantischem Hintergrund betrifft. Der Verfassungsschutz stuft die JA als gesichert rechtsextrem ein. Die Eingliederung in die Partei könnte daher einem Vereinsverbot zuvorkommen. Und das ist auch der Grund, warum führende Funktionäre der JA diesen Schritt unterstützen. 

Das Bundesamt für Verfassungsschutz soll das Gutachten fertiggestellt haben, inwieweit die AfD als Gesamtpartei als gesichert rechtsextrem zu bewerten sei. CORRECTIV stellte kürzlich einen Eilantrag, um Informationen dazu zu erhalten. Eine solche Einstufung würde der Debatte um das Parteienverbot bis zur Bundestagswahl im Februar eine neue Dynamik geben. Offenbar versucht der Bundesvorstand der AfD mit der Eingliederung der völkischen Jugendorganisation der drohenden Einschätzung die Spitze zu nehmen. 

Innerhalb der Partei stößt der Vorgang auf Bedenken. Aus dem völkischen Lager fürchtet man die Domestizierung. Andere machen sich Sorgen, dass mit der Aufnahme der JA-Mitglieder die Partei sogar noch extremer werden könnte. Der Plan des AfD-Bundesvorstandes müsste auf dem Parteitag im Januar 2025 mit einer Satzungsänderung und damit mit zwei Drittel der Delegierten unterstützt werden.

An der heutigen Ausgabe hat mitgewirkt: Till Eckert.