Faktencheck

Nein, die EU will den Anbau von Obst und Gemüse im privaten Garten nicht verbieten

Eine alte Falschmeldung verbreitet sich aktuell wieder stark im Netz: Die EU wolle den Obst- und Gemüseanbau in Gärten verbieten. Das wird seit 2013 verbreitet und stimmte schon damals nicht. Es handelte sich um einen Vorschlag der EU-Kommission, der 2014 vom EU-Parlament abgelehnt wurde und nur kommerzielle Anbieter betreffen sollte – also keine privaten Gärten.

von Viktor Marinov

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Im Netz kursiert ein veralteter Artikel zu einer schon 2014 abgelehnten Reform der EU-Kommission. Kleingärtner wären davon verschont geblieben. (Symbolbild: Pixabay / Kurt Boda)
Behauptung
Die EU wolle Obst- und Gemüseanbau in Gärten verbieten. Sie plane die Kontrolle jeglichen Saatguts und wolle die Verwendung von Einheits-Saatgut vorschreiben. Der Anbau von alten und seltenen Sorten werde strafbar, auch wenn er im privaten Garten erfolge.
Bewertung
Größtenteils falsch
Über diese Bewertung
Größtenteils falsch. Die Meldung ist nicht aktuell, sondern geht auf einen Artikel aus dem Jahr 2013 zurück. Damals schlug die EU-Kommission eine Reform der Saatgutverordnung vor – diese lehnte das EU-Parlament aber 2014 ab. Der damalige Vorschlag sollte den privaten Anbau von alten oder seltenen Obst- und Gemüsesorten nicht verbieten.

In Sozialen Netzwerken macht aktuell eine Nachricht die Runde: „EU will Obst- und Gemüseanbau in Gärten verbieten“, steht auf einem Bild, das auf Facebook und Twitter geteilt wird. Die EU plane die Kontrolle jeglichen Saatguts und wolle Landwirten und Gärtnern „Einheits-Saatgut“ vorschreiben, heißt es weiter. „Alte und seltene Sorten haben kaum Chancen auf Zulassung, ihr Anbau wird strafbar – auch wenn er im privaten Garten erfolgt.“ Das Bild wird ohne Datum verbreitet und suggeriert damit Aktualität.

Doch die Behauptung stammt aus einem alten Artikel und ist falsch. Dahinter steckte ein Entwurf der EU-Kommission von 2013, der im Jahr darauf vom EU-Parlament abgelehnt wurde. Dabei ging es unter anderem um die europäischen Regeln für die Zulassung von Saatgut. Der Anbau in privaten Gärten wäre von dem Entwurf nicht betroffen gewesen.

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Dieses Bild verbreitet sich aktuell auf Facebook. Doch die Behauptung, dass die EU Obst- und Gemüseanbau in Gärten verbieten wolle, ist falsch. (Quelle: Facebook; Screenshot und Schwärzung: CORRECTIV.Faktencheck)

Die Behauptung über die EU und das Verbot von Obst- und Gemüseanbau im Garten entstand 2013

Sucht man nach dem Titel der Meldung, findet man zunächst einen kurzen Blog-Eintrag ohne Datum. Der Wortlaut, die Farbe des Hintergrunds und die Schrift passen zu dem Bild, das in Sozialen Netzwerken geteilt wird – wahrscheinlich stammt der Screenshot von dieser Seite. Wie alt der Blogbeitrag ist, lässt sich nicht eindeutig sagen – die älteste archivierte Version stammt von Januar 2017.

Der Blog verlinkt als Quelle auf einen Artikel der Deutschen Wirtschaftsnachrichten. Er wurde jedoch im April 2013 veröffentlicht und ist damit fast zehn Jahre alt. Auch heißt es in der Überschrift nicht, die EU wolle den Anbau von Obst und Gemüse in Gärten „verbieten“, sondern „regulieren“.

Was stand in der vorgeschlagenen Saatgut-Verordnung der EU?

Doch was steckt genau hinter der Meldung? Es handelte sich um einen Reformvorschlag der EU-Kommission mit dem Titel „Vorschlag für eine Verordnung des europäischen Parlaments und des Rates über die Erzeugung von Pflanzenvermehrungsmaterial und dessen Bereitstellung auf dem Markt (Rechtsvorschriften für Pflanzenvermehrungsmaterial)“ von 2013, die sogenannte Saatgutverordnung. 

Unter anderem ging es um die europäischen Regeln für die Zulassung von Saatgut. Nach Angaben der Kommission sollten die bis dahin gültigen Regelungen vereinfacht werden. Der Großteil der Richtlinien über die Bereitstellung von Saatgut seien zwischen 1966 und 1971 verabschiedet worden, heißt es in dem Vorschlag. Diese Reform wurde 2014 vom EU-Parlament jedoch abgelehnt

Abgelehnter Vorschlag der EU-Kommission bezog sich nicht auf den Anbau in privaten Gärten

An dem Vorschlag gab es unterschiedliche Kritikpunkte. Die Reform begünstige vor allem große Agrarkonzerne, hieß es im Vorfeld. Auch hatten Kritiker zu hohe bürokratische Auflagen für seltene und alte Sorten befürchtet. Nach der Abstimmung im EU-Parlament sagte der Vorsitzende des Landwirtschaftsausschusses, Paolo De Castro, die Pläne hätten den EU-Staaten zu wenig Spielraum gelassen.

Ein komplettes Verbot von Obst- und Gemüseanbau in Gärten stand auch damals nicht zur Debatte. Der Deutsche Naturschutzring befürchtete aber, der private Anbau seltener Sorten könne durch den Vorschlag der Kommission strafbar werden. Auch die damalige Bundesagrarministerin Ilse Aigner (CSU) sagte vor der Abstimmung: „Es darf nicht soweit kommen, dass Privatgärtner für ein paar Samenkörnchen eine amtliche Zulassung vorzulegen haben.“ Diese Kritik war also damals der Hintergrund für die Meldung. 

Die EU-Kommission hatte die Privatgärtner mit der Reform jedoch nicht im Fokus. In einer Pressemitteilung erklärte die Kommission im April 2013: „Privatgärtner können auch in Zukunft ihr Saatgut wie bisher verwenden.“ Sie seien von der Regelung entgegen anderslautender Meldungen nicht betroffen. „Die neuen Regeln gelten für ausschließlich professionelle Akteure, wie beispielsweise Landwirte oder Gartenbaubetriebe, die pflanzliches Saatgut erzeugen.“

EU-Kommission will neuen Reformvorschlag 2023 vorlegen

Dass die alte Meldung von 2013 wieder im Netz kursiert, könnte daran liegen, dass die EU-Kommission einen neuen Reformvorschlag zum Thema Saatgut vorbereitet. Über ein Anbauverbot von Obst und Gemüse in privaten Gärten ist auf der Seite der Kommission zur Zukunft der Vorschriften bislang nicht die Rede. Dieser ist bereits seit November 2021 in Arbeit und soll nach Angaben der Kommission in der ersten Jahreshälfte 2023 vorgeschlagen werden. 

Ursprünglich sollte der Vorschlag schon Ende 2022 veröffentlicht werden. Was er genau beinhalten wird, steht noch nicht fest. Der Entwurf der Kommission braucht aber die Zustimmung im EU-Parlament, damit er wirksam werden kann.

Redigatur: Matthias Bau, Alice Echtermann

Die wichtigsten, öffentlichen Quellen für diesen Faktencheck:

  • Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die über die Erzeugung von Pflanzenvermehrungsmaterial und dessen Bereitstellung auf dem Markt, 6. Mai 2013: Link (archiviert)
  • Die Zukunft der EU-Vorschriften über Pflanzenvermehrungsmaterial, Stand 5. Dezember 2022: Link (archiviert)
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