Faktencheck

Dieses Video ist kein Beweis, dass Blut durch Covid-19-Impfstoffe verklumpt

Ein Video auf Twitter zeigt angeblich, wie Blut nach der Zugabe eines Corona-Impfstoffs gerinnt. Einige Nutzerinnen und Nutzer Sozialen Netzwerken ziehen daraus Schlüsse auf mögliche Nebenwirkungen des Impfstoffs. Doch das ist auf Grundlage des Videos gar nicht möglich.

von Sarah Thust

USA: Ex-Arzt Richard M Fleming
Der ehemalige US-Arzt Richard M. Fleming zeigt Mikroskopaufnahmen von Blut, dem angeblich ein mRNA-Impfstoff beigemischt wurde. Corona-Impfstoffe werden aber eigentlich nicht in die Blutbahn injiziert, sondern in den Muskel. (Quelle: Twitter; Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)
Behauptung
Der Arzt Richard M. Fleming zeige unter einem Mikroskop, dass Blut verklumpe, wenn der „genetische“ Corona-Impfstoff von Johnson & Johnson dazu gemischt werde.
Bewertung
Unbelegt. Das Video hat keine wissenschaftliche Aussagekraft, auch da unklar ist, was unter das Mikroskop gelegt wird. Der Corona-Impfstoff sollte nicht auf diese Weise in die Blutbahn gelangen, sondern in einen Muskel injiziert werden und so langsam ins Blut gelangen. Richard M. Fleming hat zudem vor 15 Jahren seine Lizenz verloren, als Arzt praktizieren zu dürfen.

Der ehemalige US-amerikanische Arzt Richard M. Fleming fragte am 27. April in einem Tweet: „Was geschieht, wenn die genetischen Impfstoffe direkt dem menschlichen Blut zugesetzt werden?“ Dazu veröffentlichte er ein Video, das angeblich einen Versuch mit einer Blutprobe und dem Covid-19-Impfstoff von Johnson & Johnson zeigt. Der Blog Uncut-News greift das Video auf und schreibt, die Aufnahmen zeigten, dass Zellen verklumpen würden. Es würden sich „Fäden“ bilden. 

Zu erkennen sind in dem Video vor allem die Aufnahmen unter dem Mikroskop und Fleming, der Mann im weißen Kittel. Die Mikroskopaufnahme, die auf einem Computerbildschirm zu sehen sein soll, zeigt rötliche Partikel in einer durchsichtigen Flüssigkeit. Angeblich Blutplättchen, die „verklumpen“. Zu hören sind in dem Video mehrere Personen: „Oh wow, es bilden sich Ketten“, sagt ein Mann im Hintergrund. Fleming antwortet, „Ja, ja. … Erinnern Sie sich, dass Janssen die ersten waren, die zugaben, dass es ein Problem mit Entzündungen gab?“ 

Wir haben Fleming per Direktnachricht auf Twitter kontaktiert und ihn gebeten, weitere Angaben zu dem Versuch zu machen. Auf unsere Anfrage reagierte Fleming nicht. Was er unter das Mikroskop schiebt, ist in seinem Video nicht zu sehen – es wird weder protokolliert noch definiert, wie sein Versuch gestaltet ist und was er dafür verwendete.

Twitter-Beitrag von Richard Fleming
Richard M. Fleming beschreibt sich auf Twitter als Physiker, Nuklearkardiologe, Biologe, Chemiker, Psychologe „und mehr“. Doch besonders wissenschaftlich ist dieses Video nicht. (Quelle: Twitter; Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

Virologe: „Das Video hat in dieser Form keinerlei wissenschaftliche Aussagekraft“

Das kritisiert der Virologe Friedemann Weber, Direktor am Institut für Virologie der Justus-Liebig-Universität in Gießen, den wir um Einschätzung des Videos gebeten haben. Eine solche Demonstration ohne Kontrollen sei nichts wert. Auch werde nicht gezeigt, wie die Blutprobe auf unterschiedliche Mengen Impfstoff reagiere. Weiter schreibt er per E-Mail: „Wenn man Blut abzapft und es eine Weile stehen lässt, fängt es von selbst an zu gerinnen. Deshalb verschließen sich Wunden ja nach einiger Zeit. Von daher ist das eine ganz normale Reaktion.“ 

Hartmut Hengel, Professor am Institut für Virologie an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg schreibt uns zum Tweet von Fleming: „Das Video hat in dieser Form keinerlei wissenschaftliche Aussagekraft, obwohl es für Laien suggestiv wirken mag.“ Der untersuchte Impfstoff werde nicht in die Blutbahn verabreicht, wenn Menschen damit geimpft würden, sondern in den Muskel. Schon aus diesem Grund sei die gezeigte Vorgehensweise und deren Interpretation („Blutverklumpung“) fragwürdig.

Es handele sich nicht um ein wissenschaftliches Experiment, es gebe keine Kontrollen und keinerlei Informationen über das konkrete Vorgehen. „Wäre der gezeigte Befund wissenschaftlich ernst zu nehmen, wäre er in einem anerkannten wissenschaftlichen Journal mit Begutachtungsprozess publiziert worden“, schreibt Hengel weiter. Das ist nach unseren Recherchen aber nicht der Fall. 

Blutgerinnungsstörungen sind seit 2021 als seltene Nebenwirkungen des Impfstoffes von Johnson & Johnson bekannt 

Die derzeit eingesetzten mRNA- und Vektorimpfstoffe gegen Covid-19 enthalten genetische Informationen des Coronavirus, um im Körper selbst das sogenannte Spike-Protein des Virus zu produzieren. Das Spike-Protein ist ein Bestandteil von Sars-CoV-2. Das Virus nutzt das Protein, um an menschliche Zellen anzudocken und ihnen so zu vermitteln, das Virus aufzunehmen. Anders ausgedrückt: Das Coronavirus braucht das Spike-Protein, um eine Zelle befallen zu können, wie das Helmholtz-Zentrum auf seiner Webseite erläutert. Die Impfstoffe regen menschliche Körperzellen dazu an, selbst dieses Protein zu produzieren. Auf diese Weise bildet der Körper Abwehrstoffe, um gegen das echte Virus Sars-CoV-2 geschützt zu sein. Im Detail haben wir das hier ausführlich erklärt.

Fleming will im Video den Covid-19-Impfstoff „Janssen“, der inzwischen Jcovden heißt und durch Johnson & Johnson hergestellt wird, benutzt haben. Davon wurden laut dem Impfdashboard bisher rund 5,4 Millionen Dosen an Deutschland geliefert. Eine Sprecherin des Herstellers schrieb uns per E-Mail auf unsere Frage am 23. Mai: „Die Daten stützen weiterhin ein günstiges Nutzen-Risiko-Profil für unseren Covid-19-Impfstoff bei Erwachsenen im Vergleich zu keinem Impfstoff.“ Die Produktinformation des Covid-19-Impfstoffs Jcovden seien zuletzt im Oktober 2021 angepasst worden. 

Impfstoffhersteller sind gesetzlich verpflichtet, bekannte oder bekannt gewordene Nebenwirkungen öffentlich zugänglich bzw. in der Packungsbeilage aufzulisten. Als seltene Nebenwirkung (bei mehr als einem Behandelten von 10.000) des Impfstoffes wurden im April 2021 Blutgerinnungsstörungen (PDF, Seite 4) hinzugefügt. Dabei handelt es sich um sogenannte venöse Thromboembolien (Blutgerinnsel in den Venen). Als sehr seltene Nebenwirkung (bei weniger als einem von 10.000 Behandelten) wurden Thrombosen in Kombination mit Thrombozytopenie hinzugefügt. Da diese Erkrankungen überwiegend bei jüngeren Erwachsenen beobachtet wurden, empfiehlt die Ständige Impfkommission in Deutschland die Impfung mit Jcovden für Menschen ab 60 Jahren.

Nationale Institutionen wie das PEI prüfen die wissenschaftlichen Belege vor der Zulassung eines Impfstoffes. Das PEI ist auch dafür verantwortlich, deren Qualität, Wirksamkeit und Sicherheit zu überwachen. „Werden neue Informationen zur Häufigkeit der Nebenwirkungen gewonnen, werden diese entsprechend in der Produktinformation des jeweiligen Covid-19-Impfstoffs gelistet“, schrieb uns eine Sprecherin des Instituts. 

Wer ist Richard M. Fleming? 

Vor knapp 15 Jahren war Richard M. Fleming noch in den USA als Arzt zugelassen, doch im Jahr 2009 wurde er wegen Gesundheits-, Post- und Überweisungsbetruges verurteilt und verlor so seine Zulassung. Zudem verbannte die US-amerikanische Lebens- und Arzneimittelbehörde (FDA) Fleming von der Teilnahme an Medikamentenstudien. 2021 erklärte er unter anderem, der Impfstoff von Biontech/Pfizer würde menschliches Blut angreifen und erzeuge unter dem Mikroskop Gerinnsel. Ein Faktencheck von Lead Stories kam zu dem Ergebnis, dass es auch für diese Behauptung keine Belege gab. 

Screenshot von Nebraska.gov; demnach hat Fleming die Zulassung verloren
Im US-Bundesstaat Nebraska darf Richard M. Fleming nicht mehr praktizieren (Quelle: Nebraska.gov; Screenshot am 16. Juni 2023: CORRECTIV.Faktencheck)

Das Problem bei Videos wie dem von Fleming ist, dass sich kaum abschließend klären lässt, was konkret die Aufnahmen zeigen. Solche Videos von vermeintlich wissenschaftlichen Experimenten wurden immer wieder genutzt, um zu behaupten, Covid-19-Impfstoffe enthielten metallische Bestandteile (hier und hier) oder Impfungen führten dazu, dass das Blut von Geimpften „zusammenkleben“ würde. Behauptungen, die Experten gegenüber CORRECTIV.Faktencheck als unwissenschaftlich zurückwiesen.

Redigatur: Matthias Bau, Uschi Jonas

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