
Liebe Leserinnen und Leser,
herzlich Willkommen in einer neuen Woche – in der Hoffnung, dass es endlich mal wieder eine „normale“ Woche werden könnte. Also eine, in der es keine bösen Überraschungen gibt, in der sich das mächtigste Land der Welt von der bisherigen Weltordnung abwendet und dadurch eine Kettenreaktion der Aufrüstung in Gang setzt.
Wir wollen uns diese Woche im SPOTLIGHT – gemeinsam mit Ihnen – anschauen, welche konkreten Folgen die Weltereignisse für uns in Deutschland haben. Vor allem: Kommt nun die allgemeine Wehrpflicht wieder?
Heute geht es aber im Thema des Tages erst einmal um ein anderes Thema, das wir von CORRECTIV begleiten: ein mögliches AfD-Verbotsverfahren. Unsere Reporterin Marie Bröckling hat herausgefunden, dass das Verfahren aller Wahrscheinlichkeit nach noch Monate in einem Dornröschenschlaf schlummern wird. Warum, lesen Sie weiter unten.
Schicken Sie uns heute wieder Ihre Vorschläge für die „Leserfrage der Woche“: Welche Frage sollen wir in Ihrem Auftrag an eine Behörde oder ein Unternehmen stellen? Vorschläge bitte an unseren SPOTLIGHT-Reporter: robin.albers@correctiv.org.
Thema des Tages: Verbotsverfahren – im Dornröschenschlaf
Der Tag auf einen Blick: Das Wichtigste
Faktencheck: Zitat von Linken-Politiker Ferat Koçak über Diebstähle von Geflüchteten fehlt Kontext
CORRECTIV-Werkbank: Rumäniens Wahlkrise: Demokratie vs. Rechtspopulismus
Grafik des Tages: Weltweiter Waffenhandel: Deutschland auf Rang fünf bei Exporten
Sie erinnern sich sicher an das Verfassungsschutz-Gutachten über die AfD – jenes zentrale Bewertungspapier, das zeigen sollte, ob die Partei mittlerweile in ihrer Gesamtheit als „gesichert rechtsextrem“ einzuschätzen ist oder nicht. Das Papier gilt als eine wesentliche Grundlage, um ein Verbotsverfahren in Gang zu bringen.
Nun, das Gutachten sollte eigentlich längst fertig sein. Ist es aber nicht.
Das hatten wir von CORRECTIV vor einigen Wochen herausgefunden. Wir hatten uns mit der Hilfe von Gerichten darum bemüht, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz das Gutachten veröffentlicht. Nach wochenlangem Hin und Her kam dann die Antwort: geht nicht, weil noch gar nicht fertig.
Nun gibt es eine neue Entwicklung, die unsere Verbotsverfahren-Reporterin Marie Bröckling recherchiert hat. Hier geht es zu ihrem vollständigen Text.
Die Rolle der Verfassungsschutzspitze:
Sechs Jahre lang war Thomas Haldenwang Chef des Inlandsgeheimdienstes, im vergangenen November hörte er auf. Noch-Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) kündigte damals an, der Posten werde sehr schnell nachbesetzt – weil sonst viel Wichtiges auf die lange Bank geschoben werden müsse.
Die künftige Verfassungsschutz-Chefin (oder der Chef) wird im Wesentlichen entscheiden, ob und wann das Gutachten veröffentlicht wird. Es ist unwahrscheinlich, dass die Stellvertreter, die derzeit die Behörde leiten, eine derart wichtige Entscheidung treffen werden.

Mit anderen Worten: kein Chef – kein Gutachten – kein Verbotsverfahren.
Wann gibt es denn eine neue Verfassungsschutz-Spitze?
Das kann theoretisch noch Monate dauern. Das Bundesamt für Verfassungsschutz teilte auf unsere Anfrage hin mit: Erst die neue Bundesregierung werde das Amt neu besetzen. Das heißt, es muss erst einmal eine Koalition gebildet werden und dann geht es irgendwann mit der Besetzung der Posten los.
Das heißt konkret: frühestens April, vielleicht aber auch erst August.
Weshalb braucht es das Gutachten, um ein Verbotsverfahren anzuschieben?
Formal ist das Vorliegen des Gutachtens keine Voraussetzung. Aber natürlich wäre es eine solidere Grundlage für die Prüfarbeit des Bundesverfassungsgerichts, hätte es eine solide „Vorprüfung“ gegeben.
Stellen Sie sich andersherum das Desaster vor, wenn Bundestag oder Bundesregierung jetzt einen Prüfantrag stellen würden – und dann in zwei, drei Monaten das Gutachten erschiene und zum Ergebnis käme: Nein, die AfD ist gar nicht gesichert rechtsextrem.
Was sagt die Noch-Bundesregierung?
Wir von CORRECTIV haben das Bundespresseamt gefragt, ob die noch amtierende Bundesregierung vielleicht trotzdem auf den letzten Drücker das Verbotsverfahren starten lässt. Möglich wäre das. Die Antwort fiel aber klar aus: „Das ist nicht geplant“, schreibt die Behörde.
Grüne wollen Änderung des Grundgesetzes nicht zustimmen
Union und SPD hatten für das milliardenschwere Verteidigungs- und Infrastrukturpaket auf die Stimmen der Grünen gehofft. Doch nun macht die Parteispitze klar: Man will da nicht mitspielen, signalisiert aber weiter Gesprächsbereitschaft.
tagesschau.de
Warnstreiks: Tausende Flüge fallen aus
Noch bis morgen fallen wegen eines Warnstreiks an 13 Flughäfen Tausende Flüge aus. Die Arbeitenden wollen unter anderem mehr Lohn und freie Tage.
zdf.de
Bayern: Sabotage an bei Touristen beliebter Seilbahn
Bergbahnen in Oberstdorf sind seit viereinhalb Jahren Ziel Schmierereien und anderen Attacken. Jetzt bieten die Betreiber eine Belohnung für Hinweise auf Täter.
sueddeutsche.de
In Chile soll eine Colognia-Dignidad-Gedenkstätte gebaut werden
Chiles Präsident Gabriel Boric hat zugesichert, den Bau einer Gedenkstätte für die Opfer der Colonia Dignidad voranzutreiben. CORRECTIV berichtete 2019 über die Sekte.
deutschlandfunk.de / correctiv.org

Online kursiert eine Zitatkachel mit dem Namen und Bild des Linken-Politikers Ferat Koçak. Demnach soll er gesagt haben: „Bei Diebstählen holen sich Flüchtlinge und Migranten nur, was ihnen zusteht.“ Die Äußerung stammt tatsächlich aus dem Jahr 2023. Doch sie wird aus dem Kontext gerissen. Koçak sagt, er befürworte Diebstahl nicht.
CORRECTIV.Faktencheck
Endlich verständlich
TikTok hat einen großen Einfluss auf Musik. Zum einen passt sich die Musikbranche der App an. Zum anderen können einzelne Songs irgendwann etwas nerven, wenn wir sie schon 100 Mal auf TikTok gehört haben. Unsere Jugendredaktion Salon5 zeigt, wie TikTok die Musikwelt verändert.
Salon 5 (Instagram)
So geht’s auch
Ausgerechnet ein Schleimpilz könnte helfen, Verkehrsnetze besser zu gestalten: Auf der Suche nach Nahrung wählt das Lebewesen stets den effizientesten Weg. Ein Computermodell für die Stadtplanung ahmt nun sein Verhalten nach.
goodimpact.eu
Fundstück
Als klar wurde, dass der Tatdverdächtige von Mannheim ein Deutscher war, ließ das Medieninteresse schnell und spürbar nach. Die Frankfurter Rundschau hat genau nachgerechnet und zeigt den Unterschied in der Berichterstattung über Magdeburg, München und Mannheim.
fr.de
Als Politikwissenschaftlerin beobachte ich die aktuellen Entwicklungen in Rumänien gespannt, da sie als Fallstudie dienen und gleichzeitig einen Präzedenzfall schaffen könnten – entweder zum Schutz der Demokratie oder für jene mit anti-demokratischen Ambitionen. Wir werden sehen.
Rumäniens Entscheidung, den rechtsextremen Kandidaten Călin Georgescu von der wiederholten Präsidentschaftswahlen auszuschließen, hat einen erbitterten Kampf um Narrative entfacht: Während Georgescu und seine Anhänger behaupten, die Demokratie sei in Gefahr, argumentieren die pro-demokratischen Kräfte, die Entscheidung schütze die Integrität der Wahlen vor Extremismus und ausländischer Einmischung.
Die Kontroverse begann, als das rumänische Verfassungsgericht die Präsidentschaftswahlen kurz vor der zweiten Runde annullierte und sich dabei auf russische Einflussnahme sowie eine massive Social-Media-Kampagne berief, die Georgescu ins Rampenlicht rückte. Trotz seiner Dementis zu Verbindungen mit Moskau boten sein plötzlicher Aufstieg auf TikTok und sein unerwarteter Sieg in der ersten Wahlrunde Anlass zur Sorge über ausländische Einflussnahme, was schließlich zu Georgescus Ausschluss von der Wiederholungswahl führte. Seine Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte wurde abgelehnt, da die Richter entschieden, Rumänien habe durchaus im Rahmen seiner verfassungsmäßigen Befugnisse gehandelt, um die Wahlintegrität zu schützen.
Georgescu verurteilte seinen Ausschluss als „direkten Schlag gegen die Demokratie“ und warnte: „Wenn Rumänien fällt, fällt die gesamte demokratische Welt.“ Seine Anhänger protestierten daraufhin gewaltsam auf den Straßen, lieferten sich Auseinandersetzungen mit der Polizei und skandierten: „Die letzte Rettung ist eine neue Revolution!“. Der rechtsextreme Politiker George Simion bezeichnete das Urteil als „Putsch“. Gleichzeitig nannte Elon Musk die Entscheidung auf X „verrückt“, während der US-Vizepräsident JD Vance Bedenken über Europas Rückzug von der Meinungsfreiheit äußerte und so die internationale Kontroverse weiter anheizte.
Die rumänische Regierung und demokratische Institutionen bleiben jedoch bei ihrer Position. Premierminister Marcel Ciolacu verteidigte die Entscheidung mit den Worten: „Die Demokratie darf kein Werkzeug für jene sein, die sie untergraben wollen.“ Die Europäische Kommission unterstützte die Entscheidung und äußerte Bedenken hinsichtlich russischer Einflussnahme und rechtlicher Verstöße. Zivilgesellschaftliche Gruppen warnen gleichzeitig vor Destabilisierungsstrategien der extremen Rechten und betonen, dass Demokratie auf Rechtsstaatlichkeit basiert – nicht auf der Herrschaft des Mobs.
Während aktuell die rechtsextreme Erzählung in den sozialen Medien dominiert, verfügen die pro-demokratischen Kräfte über institutionelle Legitimität und internationale Unterstützung. Die entscheidende Prüfung wird die Wahl im Mai sein, bei der das Urteil letztendlich bei den rumänischen Wählenden liegt.

Deutschland gehört weiterhin zu den weltweit größten Waffenexporteuren. Hauptempfänger waren in den letzten Jahren die Ukraine, Ägypten und Israel. Platz eins der Exportnationen belegt die USA, Platz zwei Frankreich und Platz drei Russland – obwohl dessen Ausfuhren im Vergleich zu dem Zeitraum fünf Jahre zuvor um ein Vielfaches zurückgegangen sind. Ursache dafür ist die Invasion in die Ukraine, die auch dafür sorgt, dass die Ukraine inzwischen das Top-Empfängerland von Waffenlieferungen ist.
wiwo.de
An der heutigen Ausgabe haben mitgewirkt: Till Eckert und Sebastian Haupt.
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